Der Fall Mannesmann:Nach Gutsherrenart

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Jetzt steht es fest: Als der Aufsichtsrat von Mannesmann im Frühjahr 2000 bei der Übernahme durch Vodafone Prämien in Millionenhöhe an Führungskräfte verteilte, hat er eine Untreue begangen.

Daniela Kuhr

Davon ist der Bundesgerichtshof überzeugt. Am Mittwoch haben die obersten deutschen Strafrichter deshalb die Freisprüche des Landgerichts Düsseldorf aufgehoben.

Für die Angeklagten, zu denen neben Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser auch der heutige Deutsche-Bank-Vorstandssprecher Josef Ackermann gehört, ist das eine bittere Niederlage. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland dagegen ist die Entscheidung gut. Langfristig wird sie das Vertrauen der Investoren in den deutschen Finanzplatz stärken.

Fremdes Geld

Bei der Urteilsbegründung hat der Vorsitzende Richter Klaus Tolksdorf deutliche Worte gefunden. Und es ist schon erstaunlich, dass es erst eines Richterspruchs bedurfte, um sie ins Bewusstsein zu rufen: Vorstände und Aufsichtsräte müssen bei all ihren Handlungen stets das Unternehmensinteresse im Auge behalten, stellte der Senat klar.

Eine Prämie aber, für die es keine vertragliche Grundlage gibt und die zu einem Zeitpunkt gewährt wird, zu dem bereits feststeht, dass der Empfänger sehr bald aus dem Unternehmen ausscheidet - eine solche Prämie liegt auf gar keinen Fall im Interesse des Unternehmens, und zwar weitgehend unabhängig von ihrer Höhe. Damit vertritt der Bundesgerichtshof eine Auffassung, mit der die Wirtschaftslenker in Deutschland gut leben können, manche vielleicht erst nach ein bisschen Nachdenken.

Denn der Richterspruch aus Karlsruhe betont eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Schließlich verfügen Vorstand und Aufsichtsrat, wenn sie Prämien verteilen, über fremdes Geld.

Oder, wie es Tolksdorf ausdrückte: Sie sind "nicht Gutsherren, sondern Gutsverwalter", und als solche "zwingend einer Treuepflicht unterworfen". Wer im Vorfeld des Prozesses befürchtet hatte, dass künftig die Justiz die Gehälter von Managern bestimmt und nicht mehr die Unternehmensleitung, kann beruhigt sein.

Der Bundesgerichtshof hat nur über den Fall Mannesmann entschieden und somit nur über Prämien, die freiwillig und im Nachhinein geleistet wurden.

Prämien also, die keinerlei motivierende Wirkung mehr für die Zukunft haben können, weil es eine Zukunft in diesem Unternehmen für Klaus Esser nicht mehr gab.

Für alle anderen Fälle gilt nach wie vor: Der Aufsichtsrat hat bei der Gewährung von Managergehältern ein weites Ermessen, in das sich die Justiz grundsätzlich nicht einmischen will. Ein Freifahrtsschein aber, mit dem der Aufsichtsrat über Geld des Unternehmens nach Belieben verfügen darf, ist das nicht.

Die Düsseldorfer Staatsanwälte, die stets von der Strafbarkeit der Prämienaktion ausgegangen waren, dürfen sich bestätigt fühlen. Bislang wurden sie mit viel Häme bedacht. Das allerdings haben sich die Ankläger selbst zuzuschreiben. Denn sie waren es, die auch nach wochenlangem Prozess immer wieder eine angebliche Käuflichkeit Essers ins Spiel gebracht hatten - ein noch wesentlich schwererer Vorwurf.

Aber kein einziger Zeuge, kein einziges Dokument hatten diese Theorie bestätigt. Bei einer Staatsanwaltschaft aber, die nur Belastendes zu Kenntnis nahm und alles Entlastende ausblendete, entstand der Verdacht, dass sie sich verrannt hatte.

Pluspunkt für den Finanzplatz

Nun wird der Prozess komplett neu aufgerollt. Die sechs Angeklagten, darunter neben Esser auch Deutsche-Bank-Chef Ackermann, müssen erneut auf die Anklagebank, vermutlich über viele Wochen hinweg. Wie dieser zweite Prozess ausgeht, ist völlig offen. Entscheidend wird es darauf ankommen, was die Angeklagten bei ihren Handlungen gedacht und welche Motive sie damit verfolgt haben.

Der Bundesgerichtshof wollte nicht ausschließen, dass sie ohne Vorsatz gehandelt haben. Diesen Punkt hatte das Landgericht nicht behandelt, weil es schon von vornherein keine Untreue angenommen hatte. Selbst der Generalbundesanwalt, der gegen die Freisprüche angekämpft hatte, hält es für möglich, dass auch die zweite Verhandlung mit einem Freispruch endet.

Für die Deutsche Bank aber bedeutet der Urteilsspruch vom Mittwoch in jedem Fall, dass ihr Vorstandssprecher Ackermann erneut für eine lange Zeit nur beschränkt einsetzbar ist. Wieder wird der Prozess die Schlagzeilen beherrschen, und schöne Schlagzeilen werden das sicher nicht sein.

Schließlich hat gerade Ackermann bislang überhaupt kein Verständnis für die Kritik an den Prämien gezeigt. Die Bank aber, die sich derzeit in einer wichtigen Umbruchphase befindet, braucht eine starke Führung, die zeigt, in welche Richtung das größte deutsche Geldhaus steuert. Schon im Interesse seines Arbeitgebers sollte Ackermann deshalb zurücktreten.

Vor Beginn des Prozesses hatte die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel befürchtet, das Verfahren werde den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächen. Das Gegenteil ist der Fall.

Eine funktionierende Justiz, die den hemmungslosen Griff in die Firmenkasse konsequent verfolgt, ist ein Pluspunkt für einen Finanzplatz. Schließlich investieren Aktionäre nur dort, wo sie wissen, dass man korrekt mit ihrem Geld umgeht.

© SZ vom 22.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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