Demonstration der Landwirte:"Wir lassen die Bauern nicht im Stich"

Protest mit viel PS: Tausende Landwirte demonstrieren für mehr Geld, die Politik verspricht prompt Kredite und Entlastungen in Millionenhöhe.

Pure Existenznot: Weil die Milch fast nichts mehr kostet, stehen viele Landwirte mit dem Rücken zur Wand - sie kämpfen ums Überleben. 6000 Landwirte demonstrierten deshalb in Berlin an der Siegessäule. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ließ sich nicht lange bitten und hat den deutschen Bauern nun finanzielle Unterstützung versprochen.

Landwirte, Sternfahrt in Berlin, ddp

Ungewöhnlicher Protestzug in der Hauptstadt: Rund 6000 Landwirte haben bei einer Demonstration auf ihre schlechte Finanzlage aufmerksam gemacht.

(Foto: Foto: ddp)

Bei der Demonstration sagte Aigner: "Wir lassen die deutschen Bäuerinnen und Bauern nicht im Stich." Es solle demnächst Zinsverbilligungen für längerfristige Kredite geben. Zinslose Kredite zum Vorziehen direkter EU-Beihilfen seien ebenfalls auf dem Weg.

Vor allem Milchbauern, aber auch Getreide-, Obstbauern und Schweinehalter klagen über niedrige Preise. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner griff in einer Rede vor den Bauern unter anderem Billig-Supermarktketten wie Aldi und Lidl an und warf ihnen "modernes Raubritter- und Freibeutertum" vor. Die Discounter nutzten die derzeitige Preiskrise in der Landwirtschaft aus "und verschärfen sie noch weiter", sagte Sonnleitner. Wegen der Wirtschaftskrise sind derzeit auch die Preise für viele Lebensmittel-Rohstoffe wie etwa Milch unter Druck.

Schon seit Monaten gibt es unter den Discountern einen massiven Preiskampf, mit dem sie neue Marktanteile erobern wollen. Dabei versuchen sie auch über günstige Milchprodukte bei den Verbrauchern zu punkten. Sonnleitner forderte deswegen den "Wahnsinn der Preisspirale" nach unten zu stoppen. Sonst drohten zahlreiche Arbeitsplätze auf Bauernhöfen und in Molkereien wegzufallen. Auch sei die Qualitätssicherung gefährdet.

Auch Proteste in Brüssel

Mit ihrer Sternfahrt wollen die Landwirte auch Druck auf die EU-Agrarminister ausüben, die am Montg auf Initiative Deutschlands und Frankreichs über den Milchmarkt beraten. Paris und Berlin fordern von der EU-Kommission einen schnellen Zwischenbericht zur aktuellen Lage. Deutschland hatte zudem vorgeschlagen, die Direktzahlungen der EU an die Landwirte in diesem Jahr schon im Oktober statt im Dezember auszuzahlen. Allein die deutschen Bauern kassieren jährlich 5,4 Milliarden Euro EU-Subventionen.

In einem dramatischen Appell an die EU-Kommission hat der europäische Bauernverband Copa eine vorzeitige Auszahlung der Direktbeihilfen für Landwirte gefordert. Zahlreiche Bauern hätten wegen des Verfalls der Milchpreise "Probleme, Essen und Kleidung für ihre Familien zu bezahlen", sagte Copa-Präsident Padraig Walshe vor dem Treffen auf europäischer Ebene. Für eine vorzeitige Auszahlung der Beihilfen, die normalerweise erst im Dezember fließen, setzt sich auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ein.

Die Preise für Butter seien seit September um mehr als 40 Prozent, die Käsepreise sogar um durchschnittlich 50 Prozent gefallen, sagte Walshe. "Ich selbst muss meine Milch zu Preisen unterhalb der Produktionskosten verkaufen", erklärte der irische Landwirt. Die EU-Kommission müsse deshalb den Export von Milch in Länder außerhalb der EU stärker bezuschussen und die Verwendung von Milchprodukten bei der Herstellung von Eis und Backwaren subventionieren, forderte Walshe. Derzeit greife die Lebensmittelindustrie häufig zu billigeren Pflanzenfetten, was die Absatzprobleme der Bauern verschärfe.

Merkel redet mit Milchbauern

Ein Protestzug von mehreren hundert Bauern marschierte zum Sitz des EU-Ministerrats. Die vom European Milk Board organisierte Demonstration richtete sich unter anderem gegen die Lockerung der Milchquote. Die Milchquote legt die europaweit zulässige Produktionsmenge fest. Viele Bauern befürchten, dass ihre Ausweitung den Preisdruck weiter verschärfen wird. Allerdings wird die Quote derzeit nicht voll ausgeschöpft.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) plant angesichts der Milchkrise ein Treffen mit Milchbauern, wie Landwirtschaftsministerin Aigner in Berlin ankündigte. "Wir werden über die Situation auf dem Milchmarkt diskutieren", sagte Aigner. Das Treffen soll am Freitag im Kanzleramt stattfinden.

Politik entlastet Landwirte beim Agrardiesel

Während also für den Milchmarkt weiter Klärungsbedarf besteht, können Landwirte mit einer Entlastung beim Agrardiesel rechnen. Darauf haben sich am Montag die Spitzen der Koalitionsfraktionen in Berlin verständigt. "Wegen der schwierigen aktuellen Situation der Land- und Forstwirte haben wir uns darauf geeinigt, dass alle landwirtschaftlichen Betriebe wieder von dem reduzierten Mineralölsteuersatz auf Agrardiesel von 25,56 Cent pro Liter profitieren", erklärten Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und SPD-Fraktionschef Peter Struck.

Der bisherige Selbstbehalt von 350 Euro je Betrieb bei der Rückvergütung der Mineralölsteuer entfalle auf zwei Jahre befristet, hieß es. Ebenso entfalle die Deckelung von maximal 10.000 Litern je Betrieb für zwei Jahre. "Wir werden die Land- und Forstwirte dadurch mit etwa 285 Millionen Euro im Jahr entlasten", hieß es weiter. Diese Regelung solle schon für das Jahr 2009 gelten.

Das Kabinett hatte bisher beschlossen, dass die Begrenzung bis 350 Euro fallen soll - allerdings sollten dafür die Länder zuständig sein. Bislang ist der Sprit bis 350 Euro nicht begünstigt, und die niedrigere Besteuerung reicht auch nur bis zu einer Höchstgrenze von 10.000 Litern pro Jahr. Diese beiden Grenzen sollen nun für zwei Jahre abgeschafft werden.

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