Defizit-Fall Italien:Blauer Brief bleibt aus

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Mit einem Milliarden-Sparpaket hat Silvio Berlusconi auch strenge Verfechter des Euro-Stabilitätspaktes überzeugt und sein Land vor dem so genannten Early Warning gerettet.

Nach Monate langem Gezerre um das hohe italienische Defizit hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi mit einem Sparpaket von 7,5 Milliarden Euro einen Blauen Brief der EU in letzter Minute abgewendet.

Er hat den "Blauen Brief" für Italien noch mal abgewendet — Silvio Berlusconi. (Foto: Foto: AP)

Bei einem persönlichen Auftritt vor den EU-Finanzministern in Brüssel versicherte Berlusconi am Montag, die Maßnahmen innerhalb der nächsten zehn Tage in der Regierung zu beschließen.

"Wir haben den Eindruck, dass das Paket für 2004 angemessen ist", sagte der amtierende Vorsitzende der Ministerrunde, der nieder-ländische Ressortchef Gerrit Zalm. Für 2005 seien jedoch weitere Maßnahmen nötig.

Berlusconi überzeugte

Bundesfinanzminister Hans Eichel sagte: "Mit diesen Verpflichtungen, zu denen sich Italien bekannt hat, brauchen wir kein Early Warning (Blauen Brief) auszusprechen."

Dieses Verfahren sei angemessen und früher bei Deutschland und Portugal angewandt worden. Deutschland hatte vor zweieinhalb Jahren einen Blauen Brief gegen Sparzusagen verhindert, die aber später nicht eingehalten wurden.

Der österreichische Ressortchef Karl-Heinz Grasser, ein strikter Verfechter des Euro-Stabilitätspaktes zur Absicherung des Euro, sprach von einer "kompetenten und glaubwürdigen Präsentation" Berlusconis.

Berlusconi hatte nach dem Rücktritt von Wirtschafts- und Finanzminister Giulio Tremonti am Wochenende dessen Ressort vorläufig selbst übernommen. 5,5 Milliarden Euro der Maßnahmen ergeben sich aus Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen, rund 2,0 Milliarden Euro aus einmaligen Sparmaßnahmen. Der Defizit-Fall Italien war vor zwei Monaten auf Drängen Roms verschoben worden.

0,5 Milliarden Euro mehr als gefordert

Laut EU-Kommission droht in Italien im laufenden Jahr ein Defizit von 3,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), im kommenden Jahr sogar von 4,0 Prozent — weit über der zulässigen Defizitgrenze von 3,0 Prozent.

Aus der EU-Behörde war keine Kritik an der Ministerentscheidung zu hören. Italien habe sich beim Haushalt sogar mehr bewegt als von der Kommission gefordert, die Einsparungen von 7,0 Milliarden Euro gefordert hatte.

Griechenland wurde als viertes Land der Euro-Zone nach Deutschland, Frankreich und den Niederlanden mit einem förmlichen Verfahren an den Brüsseler Defizit-Pranger gestellt.

Grund dafür ist ein Defizit von 3,2 Prozent vom BIP 2003. Es drohen in letzter Konsequenz hohe Geldbußen. Dies gilt nicht für Defizit-Verfahren, die am Montag gegen sechs neue Mitgliedstaaten eröffnet wurden.

"Mr. Euro" gesucht

Wegen außergewöhnlicher Umstände haben Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und die Mittelmeerinseln Malta und Zypern länger Zeit, ihre teilweise sehr hohen Defizite zurückzufahren.

Die Eurogruppe, das informelle Gremium der Ressortchefs der Länder mit der Euro-Gemeinschaftswährung, könnte schon bald einen ständigen Vorsitzenden bekommen. Die Minister wollen darüber Anfang September in Den Haag beraten, sagte Zalm.

Als einer der Favoriten für das Prestige trächtige Amt des "Mr. Euro" gilt der luxemburgische Premier- und Finanzminister Jean-Claude Juncker.

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