Debatte über Eine-Billion-Dollar-Münze in USA:Kopf oder Zahl

Debatte über Eine-Billion-Dollar-Münze in USA: Dollar-Münzen: bald auch mit einem Wert von einer Billion Dollar?

Dollar-Münzen: bald auch mit einem Wert von einer Billion Dollar?

(Foto: AFP)

Darf Obamas Regierung das Recht biegen wie eine Brezel, um das Land zu retten? Amerika diskutiert erregt, ob der Finanzminister eine Eine-Billion-Dollar-Münze prägen lassen soll, um damit Schulden abzustottern. Die Republikaner haben mittlerweile so viel Furcht davor, dass sie den Münztrick per Gesetz verbieten wollen.

Jannis Brühl

Eigentlich nimmt die Zeichentrickserie Die Simpsons Gesellschaft und Politik der USA aufs Korn. Doch in diesen Tagen führen amerikanische Ökonomen, Blogger und Politiker eine Debatte, die es so aussehen lässt, als ob sie ihrerseits die Simpsons parodieren wollen.

In der Folge "Die Trillion-Dollar-Note" von 1998 (der deutsche Titel übernimmt "trillion", den amerikanischen Begriff für "Billion") spielt ein Super-Geldschein eine Hauptrolle, mit dem die USA nach dem Krieg den europäischen Verbündeten helfen wollten, der aber in den Fängen des fiesen Milliardärs Montgomery Burns landet. Und jetzt, im realen Jahr 2013, diskutiert der Mainstream, ob der US-Finanzminister eine Ein-Billion-Dollar-Münze prägen sollte (hier der SZ-Bericht).

Der republikanische Abgeordnete Greg Walden hat nun sogar einen Gesetzesantrag zum Thema angekündigt. Der soll dem Finanzministerium verbieten, in Eigenregie Geldstücke zu prägen, um Schulden zu bezahlen. Ungewollter Nebeneffekt von Waldens Vorstoß: Er adelt die Idee als Vorschlag, den auch Republikaner ernst nehmen.

Hauptfigur in dem Streit ist allerdings Nobelpreisträger Paul Krugman. Der Ökonom plädiert in einem neuem Blogeintrag für die New York Times weiter für den Münztrick, unter der Überschrift: "Macht euch bereit, diese Münze zu prägen."

Krugman ist lautester Verfechter der Idee. Die lautet so: Die Republikaner sperren sich gegen eine Anhebung der Schuldengrenze, die den Ausgaben der Regierung ein Limit setzt. Sie wollen so ihre Idee von einem schlanken Staat durchsetzen. Wenn es bis Mitte Februar nicht gelingt, das Schuldenlimit von 16,4 Billionen Dollar zu erhöhen, legen automatische Ausgabenkürzungen Regierungsbehörden lahm.

Ist die Supermünze verfassungswidrig?

Finanzminister Tim Geithner, so der bizarre Vorschlag, solle deshalb Blockade und Schuldengrenze umgehen, indem er eine obskure Gesetzespassage nutzt. Die erlaubt dem Minister, Münzen aus Platin herstellen zu lassen. Von anderen Edelmetallen hat er die Finger zu lassen.

Eigentlich soll er nur Gedenk- und Sammlerstücke aus Platin herausgeben. Doch der Text kann nach Ansicht der Befürworter so ausgelegt werden, dass der Minister geprägte Platinmünzen auch zum Schuldendienst benutzen darf - was der US-Exekutive eigentlich verboten ist.

Der Vorschlag beflügelt die Phantasie. Geithner könnte die Super-Münze mit den zwölf Nullen - unter gigantischem Sicherheitsaufwand - herstellen und physisch zur Notenbank bringen lassen, um sie dort in Zahlung zu geben und das Regierungskonto aufzufüllen.

Doch der Münztrick ist umstritten: Formal könnte er zwar funktionieren, für die Regierung aber Ärger nach sich ziehen. Es ist äußerst fraglich, ob Gerichte die wörtliche, rein technische Lesart als verfassungskonform akzeptieren würden. Sie verstößt gegen den Gedanken, der hinter dem Gesetz steht - dass die Regierung Sammlermünzen herausgibt. Kevin Drum vom linken Magazin Mother Jones fragt Obamas Anhänger, ob sie wirklich einen Präsidenten wollten, der "das Recht verdreht wie eine Brezel".

Auch verrückte Geldpolitik hat schon funktioniert

Die rechtlichen Konsequenzen des Münztricks liegen allerdings größtenteils im Dunkeln. Klagen kann nur, wem persönlicher Schaden entstanden ist, schreibt John Carney vom Sender CNBC. Dafür kämen Angestellte der Prägeanstalt US Mint in Frage, weil sie zu einer möglicherweise verfassungswidrigen Handlung gezwungen würden. Oder Kongressabgeordnete, weil das Finanzministerium ihr verfassungsgegebenes Recht verletze, "Geld herzustellen und seinen Wert zu regulieren". In diesem Fall könnte Republikanerführer John Boehner die Regierung Obama vor Gericht zerren.

Auch der britisch-nüchterne Economist kommentiert die aktuelle Diskussion. Die Billion-Dollar-Münze würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen, schreibt Redakteur Ryan Avent: Die US-Regierung würde ihr eigenes Geld drucken. Die Prägung wäre demnach das endgültige Signal, dass die Politik in Washington zusammengebrochen sei: "Es besteht die kleine Chance, dass die Weltmärkte Angst vor Amerika bekommen."

Dennoch verweist Avent darauf, dass in der Geldpolitik vermeintlich "verrückte" Strategien Erfolg haben können, zum Beispiel die Abkehr vom Goldstandard zur Krisenbekämpfung unter Franklin D. Roosevelt und Richard Nixon. Avent empfiehlt, lieber nach Bedarf Millionen-Dollar-Münzen zu prägen, statt eines einzigen Billionen-Geldstücks. Damit klinge die Idee auch weniger "wie der Plot eines James-Bond-Films". Der höchste US-Dollarbetrag, der bisher auf ein Zahlungsmittel gedruckt wurde, war das 100.000-Dollar-Goldzertifikat von 1934. Es wurde nur für den Zahlungsverkehr zwischen regionalen Notenbanken verwendet.

Die lauter werdende Debatte könnte US-Präsident Barack Obama oder seinen Minister Geithner zwingen, sich zur Super-Münze zu äußern. Deren größter Fan Krugman ist berüchtigt. Er ist einerseits Wirtschaftsnobelpreisträger, andererseits offen parteiisch. Wegen seiner Attacken gegen republikanische Wirtschaftspolitik beleidigte ihn der Economist einst als "Michael Moore für denkende Menschen" - ein Verweis auf den populistischen Dokumentarfilmer, dem politische Treffer oft wichtiger als Fakten sind.

Äquivalent des fliegenden Spaghettimonsters

Krugman meint wie einige Demokraten auch, die sturen Republikaner hätten nichts anderes verdient als ein bisschen "kreative" Gesetzesauslegungen. Der Ökonom Tyler Cowen warnt dagegen, diese Sicht sei die Bestätigung von Krugmans eigener Aussage, in der Praxis einen schlechten Finanzminister abzugeben.

Felix Salmon, Wirtschaftsblogger der Nachrichtenagentur Reuters, hält die Idee für Unsinn: "Niemand wird eine Billion-Dollar-Münze aus Platin prägen." Er erklärt das Geldstück zur Metapher, welche die Absurdität der Schuldengrenze aufzeige. Der Münztrick sei ein "haushaltspolitisches Äquivalent des fliegenden Spaghettimonsters", jener Phantasiefigur, mit der Religionskritiker Vorstellungen von Gott veralbern.

Die Realisten bleiben in der Debatte in der Überzahl. Aber selbst wenn sie niemals hergestellt werden sollte, kann die Münze Obama helfen: Als Drohkulisse, um die republikanische Blockade zu schwächen. Der Abgeordnete Walden hat seine Furcht vor der Münze mit der Gesetzesinitiative bereits demonstriert.

Linktipp: Der ehemalige Leiter der Prägeanstalt US Mint schreibt in einer E-Mail an das Online-Magazin Gawker, dass er die Prägung für durchaus legitim hält. Er war selbst an der Erstellung des entsprechenden Gesetzes beteiligt.

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