Debatte um Besteuerung von Start-ups:Rösler in der digitalen Villa Kunterbunt

Kreativität und Kapital passten in Berlin bisher gut zusammen. Jetzt flehen Start-up-Gründer Wirtschaftsminister Rösler an, ihre Steuerbefreiung gegen die EU zu verteidigen. Der Minister unterstützt die jungen Kreativen - obwohl er gar nicht weiß, ob Finanzminister Schäuble mitspielt.

Jannis Brühl, Berlin

Die Frau mit den roten Haaren und dem Tattoo am Unterarm hat ihrer kleinen Kommunikationsfirma einen ungewöhnlichen Namen gegeben: Amt für Gestaltung. Das findet Philipp Rösler witzig. Ein Unternehmen mit dem Namen einer Behörde. Er freut sich, lässt sich die Geschäftsidee erklären und fragt seinen Mitarbeiter halbernst: "Ist der Begriff 'Amt' urheberrechtlich geschützt?"

Debatte um Besteuerung von Startups

1600 Gründer und Investoren haben das "Start-up Manifesto" unterschrieben. Sie wollen, dass Rösler eine Gesetzesänderung verhindert, nach der Streubesitzdividenden nicht mehr zu 95 Prozent steuerbefreit sein soll.

(Foto: dapd)

Der Wirtschaftsminister mag augenscheinlich die Abwechslung von seinen üblichen Terminen, die ihm sein Besuch im Berliner Betahaus bietet. In dem "Co-Working-Space" sitzen ein paar Dutzend junge Menschen vor ihren Laptops.

Der Minister ist aber nicht wegen ulkiger Firmennamen hier, sondern um sich das "Startup Manifesto" überreichen zu lassen. 1600 Gründer und Investoren haben es unterschrieben. Sie wollen, dass Rösler eine Gesetzesänderung verhindert, nach der Streubesitzdividenden nicht mehr zu 95 Prozent steuerbefreit sein soll. Als Streubesitz gelten in diesem Fall Beteiligungen Einzelner von weniger als zehn Prozent an Firmen. Die bisherige Regel soll verhindern, dass Dividenden und Ausschüttungen zweimal besteuert werden: in der Firma, dann nochmal beim Investor.

Grund der Debatte ist eine Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Deutschland darf ausländische Investoren nicht diskriminieren. Die versteuern ihre Dividenden auf Streubesitz voll. Deutschland bleiben zwei Alternativen, europakonform zu bleiben: Entweder fällt die Besteuerung auch für Ausländer weg - oder die Ausnahme für deutsche Unternehmen.

Der Bundesrat fordert, beide zu besteuern: "Angesichts der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung für die öffentlichen Haushalte ist nur die zweite Alternative sinnvoll." Das schlägt er der Regierung zum Jahressteuergesetz 2013 vor.

Das sorgte für einen Aufschrei in der Gründerszene. Die Start-ups seien auf kleine Investitionen angewiesen, so das Argument. Mehr Steuern würden die vielgepriesenen Business Angel abschrecken. Die Silicon-Valley-Vokabel bezeichnet erfahrene Investoren, die junge Kreative mit Geld für Start-ups versorgen, im Austausch für Anteile.

Kleine Start-ups gegen Bundesrat

Volle Besteuerung für deutsche Firmen "wäre aus unserer Sicht das Aus für die kreative Start-up-Szene", sagt Rösler. Nach Silicon Valley, New York und London sei Berlin das wichtigste Biotop für Gründer. Da strahlen die Jungunternehmer. 75 Milliarden Euro setzte die Branche 2010 einer Studie der Boston Consulting Group zufolge um.

Die Gründer fürchten die Neuregelung, die der Bundesrat fordert. So auch Christian Vollmann: Der 34-Jährige gründete vor vier Jahren die Online-Partnervermittlung eDarling, an der mittlerweile auch Rocket beteiligt ist, der Start-up-Inkubator der Samwer-Brüder. Vollmann hält noch knapp unter zehn Prozent. Er sagt, gerade die Gründer blieben oft nach Jahren noch mit einem kleinen Anteil in ihrer Firma. Sie könnten nun bestraft werden.

"Wenn die Wahl zwischen Besteuerung und Nichtbesteuerung ist", sei klar, in welche Richtung er gehe, sagt der FDP-Politiker Rösler. Soll heißen: Weder deutsche noch ausländische Investoren sollten besteuert werden, selbst wenn das Mindereinnahmen für den Staat bedeutet.

Kleine Start-ups gegen Bundesrat - es ist keineswegs ein Kampf von David gegen Goliath. Auch der IT-Verband Bitkom, in dem Schwergewichte wie Telekom und SAP sitzen, und die Privatversicherer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft kritisieren den Bundesrat.

Das Betahaus in Kreuzberg ist eine digitale Villa Kunterbunt. Von der Decke hängt eine Lampe, deren Schirm aus CDs hergestellt ist, Fahrräder werden hier aus mehreren alten Rädern gelötet - bike hacking heißt das - und ein 3D-Drucker ist für alle da. Rösler würde sich hier gern eine Plastikhülle für sein iPhone pressen lassen, aber sein Stab drängt zum Aufbruch.

So wohl er sich unter den jungen IT-Unternehmern zu fühlen scheint: Fest zusagen kann er nicht, dass er ihr Manifest umsetzt. Deshalb geben sie ihm noch eine Kopie für Wolfgang Schäuble mit. Denn der sitzt ja schließlich nicht im Amt für Gestaltung, sondern im Finanzministerium - weshalb das Argument der Haushaltskonsolidierung für ihn mehr Gewicht haben dürfte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: