Debatte über Gehälter:Deutsche Manager verdienen nur noch ein bisschen mehr

Gehälter Dax-Vorstand 2012 (Grafik) #1

Was Dax-Vorstände verdienen. Bitte klicken zum Vergrößern.

Die Millionen Euro, die Manager kassieren, sind ein öffentliches Ärgernis. Der exorbitante Anstieg scheint aber gestoppt zu sein: Im vergangenen Jahr sind deutsche Top-Gehälter im Schnitt nur um 1,9 Prozent gewachsen. Dennoch fürchtet die Wirtschaft, dass der Staat im Sinne der Wutbürger handelt.

Von Karl-Heinz Büschemann und Christoph Giesen

Bei VW läuft es bestens. Die Autos aus Wolfsburg verkaufen sich glänzend, der Gewinn rennt von einem Rekord zum anderen. Er lag im vergangenen Jahr bei 22 Milliarden Euro. Das ist höher als der Umsatz vieler Dax-Konzerne. VW gilt als Musterunternehmen und Erfolgsgarant der Exportnation Deutschland. Auch bei den Chef-Gehältern könnten die Politiker mit dem Konzern zufrieden sein. Die fordern seit Langem publikumswirksam, die Aktionäre sollten über die Bezahlung der Manager bestimmen und nicht mauschelnde Aufsichtsräte.

In Wolfsburg ist das längst der Fall. Hier bestimmen die Eigentümer darüber, was der Vorstand verdient. Das sind vor allem die Familie Porsche Piëch, die etwa die Hälfte der Aktien des Konzerns hält, und das Land Niedersachsen, das 20 Prozent besitzt. Und was ist das Ergebnis? Ärger! Kein deutscher Manager wird für seine Bezüge so kritisiert, wie der 65-jährige Vorstandschef Martin Winterkorn. Der erhielt im vergangenen Jahr 12,8 Millionen (wird die Auszahlung der langfristigen variablen Vergütung mitberücksichtigt, ergibt sich ein Wert von 14,5 Millionen Euro). Im Jahr zuvor bekam er sogar knapp 17 Millionen. Außerhalb von Wolfsburg wurde Winterkorn zum Bösewicht der Manager-Kaste.

Managergehälter - ein öffentliches Ärgernis

In der Öffentlichkeit gibt sich der Schwabe inzwischen als reumütiger Vertreter der Nadelstreifen-Kaste, der freiwillig verzichtet. Die geballte Wut der Medien und Stammtische hat Winterkorn veranlasst zu erklären, ihm sei Geld nicht wichtig. Er gönne sich allenfalls mal "eine schöne Uhr". Sein Chef-Vertrag hätte ihm für 2012 wegen des hohen Gewinns sogar 20 Millionen Euro gebracht. Aus Angst vor einer neue Debatte gab er sich mit sechs Millionen Euro weniger zufrieden. Seitdem wird er in den Medien als Vertreter einer neuen Bescheidenheit gefeiert.

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Die Top-Verdiener der Dax-Vorstände.

Aber noch immer ist sein Gehalt ein Ausreißer. Der Nächste in der Reihe war 2012 Daimler-Chef Dieter Zetsche mit 8,1 Millionen. Siemens-Chef Peter Löscher wirkt mit 7,8 Millionen Euro neben dem VW-Chef fast bescheiden. Dennoch liegen auch diese beiden weit über dem Durchschnitt.

Die Gehälter einiger Vorstandschefs sind längst ein öffentliches Ärgernis. DGB-Chef Michael Sommer kritisiert die "Selbstbedienungsmentalität" der Führungskräfte. Im deutschen Bundestagswahljahr fordern Politiker schon populistisch die Deckelung der Chef-Bezüge. In der Schweiz haben die Wutbürger beschlossen, ungewöhnlich hohen Gagen dadurch zu begegnen, dass die Hauptversammlung darüber befindet. Die Bürger sind die hohen Gehälter der Wirtschaftskapitäne offenbar leid.

In Deutschland könnte die Gehaltsentwicklung des vergangenen Jahres die Debatte beruhigen. Die Chef-Bezüge sind 2012 bei Berücksichtigung von 27 der 30 Dax-Konzerne um 1,9 Prozent gestiegen. Im Schnitt verdienten die Chefs 5,02 Millionen Euro. Einschließlich der Pensionsansprüche beträgt das durchschnittliche Chef-Einkommen knapp sechs Millionen Euro. Damit scheint die ungestüme Entwicklung, die die Vorstands-Bezüge seit dem Jahr 2000 um 55 Prozent steigen ließ, gestoppt zu sein. "Wir sehen eine Trendumkehr", urteilt Michael Kramarsch von der Unternehmensberatung hkp. "Die Gehälter haben sich nicht mehr dramatisch nach oben entwickelt."

Aufsichtsräte diskutieren Gehaltsgrenzen

Dennoch fürchten viele Manager, der Staat werde sich des Themas bemächtigen und mit Gesetzen eingreifen. Für viele eine Horrorvorstellung. Ja, es gebe "kritikwürdige Einzelfälle", räumt Klaus-Peter Müller, Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank, ein. Der Manager, der auch Chef der Regierungskommission für gute Unternehmensführung ist, hätte am liebsten, wenn sich die Unternehmen weise beschränkten. "Ich halte viel von unternehmensspezifischen Obergrenzen, die auch transparent kommuniziert werden", sagt Müller.

Selbst der frühere Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, der 2006 knapp 14 Millionen Euro verdiente und damit die heiße Gehälter-Debatte in Deutschland lostrat, hat die Gefahren unanständig hoher Bezüge erkannt. Die gesellschaftliche und politische Akzeptanz der Unternehmen gehe verloren, "wenn in der Bevölkerung das Gefühl herrscht, dass sich einige wenige zulasten der Bevölkerung die Taschen füllen". Bischöfe und Professoren warnen vor der Managergier. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sagt: "Jenseits von zehn Millionen Euro wird es sozial unverträglich."

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Die Top-Verdiener der Dax-Vorstände.

Die Aufsichtsräte diskutieren längst, wie der Gehaltsauftrieb gestoppt werden könnte. Aber was sind geeignete Kriterien für die Gehaltshöhe? Ist Winterkorn doppelt so gut wie Norbert Reithofer, Chef von BMW? Hat der VW-Boss einen dreimal so schwierigen Job wie Heinrich Hiesinger, der bei Thyssen-Krupp einen Höllenjob als Sanierer machen muss?

Bezahlung hat nicht nur mit Leistung zu tun

Vorstandsetagen sind oft marktfreie Zonen. Die Gehälter der Chefs haben nicht immer etwas mit Angebot und Nachfrage zu tun. Zum Beispiel profitiert Löscher noch immer davon, dass Siemens 2007 überraschend einen neuen Chef brauchte und der Österreicher eilig in Amerika abgeworben werden musste. "Wir hatten keinen anderen", räumt ein Siemens-Aufsichtsrat schulterzuckend ein.

Chef-Gehälter sind Verhandlungssache zwischen Aufsichtsrat und Managern. Wer in einem Konzern auch die Belegschaftsvertreter im Kontrollgremium auf seine Seite ziehen kann, hat beste Chance auf gute Bezahlung. VW, Daimler oder Siemens sind Beispiele für die Nähe der Arbeitnehmer zum Management und hohe Gehälter.

Bei VW spielt offenbar auch Dankbarkeit ein Rolle. Winterkorn wird von Ferdinand Piëch, dem Aufsichtsratschef und maßgeblichen Vertreter des Porsche-Piëch-Clans, dem der Wolfsburger Konzern wie gesagt etwa zur Hälfte gehört, großzügig bezahlt, weil seine Familie von der stürmischen Gewinnentwicklung des profitiert. "Piëch will Winterkorn offenbar etwas zukommen lassen", sagt dazu ein Unternehmensberater.

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