Debatte:"Null Toleranz für Betrug"

Die VW-Affäre beschäftigte jetzt auch das EU-Parlament in Straßburg. Abgeordnete warfen der Kommission vor, Hinweise auf gefälschte Tests ignoriert zu haben. Kritik gab es aber auch an der Bundesregierung in Berlin.

Von Thomas Kirchner, Straßburg

Im VW-Skandal hat das Europäische Parlament am Dienstag starke Kritik an der EU-Kommission, aber auch an der Bundesregierung geübt. Hinweise, dass die Testergebnisse bei VW um ein Vielfaches niedriger seien als der reale Schadstoffausstoß auf der Straße, habe es schon lange gegeben, monierten Abgeordnete in einer kurzfristig anberaumten Debatte in Straßburg. "Die Kommission sollte zugeben, dass das nicht aus heiterem Himmel kam", sagte Rebecca Harms (Grüne). Beigetragen habe aber auch der langjährige Einsatz von "Autokanzlerin" Angela Merkel. "Ich kenne keinen anderen Bereich, in dem die Bundesregierung so systematisch versucht hat, die Interessen der heimischen Industrie gegen eine europäische Regulierung zu schützen."

Viele Abgeordnete äußerten Empörung über die Manipulationen von VW. Von einer "Tragödie" war die Rede, vom "größten Skandal in der deutschen Unternehmensgeschichte nach dem Krieg", auch von einem beträchtlichen Schaden für die Umwelt. VW gefährde den Ruf der ganzen europäischen Industrie. Das sei auch im Hinblick auf die Verhandlungen mit den USA über ein Handelsabkommen von Belang. Offenbar müsse immer erst eine Katastrophe geschehen, bevor Europa aufwache, sagte der Christdemokrat Giovanni La Via unter Verweis auf den BSE-Skandal und tote Flüchtlinge im Mittelmeer. Seine Fraktionskollegin Françoise Grossetête hingegen fragte, ob die Politik vielleicht zu ehrgeizig sei in der Umweltgesetzgebung. "Man muss auch realistisch sein."

Industriekommissarin Elżbieta Bieńkowska sagte, zunächst müssten Fakten auf den Tisch, um zu klären, welche Motoren und welche Hersteller noch betroffen sein könnten. Das Motto müsse jetzt heißen: "Null Toleranz für Betrug." Die Kommission habe schon vor zwei Jahren vorgeschlagen, Tests unter realen Fahrbedingungen durchzuführen. Sie werde bis Ende des Jahres einen Zeitplan vorlegen, wie dies beschleunigt umgesetzt werden könne. Im Lichte der jüngsten Ereignisse werde ihre Behörde nun auch den Vorschlag für ein neues EU-weites Genehmigungssystem für Fahrzeugtypen überarbeiten.

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