DDR-Zwangsarbeiter:Abgründe am Gleis

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Nicht nur Ikea: Auch bei der Reichsbahn der DDR mussten Strafgefangene Zwangsarbeit leisten. Eine Entschädigung will die Deutsche Bahn nicht zahlen.

Von Markus Balser, Berlin

Sie mussten Gleise demontieren, schwere Erdarbeiten erledigen und neue Trassen bauen. Etwa 500 Strafgefangene haben im Jahresdurchschnitt für die Reichsbahn der DDR Zwangsarbeit geleistet. Das geht aus einer Studie hervor, die Bahn-Chef Rüdiger Grube am Mittwoch mit Historikern in Berlin vorgestellt hat. Menschen seien unter teilweise haarsträubenden Bedingungen ausgebeutet worden, um die Planvorgaben des Regimes zu erfüllen, sagte Grube. "Das ist ein Unrecht, das von der Deutschen Bahn benannt und nicht vergessen wird." Dass im DDR-Strafvollzug Zwangsarbeit geleistet werden musste, ist Fachleuten schon seit Längerem bekannt. Doch die Aufarbeitung läuft bislang schleppend. Nur wenige Unternehmen stellen sich dem Thema. Im Jahr 2012 hatte der Einrichtungskonzern Ikea l als einer von wenigen offiziell eingestanden, er habe Möbel verkauft, die von DDR-Gefangenen hergestellt worden waren. Die Bahn zählt zu den ersten deutschen Unternehmen, die als Erbe der DDR-Reichsbahn dieses dunkle Kapitel ihrer Geschichte aufarbeiten.

Die Arbeiten seien schwer, die Unfallzahlen zehnmal höher als normal gewesen

Die Autoren der Studie - Susanne Kill, die Haushistorikerin der Bahn, sowie die beiden unabhängigen Geschichtswissenschaftler Jan-Henrik Peters und Christopher Kopper, machen das Ausmaß und die grausamen Details der Häftlingszwangsarbeit deutlich. Seit Gründung der DDR 1949, habe auch die Deutsche Reichsbahn von der Häftlingsarbeit profitiert. Der Studie zufolge waren während der gesamten Herrschaft der SED jährlich jeweils zwischen 15 000 und 30 000 Strafgefangene im Arbeitseinsatz, ein kleiner Teil davon bei der Bahn. In den ersten zwei Jahrzehnten der DDR waren sie vor allem beim Bahndammbau auf offener Strecke sowie bei der Vormontage von Schienen-Schwellen-Abschnitten, den sogenannten Jochen, eingesetzt worden. Die Arbeiten seien schwer, die Unfallzahlen zehnmal höher als normal gewesen, sagt Historiker Peters.

Bis zum Ende der DDR habe die Reichsbahn außerdem Gefangene transportiert. Diese Fahrten seien als besonders demütigend und quälend empfunden worden. "So würde man nicht mal Schweine transportieren", sagte Bahnchef Grube.

Opferverbände vor allem von politischen Gefangenen fordern von den beteiligten Unternehmen und deren Rechtsnachfolgern wie der Bahn eine Entschädigung. Dem erteilte der Bahn-Vorstandschef am Mittwoch allerdings eine Absage. Es sei Aufgabe der Politik, eine Antwort auf die Frage nach der finanziellen Wiedergutmachung zu finden.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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