Davos während des Weltwirtschaftsforums:"Die Mastschweine müssen versorgt werden - egal, ob Frau Merkel kommt"

Wo sonst die Kühe weiden, steigt plötzlich Angela Merkel aus ihrem Hubschrauber: Auf dem Hof von Hans Stiffler in Davos landen Politiker und Promis auf dem Weg zum Weltwirtschaftsforum. Ein Gespräch über Bonos Scherze, Stacheldraht ums eigene Haus - und einen Friedensnobelpreisträger, der die gute Stube zweckentfremdete.

Titus Arnu

Der Stilli-Hof liegt ruhig am Ortsrand von Davos. Feriengäste, die bei Hans und Edith Stiffler übernachten, können vom Haus aus in die Langlaufloipe einsteigen, mit dem Skibus zum Lift fahren oder einen Spaziergang am Davoser See machen. Derzeit ist es allerdings vorbei mit der Stille auf dem Stilli-Hof: Während des Weltwirtschaftsgipfels (WEF) starten und landen auf der Wiese neben dem Haus die Helikopter von Regierungschefs, Schauspielern und Wirtschaftsführern.

Hans Stiffler, Bauer Davos

Hans Stiffler, 62, mit seinem Enkelsohn Dario.

(Foto: oh)

SZ: Hallo Herr Stiffler, hören Sie mich? Bei Ihnen ist es so laut.

Stiffler: Ja, da fliegt gerade wieder ein Hubschrauber ab. Das könnte Frau Merkel sein. Genau weiß ich es nicht, es kommen am Tag bis zu 30 Helikopter.

SZ: Sitzen Sie während des WEF nicht pausenlos am Fenster und schauen den Betrieb auf Ihrer Wiese an?

Stiffler: Nein, so viel Zeit habe ich gar nicht. Wir haben 22 Milchkühe, 15 Stück Jungvieh und 60 Mastschweine, die müssen versorgt werden, egal, ob jetzt der amerikanische Präsident kommt, Frau Merkel oder wer auch immer.

SZ: Wieso landen die Politiker eigentlich ausgerechnet auf Ihrer Wiese?

Stiffler: Es ist eine 200 mal 200 Meter große Fläche, die sich gut für große Hubschrauber eignet. 1999 kam Al Gore nach Davos, da haben die Amerikaner vorab angefragt, ob sie mit einem Chinook-Helikopter landen können, das sind diese ganz großen Maschinen mit zwei Rotoren. Ich hatte nichts dagegen, schließlich werde ich für die Nutzung der Wiese finanziell entschädigt, vom Kanton. Im Jahr 2000 landete dann Bill Clinton bei uns, mit dem offiziellen Präsidenten-Heli. Clinton hat sich später persönlich bedankt und uns eine Karte geschickt, die hängt jetzt gerahmt an der Wand.

SZ: Nehmen sich die Politiker und die Prominenten wenigstens Zeit, Ihnen kurz Grüezi zu sagen?

Stiffler: Nicht alle. Manche sind sehr nett, andere beachten einen überhaupt nicht. Gerhard Schröder zum Beispiel war sehr angenehm, er war auch freundlich zu den Sicherheitsleuten und hat alle gegrüßt. Frau Merkel dagegen ist gelandet, rein ins Auto, und weg war sie.

SZ: Sie hatten auch schon Besuch von Hollywoodstars und Sportlern, waren die lockerer als die Regierungschefs?

Stiffler: Zum Teil. Angelina Jolie und Brad Pitt habe ich nur aus der Entfernung gesehen, Bono von U2 machte Scherze mit dem Sicherheitspersonal. Gérard Depardieu war sehr höflich, der hat bei uns einen Kaffee getrunken und mit uns geplaudert. Mit Vitali Klitschko war es recht lustig, neben den habe ich mich für ein Foto gestellt. Da kam ich mir vielleicht klein vor! Fotos mit Politikern sind schwieriger, an die kommt man wegen der ganzen Sicherheitsleute überhaupt nicht ran.

SZ: Sie können sich auf Ihrem eigenen Hof nicht frei bewegen?

Stiffler: Nein, keine Chance. Nach den Anschlägen von 2001 wurden die Sicherheitsvorkehrungen massiv erhöht. Unser Hof ist doppelt eingezäunt, überall sind Posten und Überwachungskameras. Ohne diese Badges mit unseren Fotos drauf kommen wir weder rein noch raus. Seit Jahresanfang wurde das alles aufgebaut, in unseren Ferienzimmern sind Feuerwehrleute und Mitarbeiter der Helikopterfirmen untergebracht.

SZ: Was halten Sie von dem gigantischen Aufwand, der für die Konferenz betrieben wird?

Stiffler: Ob es politisch etwas bringt, kann ich nicht beurteilen. Manchmal kommt es aber zu Begegnungen, die es sonst vielleicht nicht gegeben hätte.

SZ: Zum Beispiel?

Stiffler: Im Jahr 2003 trafen sich der israelische Friedensnobelpreisträger Schimon Peres und der frisch gewählte brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva zufällig auf unserem Hof, die beiden waren sich vorher noch nie begegnet. Plötzlich stürmten ihre Delegationen ins Haus. Es wimmelte von Sicherheitsleuten. Die Polizei erklärte uns, die beiden müssten miteinander sprechen, und so führten die zwei Politiker vertrauliche Gespräche in unserer Stube.

SZ: Wie kommen Ihre Tiere mit dem Trubel klar? Sind sie verstört?

Stiffler: Gestern hatte ich die Kühe im Freilauf. Die schauen schon, wenn ein Helikopter landet und der Schnee stiebt. Aber das schadet ihnen überhaupt nicht.

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