Davos:Für Brexit und Freihandel

Großbritanniens Premierministerin May verteidigt die Globalisierung und spricht mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump.

Von Björn Finke, Thomas Fromm, Davos/London

Davos: Die britische Premierministerin Theresa May spricht am Donnerstag in Davos - und wirbt für Freihandel.

Die britische Premierministerin Theresa May spricht am Donnerstag in Davos - und wirbt für Freihandel.

(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Die Menschen, die in diesen Tagen durch den hohen Schnee des Schweizer Ski-Ortes Davos stapfen und von einem Meeting zum nächsten laufen, haben einen Begriff für das, was sie hier tun: Speed-Dating. Meistens erfährt man nicht, wer hier wen datet. Erfährt man es doch, dann kann die Konstellation des Treffens sehr aussagekräftig sein. Am Donnerstagnachmittag zum Beispiel stand ein Treffen von US-Präsident Donald Trump mit der britischen Premierministerin Theresa May auf dem Programm - ein Date der besonderen Art.

Die eine, May, ist gerade dabei, ihr Land aus der Europäischen Union herauszulotsen. Der andere, Trump, ist zur Globalisierungs-Gala nach Davos gekommen, weil er findet, dass Freihandel und die dazugehörigen Abkommen schädlich sind für die USA. Er will daher für seine Doktrin werben, und die heißt "America first" - Amerika zuerst. Seine großen Gegner, das hat der Mittwoch gezeigt, sind Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron, beide Anhänger eines freien Welthandels mit klaren Regeln. Aber wo steht nun Theresa May?

Kurz vor ihrem Date mit dem US-Präsidenten hielt sie eine Rede, und die war eines jedenfalls nicht: eine Unterstützung für den Präsidenten, der Einzel-Deals zwischen zwei Staaten an die Stelle von allgemeinen Freihandelsregeln setzen will.

Länder, so die Premierministerin, müssten die Regeln für einen freien Handel unterstützen und gestalten: "Wir dürfen nicht in verschiedene Richtungen gehen." In verschiedene Richtungen gehen, damit dürften jene Länder gemeint sein, zwischen denen die Kluft immer größer wird. Die USA auf der einen und Deutschland und Frankreich auf der anderen Seite zum Beispiel. Es klang so, als inszeniere sich May als Vermittlerin im neuen Streit um Globalisierung und Protektionismus.

Dafür gäbe es gute Gründe. Freihandel weltweit zu verteidigen und zu fördern, ist wegen des Brexit gerade für die britische Regierung enorm wichtig. Nach dem Austritt will London möglichst schnell Freihandelsverträge mit Wirtschaftsmächten wie den USA oder China abschließen. EU-Mitglieder dürfen solche Abkommen nicht unterschreiben; Handelspolitik macht Brüssel. Vor dem Referendum klagten die Austritts-Befürworter, die EU schließe zu wenig Verträge ab. Die Brexit-Enthusiasten argumentieren, der Austritt werde den Handel fördern, denn er befreie das Land von der angeblich protektionistischen EU.

Nach dem Brexit sollen die Unternehmer auf der Insel dank der neuen Abkommen ihre Exporte in alle Welt kräftig steigern können - so die Hoffnung. Zugleich sollen sich möglichst wenige Hürden beim Handel mit dem europäischen Festland auftun. Großbritannien solle durch den Austritt zu einem "Global Britain" werden, einer wahrhaft globalen Handelsmacht, verspricht die Premierministerin. Dass Protektionismus nun wieder in Mode kommt, auch und gerade in den USA, ist daher zutiefst beunruhigend für London. Das macht es schwierig, Handelsverträge abzuschließen, die Zölle abschaffen und britische Exporte ankurbeln würden.

Nach dem Treffen, das 45 Minuten dauerte, betonten May und Trump Gemeinsamkeiten. Von unterschiedlichen Positionen beim Freihandel war keine Rede. Man habe gute Beziehungen, sagte Trump und wies Berichte über Meinungsverschiedenheiten zurück. "Wir lieben euer Land", sagte er zu May. Man teile "dieselben Ideale".

Ein Sprecher von May sagte, beide Regierungschefs hätten ihren Wunsch nach engen Handelsbeziehungen nach dem Brexit bekräftigt - sprich: nach einem Freihandelsvertrag zwischen den Staaten. Welchen Kurs also verfolgen die Amerikaner? Kurz vor der Rede von Trump in Davos an diesem Freitag versucht auch sein Finanzminister Steven Mnuchin gut Wetter im Handelsstreit mit China und anderen Ländern zu machen. "Wir wollen nicht in Handelskriege geraten", sagte Mnuchin in dem Ski-Ort. "Andererseits sind wir gewillt, Amerikas Interessen zu verteidigen."

Trumps Regierung hat die Einfuhrzölle auf Waschmaschinen und Solarpaneele erhöht. Mnuchin sagte nun: Trump werde auf dem Weltwirtschaftsforum klarstellen, dass die USA offen für Geschäfte seien. "Aber wir brauchen faire Bedingungen." Die USA hatten insbesondere China wiederholt unfaire Handelspraktiken vorgeworfen, und diese billigen Importe gefährdeten Jobs in den Vereinigten Staaten, hieß es. Mnuchin berichtete, er habe die Handelsbeziehungen mit Liu He diskutiert, dem wichtigsten Wirtschaftsberater von Chinas Präsident Xi Jinping. Beide Seiten seien daran interessiert, den gewaltigen chinesischen Überschuss in der Handelsbilanz zu verringern.

Unterdessen machte der britische Notenbankchef Mark Carney in der Heimat Schlagzeilen mit Berechnungen zum Brexit. Die Entscheidung, die EU zu verlassen, koste das Königreich bereits 200 Millionen Pfund pro Woche in Form von langsamerem Wirtschaftswachstum, sagte er in Davos. Eine teure Volksabstimmung also.

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