Dauer-Demo in Frankfurt:"Die Bankenkrise lässt uns hoffen"

Mit Mönchen und Nonnen gegen den Kapitalismus: Der Theologe Gregor Böckermann demonstriert vor der Deutschen Bank - seit 18 Jahren.

Martin Zips

Es gibt wohl kaum jemanden, der sich über die Finanzkrise dieser Tage so freut wie der Neu-Isenburger Theologe Gregor Böckermann, 68. Seit 18 Jahren demonstriert der Ex-Mönch der Ordensgemeinschaft Afrikamissionare jeden ersten Donnerstag im Monat (14 bis 16 Uhr) unweit der Frankfurter Zentrale der Deutschen Bank gegen den Kapitalismus. Die nächste Mahnwache steht unter dem ironischen Motto: "Wir sammeln Geld für die Bank."

Dauer-Demo in Frankfurt: Der Theologe Gregor Böckermann klagt an - mit großen Lettern und vor der Deutschen Bank in Frankfurt am Main.

Der Theologe Gregor Böckermann klagt an - mit großen Lettern und vor der Deutschen Bank in Frankfurt am Main.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Böckermann, was machen Sie gerade?

Gregor Böckermann: Ich male ein neues Plakat. Darauf steht: "Geld regiert die Welt, wer regiert das Geld?"

SZ: Seit 18 Jahren stehen Sie mit sieben bis zwölf Nonnen und Mönchen sowie Unterstützern Ihrer "Initiative Ordensleute für den Frieden" als Mahnwache vor der Deutschen Bank. Warum?

Böckermann: Ursprünglich haben wir ja gegen Aufrüstung demonstriert. Als die Pershings dann endlich abgezogen waren, wollten wir zeigen: Es gibt auch noch andere Probleme. Deshalb haben wir 1990 eine Slum-Hütte vor die Deutsche Bank gestellt. Die symbolisierte den Hunger in der Welt.

SZ: Ist das nicht zermürbend, 18 Jahre lang recht einsam vor einer Bank zu stehen, und nichts ändert sich?

Böckermann: Jetzt sind wir überzeugt davon, dass wir noch zu unseren Lebzeiten den Kapitalismus überwinden werden. Die Bankenkrise lässt uns hoffen.

SZ: Auf was?

Böckermann: Wir streben ein System des christlichen Sozialismus an. Das, was wir soziale Marktwirtschaft nennen, ist ja nichts anderes als Kapitalismus, der immer mehr aus dem Ruder läuft.

SZ: Jesus würde Linkspartei wählen?

Böckermann: Weiß ich nicht. Als Ordensleute jedenfalls treten wir für ein System ein, das für ein Leben in Fülle - und zwar für alle Menschen - sorgt. So etwas geht. Nur muss jeder dafür endlich seinen Egoismus überwinden. Es gilt: Christen können keine Kapitalisten sein.

SZ: Sieht man das in Ihrem Orden denn genauso?

Böckermann: Ich gehörte den Afrikamissionaren an, bin aber vor drei Jahren ausgetreten - und habe geheiratet.

SZ: Ach.

Böckermann: Nachdem ich eine Predigt über unsere Frankfurter Aktionen gehalten habe, hat mich ein hessischer CDU-Landtagsabgeordneter beim Bischof verpfiffen. Da wurde der Druck immer größer, und ich habe meine Konsequenzen gezogen. Nun lebe ich mit monatlich 690 Euro Rente mit meiner Frau und bin damit sehr glücklich.

SZ: Verliefen Ihre Proteste vor der Deutschen Bank immer friedlich?

Böckermann: Ein Wachmann hat mich mal niedergestoßen - dabei habe ich mir den Arm gebrochen. Der damalige Vorstand Kopper schickte mir Blumen und ein Kärtchen. Und er hat mir mal geschrieben, dass er die Früchte des Apfelbäumchens, das wir einst vor seiner Bank pflanzten, mit mir später teilen möchte. Und Herr Ackermann hat sich sehr über den Blindenstock gefreut, den ich ihm während der letzten Hauptversammlung geschenkt habe. Die Deutsche Bank ist ja nur ein Beispiel: Es geht uns um die Bekämpfung des Kapitalismus.

SZ: Die neue OECD-Studie besagt: Die Schere zwischen Arm und Reich wird größer und größer.

Böckermann: Ja, eben. Schon auf dem Katholikentag in Osnabrück haben wir auf einer alternativen Fronleichnamsprozession nicht das Brot Christi, sondern ein Geldstück vor uns hergetragen. Darum geht es doch: Wen beten wir denn eigentlich an? Das Geld. In Deutschland bereichern sich zehn Prozent der Menschen permanent auf Kosten der anderen. Da darf man als Christ doch nicht stumm zuschauen! Da muss man doch protestieren! Ich hoffe, dass bei unserer nächsten Mahnwache am 6.November viele Menschen kommen werden.

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