Datenschutz:Google sammelt mehr Nutzer-Informationen

Der Konzern ändert die Bedingungen und verknüpft nun personenbezogene Daten mit dem Surfverhalten.

Von Simon Hurtz

Datenschutzbestimmungen sind wie Bücher von Tolstoi. Bei vielen Menschen steht "Krieg und Frieden" im Regal, wenige haben mehr als die ersten paar Seiten gelesen. So ist es auch mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Webseiten: 86 Prozent der deutschen Internetnutzer halten es für wichtig, sie zu kennen - aber nur 20 Prozent lesen sie aufmerksam. Im Alltag kann das kuriose Auswirkungen haben: In den Datenschutzbestimmungen von Facebooks Werbenetzwerk Atlas, das Zugriff auf alle Nutzerdaten hat, versteckte sich monatelang ein doppelter Absatz. Niemand bemerkte es.

Als Google im Sommer neue Datenschutzbestimmungen einführte, nahm ebenfalls kaum jemand Notiz. Einige US-Medien berichteten überwiegend positiv. Am vergangenen Freitag hat das amerikanische Recherchebüro Pro Publica einen Artikel veröffentlicht, der zehntausendfach geteilt und kommentiert wurde. Google habe stillschweigend "die Mauer zwischen anonymem Werbetracking und den Namen der Nutzer eingerissen", heißt es darin. Das sei ein Rückschlag für die Beteuerungen der Werbebranche, dass Tracking im Internet anonym ablaufe.

Der Vorwurf bezieht sich auf die Änderung der Datenschutzbestimmungen am 28. Juni. Dort hat Google einen Satz gestrichen und durch einen anderen ersetzt. Aus "Wir verknüpfen keine Informationen von Doubleclick-Cookies mit personenbezogenen Daten, es sei denn, Sie haben uns diesbezüglich Ihre ausdrückliche Einwilligung gegeben" wurde: "Je nach Ihren Kontoeinstellungen werden Ihre Aktivitäten auf anderen Websites und in Apps gegebenenfalls mit Ihren personenbezogenen Daten verknüpft, um die Dienste von Google und von Google eingeblendete Werbung zu verbessern."

Google hat Doubleclick, eine Firma, die Nutzerspuren verfolgt, 2007 übernommen. Auf knapp der Hälfte der eine Million größten Webseiten sind Tracker von Doubleclick eingebunden. Die Firma setzt beim Aufruf von Webseiten sogenannte Cookies auf dem Rechner der Nutzer. Anhand dieser kleinen Dateien können Unternehmen das Surfverhalten nachvollziehen und personalisierte Werbung schalten. Die Informationen beziehen sich nur auf den jeweiligen Browser und werden nicht mit personenbezogenen Daten verknüpft. Auch SZ.de verwendet diese Technologie.

Wer ein neues Konto hat, muss den Bestimmungen aktiv widersprechen

Fast zehn Jahre lang hat Google die Informationen aus dem Doubleclick-Netzwerk strikt von den persönlichen Nutzerdaten getrennt. Nun behält sich der Konzern das Recht vor, beide Datenbanken miteinander zu verbinden. "Unser Anzeigensystem wurde vor der Smartphone-Revolution entwickelt", sagt eine Google-Sprecherin. Mittlerweile verwendeten Nutzer viele Geräte gleichzeitig. Dementsprechend hätten die Werbeeinstellungen an das mobile Zeitalter angepasst werden müssen, sodass Anzeigen geräteübergreifend kontrolliert und ausgespielt werden können.

Das ist tatsächlich eine wichtige Änderung - der Vorwurf von Pro Publica ist dennoch überzogen. Google hat die Änderung nicht "stillschweigend" vorgenommen, sondern offensiv kommuniziert. Jeder Nutzer bekam bei der Anmeldung den Hinweis auf die neuen Bedingungen, der diese in wenigen Sätzen verständlich erklärte. Außerdem wurde der Datenabgleich bei keinem bestehenden Google-Konto aktiviert. Die Nutzer müssen von sich aus einen Schalter umlegen, damit die Doubleclick-Informationen mit personenbezogenen Google-Daten verknüpft werden.

Das gilt allerdings nicht für Google-Konten, die nach dem 28. Juni erstellt wurden. Deren Nutzer müssen aktiv widersprechen: Möglich ist das unter "Mein Konto" und "Google-Aktivitäten verwalten". Dort kann man die Aktivitätseinstellungen aufrufen und den Schalter neben "Web- und App-Aktivitäten" umlegen. Anschließend muss man die Entscheidung bestätigen, indem man auf "Pausieren" klickt.

Unabhängig davon können Nutzer in den Werbeeinstellungen personalisierte Anzeigen deaktivieren. Dann sehen sie nur Werbung, die nicht auf ihrem Sucherverlauf und ihren Nutzerdaten bei Google beruht.

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