Datenbank:System mit Lücken

Bei der Erfassung der Antibiotika in der Massentierhaltung fehlen die Details. Das ganze System muss verfeinert werden.

Von Silvia Liebrich

Tierhalter müssen in Deutschland seit dem vergangenen Jahr alle sechs Monate ihren Antibiotika-Verbrauch in den Ställen in eine Datenbank eingeben. So ermittelt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für mehrere Tierarten eine Art Grenzwert, den jeder Betrieb einhalten muss. Liegt ein Tierhalter deutlich darüber, ist er verpflichtet, den Medikamenteneinsatz zu reduzieren. Die Pharmabranche hat den Behörden zufolge allein im vergangenen Jahr insgesamt 1238 Tonnen Antibiotika an Tierärzte in Deutschland geliefert.

Das Erfassungssystem geht nach Einschätzung der Initiative Ärzte gegen Massentierhaltung, in der sich mehrere Tausend Mediziner zusammenschlossen haben, zwar in die richtige Richtung. Es hat jedoch erhebliche Defizite. "Wenn man die Antibiotika-Mengen einfach nur in Tonnen-Angaben aufsummiert, ist das ein zu grobes Raster", sagt Peter Sauer, Sprecher der Organisation. Entscheidend sei, wie häufig einzelnen Tiere mit den Medikamenten behandelt und welche Einzeldosen verabreicht werden. So genau würden die Daten aber nicht erfasst, es gebe deshalb auch keine genauen Statistiken.

Ein Problem gibt es nach seinen Worten auch bei den sogenannten Reserveantibiotika. Dabei handelt es sich um spezielle Medikamente. Sie sollen eigentlich nur bei Infektionen mit resistenten Erregern angewandt werden, gegen die gängige Antibiotika nicht mehr helfen. Viele davon sind sowohl für die Behandlung von Menschen als auch von Tieren zugelassen. Experten halten das für ein großes Problem.

Ausgerechnet der Verbrauch dieser wertvollen Stoffe nehme in den Ställen weiter zu, während die Antibiotikazahlen insgesamt zurückgehen, kritisiert Sauer. 2014 sank die Gesamtmenge um 15 Prozent. "Mit dem stärkeren Einsatz von Reserveantibiotika lässt sich ein häufiger Einsatz der Mittel gut verschleiern", sagt Sauer. Das liege daran, dass Reservemittel viel geringer dosiert werden müssen als normale. "Reserveantibiotika können, je nach Art, bis zu einem Faktor 50 geringer dosiert werden als andere", sagt Sauer. Das bedeutet dann beispielsweise, dass vier Tonnen Reserveantibiotika 200 Tonnen der üblichen Antibiotika entsprechen.

"Das Erfassungssystem muss entscheidend verbessert und verfeinert werden", fordert Sauer. "Wenn der Bund sein Streben nach Transparenz ernst nimmt, muss er dafür sorgen, dass die Daten mit größerer Genauigkeit erfasst werden."

Die Organisation der Mediziner fordert vor diesem Hintergrund ein generelles Verbot von Reserveantibiotika für ganze Tierbestände in Ställen. Ausnahmen dürften nur in begründeten Einzelfällen möglich sein: Etwa dann, wenn bei einem einzelnen Pferd oder einem Rind alle anderen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft seien. Ein solches Verbot wird auf EU-Ebene bereits diskutiert. Auch die Agrarminister der Bundesländer haben sich auf ihrer Frühjahrstagung dafür ausgesprochen, Reserveantibiotika zu verbieten.

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