Datenaffären bei Bahn und Telekom:Die Kontengucker

Chuzpe und Raffinesse: Wie die Kölner Detektei Argen im Auftrag von Deutscher Bahn und Telekom sensible Daten von Bankkunden besorgte.

Hans Leyendecker

Am Kölner Kaiser-Wilhelm-Ring ballen sich die Bürohäuser und manche Kontore machen, von außen zumindest, eine Menge her. Im Haus mit der Nummer 18 hat die Argen GmbH ihren Sitz. Es handelt sich um eine Detektei mit nicht einmal einem halben Dutzend Beschäftigten und die Büroräume sind von fast schon auffälliger Unauffälligkeit. Dabei gilt die 1977 gegründete Firma bei Fachleuten als Stätte wundersamer Aktenbeschaffung; selbst Nachrichtendienstlern ist sie als "die Kontengucker-Firma" ein Begriff.

Kontoauszug durch die Lupe, dpa

Die Argen GmbH - eine Stätte wundersamer Aktenbeschaffung; selbst Nachrichtendienstlern ist sie als "die Kontengucker-Firma" ein Begriff.

(Foto: Foto: dpa)

International ist die kleine Detektei auf virtuose Weise erfolgreich bei der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. National tauchte sie im Schnüffelskandal der Telekom und im Datenskandal der Deutschen Bahn auf. Für diese Unternehmen galt weder das Bank- noch das Steuergeheimnis: Menschen wurden gläsern.

Im Auftrag der Konzerne hat die Detektei heimlich Kontoauszüge bei Geldinstituten wie der Raiffeisen-Bank, der Deutschen Bank, der Postbank, der Barclays Bank, der Sparda-Bank Frankfurt, der Volksbank Frankfurt und der PSD Bank Berlin-Brandenburg besorgt. Sie hat Kontenbewegungen nachgezeichnet, Kreditlinien ermittelt und den Auftraggebern über Ergebnisse von Steuerprüfungen berichtet, über die Steuerbeamte nicht mal mit Kollegen reden durften.

Fassungslose Sonderermittler

Sichtlich fassungslos haben die von der Bahn eingesetzten Sonderermittler, die früheren Bundesminister Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Gerhart Baum (FDP) versucht, einen Teil dieser Schattenwelt nachzuzeichnen: die Argen habe im Fall einer unter Korruptionsverdacht stehenden Firma Informationen weitergegeben über "Umsatzerlöse, Umsatz- und Einkommensteuerzahlen" sowie Informationen über eine "wegen Unregelmäßigkeiten bei der Entrichtung von Umsatz- und Einkommensteuer angeordnete Betriebsprüfung des Finanzamtes Wiesbaden gegen das verdächtige Unternehmen". Die "Aufzählung an Rechercheergebnissen", so die Sonderermittler, sei nicht abschließend.

Professionalität und Unverfrorenheit der privaten Schnüffler stellen die Ambitionen der Datensammler bei der Polizei weit in den Schatten. Der Begriff Korruptionsverdacht, so sieht es aus, war Konzernen jeden Einsatz wert, denn die Argen wurde vor allem dann gerufen, wenn es Hinweise auf Schmiergeldzahlungen gab.

Der Fall der Kölner Detektei wirft nicht nur die Frage auf, ob der Staat oder nicht doch eher die Wirtschaft der wahre Feind ungeschützter Daten ist. Er zeigt auch, dass der Satz, der Zweck heilige die Mittel, noch immer gültig ist.

Kaum Spuren hinterlassen

Die Datenaffären und die Schnüffelskandale zeichnen sich durch besondere Chuzpe und Raffinesse der Beteiligten aus. Bei der Bahn hinterließ die Argen kaum Spuren. Das Unternehmen wurde entweder von der früheren Kölner Kanzlei Oppenhoff & Rädler, die mit der Bahn zusammenarbeitete, beauftragt, oder vom einstigen Ombudsmann der Bahn. Der langjährige Geschäftsführer der Argen, David Cowling, hat einem Vertrauten mal gesagt, er sei bedrängt worden, unbedingt mit allen Mitteln vorzugehen: "Notwehr".

Die Bahn zahlte für die "Notwehr" nicht an ihn, sondern an die Anwälte oder den Ombudsmann, die dann die Rechnungen der Argen beglichen. Aus Bahnkreisen verlautet, Ex-Personalchefin Margret Suckale sei neulich gefragt worden, warum die Argen nicht direkt beauftragt worden sei. Das wisse sie nicht, habe sie gesagt. Dabei war die Antwort einfach. Die Bahn wollte sich nicht selbst die Finger schmutzig machen. Aufträge wurden milieugemäß getarnt.

Die kleine Detektei vom Rhein, die fast drei Jahrzehnte von dem gelernten Betriebswirt Cowling geleitet wurde, hat kaum Umsatz mit der Bahn und gut fünf Prozent ihres Umsatzes mit der Telekom gemacht. 2006 sollen es mal acht bis neun Prozent gewesen sein. Cowling ging sehr vorsichtig vor. Seine Buchhaltung lagerte in einem anderen Kölner Unternehmen, den Schlüssel dazu hatte ein renommierter Kölner Anwalt.

Wie kam er an all die Unterlagen? Die Vorstellung, dass er schmiert, ist wohl zu simpel. Er wird auch nicht "hacken". Wahrscheinlicher ist, dass er "Briefmarken tauscht", wie es im Fachjargon heißt. Staatliche und private Ermittler tauschen manchmal Akten aus, aber sicher ist das nicht. Im Bahn-Fall liegt die erste Anzeige nach 30 Jahren gegen ihn als früheren Argen-Verantwortlichen vor. Viel Aussicht auf Erfolg hat sie nicht. Die Kontengucker-Fälle, deretwegen die Kölner Staatsanwaltschaft Ende April ein Aktenzeichen anlegte, sind verjährt.

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