Das Netzwerk der WMP:Ein Kessel BRD

Die gelernten Journalisten in dem Bürogebäude in der Alten Jakobstraße im Osten Berlins arbeiten wie in einer Redaktion. Sie machen sich Gedanken, was andere Journalisten - und damit die Leser - interessieren könnte.

Von Hans-Jürgen Jakobs und Claudia Tieschky

(SZ vom 28.11.03) — Zahlreiche ehemalige Chefredakteure sind in dieser Firma anzutreffen, allen voran die Aktionäre und Vorstände Hans-Erich Bilges und Hans-Hermann Tiedje, die früher am Balken von Bild Könige waren.

Das Netzwerk der WMP: Der ehemalige "Bild"-Schlagzeilenmacher Hans-Hermann Tiedje.

Der ehemalige "Bild"-Schlagzeilenmacher Hans-Hermann Tiedje.

(Foto: Foto: AP)

Vor allem Tiedje, der kreative Schlagzeilenmacher, der Kanzler Kohl einst nach einer Steuer-Lüge als "Umfaller" waagerecht über die Frontseite legte und den Politiker später beriet, hat aus alter Zeit viele Verbindungen. Später machte er die Illustrierte Tango, ehe er sich ganz der Kommunikations- und PR-Branche verschrieb.

Gewünschte Botschaften

Aber gelten diese Etiketten überhaupt? Tiedje, der Macher von WMP EuroCom AG, würde das bestreiten. Sie denken sich ja nur Geschichten aus und bringen sie in Umlauf. Sie haben ja nur ein Netzwerk, das jederzeit für gewünschte Botschaften nutzbar ist.

Sie beschäftigen ja nur Ex-Chefredakteure, die sich in den alten Redaktionen noch ganz gut auskennen. So ist die leichte Imagedelle nach den aufgeregten Tagen rund um die millionenschwere Verpflichtung des WMP-Vorstands Bernd Schiphorst bei der Bundesanstalt für Arbeit wohl erträglich.

Abstand genommen

Anstaltsleiter Florian Gerster hatte offenbar bei dem ihm gut bekannten Bertelsmann-Chef Gunter Thielen nach einem geeigneten PR-Helfer gefragt, und dann den langjährigen Bertelsmann-Manager Schiphorst genannt bekommen. Erst als die Umstände (fehlende Ausschreibung) ruchbar wurden, nahm die WMP EuroCom AG von dem Auftrag Abstand.

Auch ein Intendant gehört zum Geflecht der WMP. Mit MDR-Chef Udo Reiter ist Tiedje über einen "persönlichen Beratervertrag" verbunden, wie der Sender bestätigt. Es gehe um die Entwicklung neuer Formate sowie um das Aufspüren geeigneter Mitarbeiter und Showgäste.

Stasi-Altlasten

"Da hat ja auch der gesamte MDR was davon", sagt ein Sendersprecher. Tiedje hat wohl auch was davon. Wie viel öffentlich-rechtliches Gebührengeld an den Berater nach Berlin fließt, wird nicht offen gelegt.

Erstmals war der Name Tiedje vor ein paar Jahren beim MDR aufgetaucht, als der Sender wegen einiger Stasi-Altlasten in der Öffentlichkeit zerzaust wurde; die Verbindungen sind offenbar sehr eng.

So übernahm die langjährige MDR-Sprecherin und Reiter-Vertraute Susan E. Knoll im Mai 2001 das wenige Wochen zuvor eröffnete Leipziger WMP-Büro. Werben& Verkaufen vertraute sie damals an, sie wolle sich für WMP auch beim alten Arbeitgeber um Aufträge bemühen: "Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass ich dem MDR Leistungen erbringen werde."

IM "Fuchs"

Um der klaren Verhältnisse willen habe man aber vor ihrem Wechsel noch eine Vereinbarung zwischen WMP und MDR über die Betreuung der Mitarbeiterzeitung Mittendrin gelöst. Für den Leipziger WMP-Job war erst ihr Freund Klaus-Dieter Kimmel genannt worden, in der DDR einst IM "Fuchs".

Tiedje hatte ihn nach der Wende in die Chefredaktion von Bild geholt. Der Kontakt zu Kimmel blieb: Er war an der Entwicklung der Ostalgie-Show Ein Kessel DDR beteiligt, die von der WMP-Tochter TVMedia dem MDR verkauft wurde. Wegen des Quotenerfolgs liefen sogar sechs statt geplanter vier Folgen.

Euphorie bei Tiedje

So viel Druck im Kessel DDR muss Tiedje euphorisiert haben. Er wähnte bereits bei anderen Sendern Interesse an einer Retro-Sendung für ganz Deutschland: Ein Kessel BRD, sozusagen. Man arbeite an einem Konzept, sagte er und nannte den NDR als möglichen Interessenten. Hier war der umtriebige Macher mal als Talkshow-Moderator aufgetreten.

Ein Sprecher des Senders bestätigt, dass Tiedje "als Unternehmer der TV Media" ein entsprechendes Angebot abgegeben habe - das der NDR aber nicht verfolgte. Im Interview mit BR Alpha bekannte Tiedje im Juli 2002, seine WMP habe "eine Kundschaft, die bedient werden will - und wir haben ein paar eigene Vorstellungen".

Genscher und Marseille

Das bedeutet etwa, dass in einer WMP-Anzeigenkampagne für den Kunden Türkei auch der WMP-Kunde Reiter für den EU-Beitrittskandidaten wirbt - sowie der FDP-Politiker Günter Rexrodt, der im Vorstand der WMP EuroCom sitzt.

Als Aufsichtsratschef der Berliner Firma fungiert Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Unter den Aufsehern befindet sich auch Unternehmensberater Roland Berger und der Schill-nahe Klinikchef Ulrich Marseille.

Eher im konservativen Milieu sind die Thementüftler von der Spree bei ihren Grenzausflügen zwischen Politik, Medien und Wirtschaft zuhause. Bei der SPD hatte die WMP vor allem die Parlamentarier Rainer Wend und Peter Danckert als Mitstreiter.

Bitte der Regierung

Der Zugang des Ex-Regierungssprechers und Schröder-Freundes Uwe-Karsten Heye, der schon verkündet wurde, ist aber nicht sicher. Der SPD-Mann, der derzeit in New York arbeitet, wurde wohl von Regierungskreisen gebeten, nicht zu Tiedje zu gehen.

Dafür ist davon auszugehen, dass sich bei WMP das Lager der ehemaligen Medienchefs weiter füllt. Erst jüngst machte der ehemalige n-tv-Vorsteher Helmut Brandstätter fest - als Österreich-Repräsentant.

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