Das große Buhlen um Opel:Guttenberg: Die Show seines Lebens

Die Krise bei Opel als seine Chance: Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gibt in der größten Wirrnis den modernen Ludwig Erhard.

Hans-Jürgen Jakobs

Zum Coverboy der Regierung wurde er in New York am Times Square. Da gab sich der Bundeswirtschaftsminister, gerade erst im Amt, vor Fotografen locker wie ein Popstar, der eine neue Single veröffentlicht hat. Karl-Theodor von und zu Guttenberg breitete in jener März-Nacht in Manhattan die Arme aus, als wolle er "New York, New York" singen: "If I can make it there, I'll make it anywhere ..."

Guttenberg, ddp

Bundeswirtschaftsminister Guttenberg - der Popstar im Kabinett Merkel.

(Foto: Foto: ddp)

I'll make it anywhere: Schon damals ging es bei der Reise des medienkompatiblen Ministers um die Rettung des Rüsselsheimer Autoherstellers Opel - und obwohl Guttenberg in den USA wenig mehr einsammelte als warme Worte und nettes Händeschütteln, zog er doch ins deutsche Bewusstsein ein als allzeit bereiter dynamischer Politiker, der in der Krise nichts unversucht lässt. Einer, der macht - selbst wenn er permanent von der Insolvenz als "letzte Option" redete.

Fast drei Monate nach dem Manhattan-Trip ist bei Opel alles eher unklarer geworden - doch klar ist wenigstens die Rolle von Minister Guttenberg: Es ist die des Ordnungspolitikers, des Mannes mit marktwirtschaftlichen Prinzipien in schwieriger Zeit.

Langsam nähert sich die Opel-Broadway-Show des 37-Jährigen ihrem Höhepunkt. Wenn im Kanzleramt nun um Investoren gerungen wird sowie um Lösungen für den Umgang mit dem gescheiterten US-Mutterkonzern General Motors, dann ist der studierte Jurist und Anfänger-Ökonom Guttenberg eine Hauptfigur. Mitten in der Krise gibt er den Part des modernen Ludwig Erhard.

Der CDU-Politiker und Exkanzler spiele "sicherlich bei ihm eine große Rolle", sagt der Minister selbst. Er fühle sich dem Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet.

Guttenbergs Schlager ist die Pleite

Zur Marktwirtschaft gehört das Risiko, und Guttenbergs Schlager ist die Pleite: Spiel mir das Lied vom Tod. Eine "geordnete Insolvenz" sei womöglich bei Opel das Beste, wenn die Konzepte der Retter - also von Fiat und Magna - nicht stimmten, erzählt der Minister gern. Da komme es - volkswirtschaftlich - zu notwendigen Bereinigungen.

Während sich die SPD mit Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier früh auf Staatshilfen für bedrängte Malocher festlegte, erfreut der prinzipientreue Guttenberg den Mittelstand und die konservativen Hardliner der Union. Einst nannte er Steinmeiers frühe Forderung nach einer Opel-Taskforce sogar "Aktionismus" - ehe sich die Kanzlerin tags darauf selbst dazu entschloss.

Die Arbeitgeber loben naturgemäß des Erhardianer Guttenberg, und die Gewerkschaften ärgern sich. Des Ministers Opel-Krisenmanagement sei "ein immer größer werdendes Rätsel", erklärt beispielsweise IG-Metall-Chef Berthold Huber. Auch die um Opel-Standorte in ihren Ländern besorgten CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, Roland Koch und Dieter Althaus können mit den Insolvenz-Sprüchen wenig anfangen. Allenfalls sehen sie die fortgesetzte Guttenberg-Rhetorik als Drohkulisse für die Verhandlungen mit den Investoren.

Hier bedient eben jeder seine Klientel - doch die schöneren Fernsehbilder liefert ohne Zweifel der Wirtschaftsminister von der CSU, der seiner Partei vorher als Generalsekretär gedient hat. Der Mann polarisiert und kommt dabei doch sympathisch weg.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Guttenberg die Konkurrenz von der SPD nervt.

Nervfaktor Guttenberg

Sein Bild hat sich eingeprägt: Die streng nach hinten gegelten Haare, die randlose Brille, die eher bunten Krawatten, die eng geschnittenen Anzüge. Die eindeutigen Körperbewegungen, das Hollywood-Lächeln. Der Drang zum Unkonventionellen, etwa wenn er in Jeans auf einem AC/DC-Konzert erscheint.

Guttenberg gibt sich so schwungvoll, wie er sein Haus gern hätte. Der aufgrund der Themenfülle gewonnene "Aufmerksamkeitsgrad" solle bleiben, wünscht sich der CSU-Aufsteiger für sein Wirtschaftsministerium, das unter Vorgänger Michael Glos allenfalls Kabarettreife erlangt hatte. "Der Hut des Ministers kleidet ihn besser als der des Generalsekretärs", lobt der Bekleidungsexperte der konservativen Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Mit seiner Ludwig-Erhard-Nummer nervt Guttenberg die Konkurrenz von der SPD tagtäglich. Sie begreifen und begreifen es nicht: Da tourt einer mit Versprechen und Lehrsätzen durch die Gegend - und gewinnt Sendeplätze, Zeitungsseiten und Popularität. Alles in dieser Reihenfolge. Kein Wunder, dass Außenminister Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück monieren, über Insolvenz rede man nicht öffentlich.

Die genossenschaftliche Grobarbeit übernimmt Altkanzler Gerhard Schröder, der sich auf einer Wahlveranstaltung so vernehmen ließ: "Wenn dieser, äh, Graf ist er ja wohl nicht, dieser Baron aus Bayern ..." Das erinnert sofort an den "Professor aus Heidelberg", den unglücklichen Paul Kirchhof, der im Wahlkampf 2005 auf Unionsseite kurzzeitig für ein besseres Steuersystem kämpfte.

Ein Nest - somewhere in Europe

Dieser Baron aus Bayern: Das ist das Risiko Guttenbergs. Dass er irgendwann als bunte Comicfigur des politischen Lebens daherkommt, als einer, der die Öffentlichkeit sucht, es letztlich aber an Leistung fehlen lässt. Wenn General Motors wirklich in die Insolvenz geht, könnte auch eine Opel-Pleite wahrscheinlich werden. Wie aber sollen dann die Rüsselsheimer gerettet werden, wenn die Amerikaner nicht - wie erhofft - Altlasten in Höhe von 4,5 Milliarden Euro übernehmen?

Aus Detroiter Sicht ist Rüsselsheim ein Nest somewhere in Europe und Karl-Theodor zu Guttenberg kaum mehr als ein geschniegelter Interessenvertreter aus einem einstigen GM-Kolonialland. US-Präsident Barack Obama, der bald das Sagen bei GM haben wird, dürfte den Deutschen wohl kaum zu seinen wichtigen Gesprächspartnern zählen.

Noch ist die "geordnete Insolvenz", von der Guttenberg redet wie der Sperrmüllsammler vom Wertstoffhof, nicht Realität. Noch kann der CSU-Shootingstar vor der Presse jüngste wichtige Opel-Entwicklungen präsentieren - wie am Dienstag die Kunde vom interessierten chinesischen Autokonzern Beijing Automotive Industry Corp. Dahinter steht der chinesische Staat. Dass sich der deutsche Staat - ganz nach Ludwig Erhard - bei Opel raushält, um womöglich einem kommunistischen Staat Platz zu machen, diese Pointe fiel dem schlagfertigen Guttenberg begreiflicherweise nicht ein.

Der Spross eines fränkischen Adelsgeschlechts, der zehn Vornamen führt, erweckt mit seiner Allpräsenz mittlerweile sogar in seiner eigenen Partei schon Argwohn. Manchem wird der schnelle Aufstieg unheimlich. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, der Guttenbergs Karriere katapultartig befördert hat, ließ sich mit dem lustig gemeinten Sätzchen zitieren. "Die Kanzlerin hat Guttenberg in den letzten drei Tagen mehr gelobt als mich in 30 Jahren."

So ganz ausgeschlossen ist es nicht, dass der gelernte Außen- und Sicherheitspolitiker auch nach der Bundestagswahl am 27. September auf seinem Posten bleibt - wenn es wieder zu einer großen Koalition kommt. Nur bei einer Allianz von Union und FDP würde Guttenberg doch wohl eher Verteidigungsminister werden und die Ökonomie den Erhard-Freunden in der FDP überlassen.

Aber erst einmal muss er bei Opel zeigen, was er wirklich kann - if I make it there ...

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