Kolumne "Das deutsche Valley":Kette ins Kanzleramt

Kolumne "Das deutsche Valley": An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Malte Conradi (San Francisco), Alexandra Föderl-Schmid (Tel Aviv), Christoph Giesen (Peking) und Ulrich Schäfer (München) im Wechsel.

An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Malte Conradi (San Francisco), Alexandra Föderl-Schmid (Tel Aviv), Christoph Giesen (Peking) und Ulrich Schäfer (München) im Wechsel.

Man lese den Koalitionsvertrag und staune: Union und SPD setzen auf die Blockchain, jene Technologie also, die hinter der Kryptowährung Bitcoin steht.

Eine Kolumne von Ulrich Schäfer

Sieben Mal Blockchain. Sieben Mal steht diese Technologie, die im Zusammenhang mit der Kryptowährung Bitcoin erfunden wurde, sich aber für viele andere Anwendungen nutzen lässt, im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Florian Glatz kann es immer noch nicht fassen: "Wir waren alle sehr überrascht", sagt der junge Berliner Anwalt, der Start-ups berät, als "Blockchain Lawyer" firmiert und seit der Gründung im Juli 2017 den Blockchain-Bundesverband führt.

Sieben Mal Blockchain: "Wenn wir es richtig machen in den nächsten Jahren, haben wir in Deutschland die Chance, auf diesem Gebiet ganz weit vorne zu sein", sagt Helge Braun, der als Staatsminister im Bundeskanzleramt arbeitet. Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Gießen ist so etwas wie der "Mister Blockchain" der Bundesregierung. Als Staatsminister war er bislang zuständig für die Bürokratie, aber demnächst dürfte er noch mehr Macht haben: Als Kanzleramtsminister wird Braun aller Voraussicht nach die Regierungszentrale von Angela Merkel führen.

Wie die Blockchain es in den Koalitionsvertrag geschafft hat, ist eine bemerkenswerte Geschichte. Denn die deutsche Politik gilt ja auf dem Feld der Digitalisierung gemeinhin als etwas rückständig. Dass es dazu kam, liegt zum Teil daran, dass der junge Blockchain-Verband in den vergangenen Monaten eifrig Lobbyarbeit betrieben hat; es liege aber vor allem daran, sagt der Verbandsvorsitzende Glatz, dass einzelne Menschen im Kanzleramt, in Ministerien und in den Bundestagsfraktionen früh erkannt hätten, was sich mit der Blockchain alles anstellen lässt.

Das Prinzip der Blockchain, so glauben Experten, könnte das Internet grundlegend verändern. Denn bislang werden Daten meist nur auf einem Rechner gespeichert, auf einem Server, der im eigenen Büro steht oder sich in der Cloud befindet. In der Blockchain dagegen werden Daten in verschlüsselter Form auf vielen Hundert oder Tausend Rechnern zugleich abgelegt, weshalb sie sich nicht fälschen lassen. Die riesigen Datenmengen sind aufgeteilt in einzelne, miteinander verkettete Blöcke, daher der Name Blockchain; an dieser Datenbank kann sich jeder beteiligen, der seinen Rechner dafür zur Verfügung stellt.

Helge Braun knüpfte die ersten Kontakte in die Berliner Blockchain-Szene eher zufällig, am Rande einer C-Night, jener Internet-Abende, die die CDU von Zeit zu Zeit veranstaltet. Der Staatsminister aus dem Kanzleramt begriff schnell: Mit der Blockchain könnte man, wenn sie richtig eingesetzt wird, viele Prozesse in der öffentlichen Verwaltung erleichtern, den Bürokratieabbau vereinfachen und den Bürgern neue, unkomplizierte digitale Dienste anbieten.

Denn das Prinzip, Daten auf ganz vielen Rechnern gleichzeitig zu speichern, damit niemand sie nachträglich verändern kann, taugt nicht bloß bei einer Kryptowährung. Sondern es lässt sich auf Geschäfte jeglicher Art anwenden: auf Bankgeschäfte, auf Verträge oder auf Grundbuch- oder Handelsregisterurkunden. Solche Urkunden wurden bislang von einem Notar beglaubigt, ehe sie bei den Ämtern eingetragen wurden. Mit der Blockchain lässt sich so etwas auch digital erledigen, die Daten liegen dann auf vielen Rechnern zugleich, niemand könnte sie fälschen; statt des Notars würde das Netz deren Echtheit beglaubigen. Aber natürlich müsste dafür ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, müssten die Transaktionen über die Blockchain rechtssicher sein. Wie aber bekommt man das hin?

"Dasjenige Land, das dies zuerst schafft, wird weltweit die Regeln prägen."

Braun lud deshalb im November 2016 eine Gruppe aus der Berliner Blockchain-Szene ins Kanzleramt ein. Mit dabei waren etliche Gründer und Blockchain-Unternehmer und auch der Anwalt Florian Glatz. Man sprach über die rechtlichen Probleme, aber ebenso über die Chancen, die Deutschland hat: Die hiesigen Entwickler gelten auf dem Gebiet der Blockchain als weltweit führend.

Auch nach dem Treffen im Kanzleramt blieb man in Kontakt, Glatz und seine Mitstreiter schickten Papiere, sie knüpften zudem Kontakte in die Bundestagsfraktionen. Ein paar Monate später, im Sommer 2017, gründeten sie im Jakob-Kaiser-Haus, einem der Bürogebäude des Bundestags, den Blockchain-Bundesverband. Und der "Bundesblock", wie er sich nennt, schuf auch einen politischen Beirat, dem die Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek (Grüne), Manuel Höferlin (FDP), Thomas Jarzombek (CDU), Petra Sitte (Linke) und Jens Zimmermann (SPD) angehören.

Die Verbandsgründung war ein ungewöhnlicher Schritt, denn solange die Blockchain-Szene vor allem eine Bitcoin-Szene war, wurde ihr ein Hang zur Anarchie nachgesagt. Beim Bundesblock aber hat man begriffen, dass die Blockchain einen Rechtsrahmen braucht, es ohne den Staat also nicht geht, wenn die Technologie Erfolg haben soll: "Dasjenige Land, das diesen Rahmen zuerst schafft, wird dabei weltweit die Regeln prägen", glaubt Glatz.

Um diesen Rahmen soll es nun auch bei der nationalen Blockchain-Strategie gehen, die Union und SPD anstreben: "Wir wollen die Standards für eine rechtssichere Blockchain schaffen", sagt Kanzleramts-Mann Helge Braun. Das würde den Start-ups helfen, die nicht bloß in Berlin, sondern auch anderswo in der Republik an der Blockchain arbeiten, aber auch den Banken in Frankfurt, die mit Hilfe der Blockchain Geldgeschäfte vereinfachen wollen, oder den Industriekonzernen, die ihre Lieferketten effizienter gestalten wollen.

Aber wird es gelingen, die Blockchain auch in der Verwaltung einzuführen? Als Braun darüber Anfang Februar auf Twitter diskutierte, äußerte ein Verwaltungsmitarbeiter Zweifel und versprach für den Fall, dass ein erster Test gelinge, ein Eis. Braun konterte: "Da ich Eis mag, nehme ich die Challenge an."

Alle Folgen von "Das deutsche Valley", der Kolumne von Ulrich Schäfer über die Digitalisierung in Deutschland, fnden Sie hier.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: