Daimler in der Krise:Das große Sparen

Die Rivalen Audi und BMW haben Daimler abgehängt. Um aufzuholen, verordnet Vorstandschef Zetsche dem Unternehmen eine Fitnesskur. Damit ist die Autokrise jetzt auch bei den Premiumherstellern angekommen.

Thomas Fromm und Max Hägler

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Euro-Krise, verschärfter Wettbewerb bei Autohändlern, Gewinnrückgang. Selbst in China, wo die Konkurrenz das große Geschäft macht, haben sich die Stuttgarter verzettelt. Die Krise war bislang etwas für Massenhersteller - mit Daimler ist sie ganz oben angekommen.

(Foto: Bloomberg)

Mit Autos ist es wie mit anderen Dingen auch. Geschmackssache. Elvis liebte pinkfarbene Cadillacs. Janis Joplin wünschte sich einen Mercedes-Benz und sonst gar nichts. Und Bodo Uebber glaubt, dass er eigentlich einen BMW zu seinem Glück bräuchte. Das an sich wäre noch keine Nachricht, wäre Uebber nicht Daimler-Finanzchef. Da ist es ungewöhnlich, wenn man die Autos der Konkurrenz preist. Und doch sagte er am Donnerstag, dass dem Konzern "zum Teil" die Produkte fehlten. "Zum Beispiel den BMW X1 haben wir nicht im Portfolio", sagte Uebber.

Nun weiß auch Uebber, dass es am kleinen BMW-Geländewagen allein nicht liegen kann, wenn die Konkurrenz aus München ständig vorneweg fährt. Natürlich, die Modellpalette von Mercedes ist älter als die von Audi und BMW. Die Stuttgarter können gerade nur ankündigen, was sie "in der Pipeline" haben, wie man in den Konzernen sagt. 2013 und 2014 verlassen Daimlers Pipeline die neue S-Klasse, die E-Klasse und die neue C-Klasse. Zehn neue Autos bis 2015. Die Pipeline ist voll.

Die Zeit drängt

Und doch will Daimler-Chef Dieter Zetsche nicht mehr so lange warten. Er setzt jetzt den Rotstift an. Denn die Zeit drängt.

Zwei Milliarden Euro wollen die Schwaben im Jahr einsparen. In der Produktion, beim Vertrieb, in der Entwicklung. Entlassungen, darauf legt man wert, soll es keine geben. Wie auch - für Daimler-Mitarbeiter in Deutschland gilt eine Beschäftigungsgarantie bis 2016. Es gibt andere Wege, um Personalkosten zu sparen. Frei werdende Stellen könnten nicht mehr besetzt werden, ältere Mitarbeiter über Altersteilzeit-Regelungen das Unternehmen verlassen. "Was unsere Wettbewerbsfähigkeit steigert, wird gemacht, auf alles andere wird verzichtet", sagt Uebber.

Euro-Krise, verschärfter Wettbewerb bei Autohändlern, Gewinnrückgang. Selbst in China, wo die Konkurrenz das große Geschäft macht, haben sich die Stuttgarter verzettelt. Die Krise war bislang etwas für Massenhersteller - mit Daimler ist sie ganz oben angekommen. Bei den Premiumherstellern. Wegen einer Computerpanne kam die Nachricht schon am Mittwochabend heraus statt am Donnerstagmorgen: Daimler muss seine Gewinnziele für 2012 herunterschrauben. Insgesamt rechnet der Konzern nur noch mit einem operativen Gewinn von acht Milliarden Euro, fast ein Zehntel unter Vorjahresniveau. Grund: "verschärfte Marktbedingungen".

"Fit for leadership"

Das Hilfsprogramm heißt "Fit for leadership", und der Name verrät mehr über Zetsche und seine Ambitionen als alle Quartalsbilanzen. Es geht um Leadership, um Führung. Und Zetsche will führen, bis 2020 will er mit seinem Konzern die Nummer eins unter den sogenannten Premiummarken sein. Audi, BMW, Daimler, es ist der ewige Dreikampf der deutschen Oberklasse-Hersteller, die Rivalität zwischen München, Ingolstadt und Stuttgart.

Mercedes verkaufte in den ersten neun Monaten 964.926 Autos, Audi und BMW mehr als eine Million. Es sind nur ein paar Autos mehr. Aber es tut weh. Noch schmerzhafter ist es, wenn die Stuttgarter ihre Profitabilität mit der Konkurrenz vergleichen. Bei der Umsatzrendite, dem Verhältnis zwischen Umsatz und Gewinn, will Zetsche auf zehn Prozent, liegt aber nur bei acht Prozent. Audi kommt auf 11,2 Prozent, BMW liegt knapp darüber. Mit anderen Worten: Audi und BMW verdienen besser. "Wir sind heute noch nicht da, wo wir mit Daimler mittel- bis langfristig hinwollen", sagt Uebber. Sein Ziel, das sind die anderen. Und "Fit for leadership" gibt den Weg vor. Nur - wohin genau?

Keine Panik

Daimler-Betriebsrat Werner Funk sagt, man gerate nicht in Panik, aber beobachte "genau, wie ,Fit for Leadership' konkret umgesetzt werden soll". Für ihn und seine Kollegen ist der Sparkurs des Vorstands jedoch der falsche Weg, um an BMW und Audi vorbei wieder an die Spitze zu kommen. Um wieder Nummer eins zu werden, brauche es gute Autos, und das wiederum mache gute und motivierte Entwickler und Arbeiter nötig. "Deshalb ist die Sparentscheidung des Managements eher kontraproduktiv", sagt Funk. Was die Arbeitnehmer fordern, sei Kontinuität und Ruhe. Derzeit würden die Vorstände "leider schlicht getrieben vom Börsenkarussel", dabei seien acht Milliarden Euro Vorsteuergewinn doch immer noch "ein Batzen Geld". Treffen würden die Sparmaßnahmen vor allem die Zulieferer, glaubt Funk.

Schon früher wurden ähnliche Projekte durch den Konzern gepeitscht, und schon früher hatte ein Sparprogramm englisch zu klingen, um wichtig zu sein. CORE nannte man zum Beispiel ein Programm, mit dem zwischen 2005 und 2007 Milliarden gespart und viele Jobs gestrichen wurden. CORE stand für "Costs Down, Revenue Up, Execution", "Kosten runter, Einnahmen hoch, ausführen!" Erst CORE, dann Fit. Das große Sparen, alle Jahre wieder.

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