Daimler:In der Kampfzone

smart-Werk in Frankreich

"Smartville" wird das Daimler-Werk in Lothringen genannt. Heute finden 800 Menschen hier einen Arbeitsplatz.

(Foto: dpa)

Daimler fertigt den Smart im französischen Hambach. Das soll so bleiben, wenn die Beschäftigten Zugeständnisse machen. Doch nun eskaliert der Streit.

Von Leo Klimm, Paris

Es geht um einen deutschen Konzern: Daimler. Es geht um einen Standort mit sehr deutschem Namen: Hambach. Dieses Hambach liegt gleich an der Grenze zum Saarland. Aber auf französischer Seite. Seit 1997 lässt Daimler hier, in einem Werk zwischen Wald und Wiese, das Kleinauto Smart bauen.

Jetzt plötzlich ist dieses Werk am äußersten Rand Frankreichs in den Mittelpunkt eines heftigen und sehr französischen Kampfs geraten. Es ist eine Mischung aus Kulturkampf und Klassenkampf, er geht um Arbeitszeiten, die Macht von Gewerkschaften, um Errungenschaften der Linken. Um die Zukunft des Standorts Frankreich - und die des Smart.

Das kleine, sparsame Stadtauto gilt manchen in der Autobranche selbst als die Zukunft - allerdings seit 20 Jahren schon. Der Smart hat Daimler nach Expertenschätzungen bisher Verluste von mindestens fünf Milliarden Euro beschert, wenngleich sich die Wirtschaftlichkeit des Wagens dem Konzern zufolge deutlich gebessert hat. Konkurrenten wie Volkswagen oder Peugeot haben die Produktion ihrer kleinsten Modelle längst aus der Hochlohnregion Westeuropa in billigere osteuropäische Werke verlagert. Die Daimler-Tochter Smart dagegen leistet sich Hambach. Nun will Smart-Chefin Annette Winkler die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts mit seinen 800 Beschäftigten steigern - und die Lohnkosten senken.

Die Mitarbeiter, so ergab eine werksinterne Abstimmung am vergangenen Freitag, würden das mitmachen: 56 Prozent von ihnen sind bereit, 39 anstatt bisher 35 Wochenstunden zu arbeiten, aber nur 37 Stunden bezahlt bekommen. Dafür, so das Angebot des Konzerns, erhalten sie eine Jobgarantie bis 2020. Bei Smart sieht man das unverbindliche Abstimmungsergebnis "als Auftrag, mit den Gewerkschaften Verhandlungen aufzunehmen".

Nur: Drei von vier Gewerkschaften - darunter die kommunistisch geprägte CGT und die ansonsten moderate CFDT - verweigern sich den Verhandlungen. Sie haben angekündigt, Daimlers "Pacte 2020" per Veto zu blockieren. "Die vorgeschlagene Vereinbarung schadet den Angestellten von Smart und dem gesamten Land", sagt die örtliche CGT-Funktionärin Bernadette Hilpert. "Die Arbeitgeberschaft will, dass Frankreich zur 39-Stunden-Woche zurückkehrt, und wir wollen hier keinen Präzedenzfall schaffen."

Tatsächlich weist das, was in Hambach passiert, weit über die lothringische Provinz hinaus. Das liegt am Zeitpunkt, zu dem die Smart-Führung von ihren französischen Mitarbeitern mehr Arbeit für weniger Geld verlangt. Denn zur gleichen Zeit hat die sozialistische Regierung von Premierminister Manuel Valls eine hoch umstrittene Reform des Arbeitsrechts eingeleitet. Seitdem tobt ein politischer Streit um die einst von den Sozialisten eingeführte Regelarbeitszeit von 35 Wochenstunden. Und Hambach könnte leicht zum umkämpften Symbol dieses Streits werden. Obwohl bei Unternehmen wie Renault oder Bosch Frankreich völlig geräuschlos längst ähnliche Vereinbarungen zur Standortsicherung getroffen wurden, wie Smart sie nun vorhat.

Die Idee der geplanten Reform des Arbeitsrechts ist, die bisherige Logik umzukehren: Während heute Normabweichungen in Form von Betriebsvereinbarungen zu Arbeitszeit und Löhnen erschwert werden, könnten Deals auf Unternehmensebene künftig Vorrang haben. Das wäre für Frankreich eine Revolution, die von den Gewerkschaften gefürchtet wird, weil sie den Forderungen von Arbeitgebern mehr Raum lässt. So heikel ist das Dossier, dass der reformorientierte Premier Valls nach der Abstimmung bei Smart eilig erklärte, an der offiziellen Regelarbeitszeit von 35 Stunden werde "auf keinen Fall" gerüttelt. Umfragen zufolge wollen 52 Prozent der Franzosen an den 35 Stunden festhalten. Wird die Frage aber anders gestellt, sind 71 Prozent dafür, die Arbeitszeit in den Betrieben zu verhandeln, falls die Beschäftigten dies wollen.

Eine Mehrheit stimmt für den Pakt - doch die Frage spaltet die Belegschaft

In Hambach fühlen sich die Gewerkschaften dadurch bestärkt, dass das Votum der Beschäftigten mit den geringsten Einkommen, den Arbeitern, eine Spaltung der Belegschaft offenbart: Sie stimmten nur zu 39 Prozent für den Pakt, die übrigen zu 74 Prozent. "Wir sind nicht gegen Bündnisse für mehr Wettbewerbsfähigkeit, wenn es einem Unternehmen schlecht geht", sagt ein CFDT-Offizieller. "Aber das ist hier nicht der Fall." Den Gewerkschaften zufolge droht der Konzern intern, ohne Zugeständnisse werde das Nachfolgemodell des Smart-Zweisitzers im slowenischen Novo Mesto gefertigt werden. Dort baut Daimler heute schon gemeinsam mit dem Partner Renault Autos.

"Das Vorgehen der Geschäftsleitung ist illegal und unmoralisch", schimpft CGT-Frau Hilpert. Die Gewerkschaften könnten nicht qua Mitarbeiterbefragung umgangen werden, sie seien die legitimen Vertreter der Beschäftigen. Dabei liegt der gewerkschaftliche Organisationsgrad in Privatunternehmen bei nur etwa zehn Prozent. Trotzdem räumt das Gesetz den Gewerkschaften - und nicht den gewählten Betriebsräten - Macht ein. Etwa das Recht, betriebliche Bündnisse zu blockieren. Experten sehen hier das eigentliche Problem der französischen Arbeitsrechts-Reform. Es ist jetzt auch das Problem von Daimler.

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