Daimler:Großer Stern

Mercedes Produktion in Sindelfingen

Begehrt: Die Frage ist nicht, ob der chinesische Partner Aktien von Daimler kaufen will - sondern wie viele.

(Foto: Bernd Weissbrod/dpa)

Warum ein chinesischer Staatskonzern bei dem Stuttgarter Autohersteller einsteigen will.

Von Thomas Fromm

Zuerst die Konjunktursorgen. Dann die plötzlichen Kurseinbrüche in Peking. Und schließlich das große Zittern in den Vorstandsetagen der deutschen Autobauer. Ausgerechnet da, wo sonst immer die Sektkorken knallten, wenn man über China sprach. Es ist nicht leicht, wenn man jahrelang auf einen Wachstumsmarkt gesetzt hat, der sich von heute auf morgen verändert. Milliardenumsätze, Milliardengewinne - das bedeutet auch: Abhängigkeit. Abhängigkeit von einem Land, das man plötzlich nicht mehr versteht.

Der Zeitpunkt hätte also besser sein können für eine Jubiläumsfeier in Peking als der vergangene Montag. Aber so ist es mit solchen Feiern: Anders als Börsenturbulenzen werden sie oft schon monatelang vorbereitet.

So standen sie also alle in Peking an diesem Montag und feierten das zehnjährige Bestehen ihres Gemeinschaftsunternehmens BBAC: die Manager des Stuttgarter Daimler-Konzerns und ihre Kollegen von BAIC Motors. Im August 2005 beschloss man das deutsch-chinesische Autoprojekt, ein paar Monate später kamen hier die ersten E-Klasse-Modelle vom Band. Und deshalb leuchtete der Stern seit Anfang der Woche auch hell und als Sechs-Meter-Durchmesser-Version über dem Werk. "BBAC ist ein Sinnbild für das feste Vertrauen, das Mercedes-Benz in den chinesischen Markt hat", sagte Daimlers China-Chef Hubertus Troska.

Es war so, als würde er sagen: "China? Jetzt erst recht."

Denn auch Troska weiß: Es geht in China längst nicht mehr nur um Absatzzahlen und Milliardengewinne. China und westliche Autobauer, das sind mehr als nur Joint-Ventures. Es sind oft auch Schicksalsgemeinschaften von Unternehmen, die sich über Aktienpakete aneinander gekettet haben. Zum Beispiel Daimler und der Staatskonzern BAIC: Schon 2013 beteiligten sich die Stuttgarter mit zwölf Prozent an den Chinesen, halten heute zehn Prozent und sind drittgrößter Aktionär. Da war es eine Frage der Zeit, wann auch die Chinesen in Stuttgart Anteile erwerben würden.

Daimler ist schon länger an BAIC beteiligt - der Gegenzug war erwartbar

Jetzt bestätigte BAIC-Chef Xu Heyi: Ja, man spreche über einen Anteilskauf mit Daimler, nun sei man mitten in der "Schlussphase der Verhandlungen", die bis Jahresende unter Dach und Fach sein sollen.

Die Frage ist also nicht ob, sondern wie viele Aktien die Chinesen kaufen wollen.

Bei Daimler ist man zurückhaltend. Ja, man freue sich immer über neue und langfristige Aktionäre, meint ein Sprecher. Allerdings sei man auch mit der jetzigen Aktionärs-Struktur "sehr zufrieden". Was soll man schon sagen, wenn bereits andere über einen geredet haben?

Daimler dürfte also in den kommenden Monaten etwas chinesischer werden, und dass die Stuttgarter im Grunde gar nichts dagegen haben, hat einen Grund: Anders als bei BMW oder Volkswagen, wo große Familien wie die Quandts oder Piëchs große Aktienpakete besitzen und die Hersteller so vor dem Zugriff Dritter abschirmen, hat Daimler eine breit gestreute Aktionärsstruktur. Der Konzern wäre also in Zeiten niedrigerer Aktienkurse leichter von außen zu kapern als etwa BMW, wo die Quandts fast die Hälfte der Anteile halten.

Zum Vergleich: Die größten Aktionäre in Stuttgart sind zurzeit das Emirat Kuwait und der französische Autohersteller Renault mit knapp sieben beziehungsweise drei Prozent. Etwa 75 Prozent der Aktien werden von institutionellen Anlegern gehalten - also Banken, Versicherungen oder Investmentfonds. Daimler könnte also größere Aktionäre, sogenannte Ankeraktionäre, gut gebrauchen.

Dass sich die chinesischen Firmen an deutsche und andere westliche Autobauer hängen, ist kein Zufall: Es geht um Technologien, um Know-how, und, wie im Falle von Daimler, um viel Geld. Auch der chinesische Elektroautohersteller BYD hat sich mit den Stuttgartern zusammengetan - gemeinsam bauen sie für den chinesischen Markt das Elektroauto Denza.

Viele chinesische Firmen haben sich längst Anteile am westlichen Automarkt gesichert. Der Hersteller SAIC war schon Ende 2010 bei General Motors eingestiegen; der chinesische Dongfeng-Konzern überwies dem klammen französischen Traditionshersteller PSA Peugeot Citroën im vergangenen Jahr 800 Millionen Euro und bekam dafür 14 Prozent der Anteile. Immerhin: So ganz wohl fühlten sich die Franzosen offenbar nicht mit dem Deal. Parallel zum Einstieg der Chinesen zog auch die französische Regierung mit, überwies ihren Anteil - und bekam ebenfalls 14 Prozent an dem Haus. Geplant ist nun eine gemeinsame Plattform für Kleinwagen. Anders als bei Daimler erschienen die Chinesen in Frankreich als Retter in der Not, so wie schon einige Male zuvor. Zum Beispiel bei dem seinerzeit ebenfalls schwer angeschlagenen Hersteller Volvo, der 2010 an den chinesischen Hersteller Geely ging. Und: Aus Saab wurde nach dem Einstieg chinesischer Investoren 2012 Nevs, "National Electric Vehicle Sweden".

Bei Daimler liegen die Dinge anders. Hier geht es darum, Geld anzulegen, Dividenden einzustreichen und gemeinsam Autos zu bauen. Dass die einen nebenbei auch eine ganze Menge von den anderen lernen können, ist wohl Teil des deutsch-chinesischen Deals.

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