Daimler-Finanzchef:"Können für 2009 Verlust nicht ausschließen"

Daimler-Finanzvorstand Bodo Uebber über Kurzarbeit, drohende Entlassungen, weitere Investoren und die Zukunft der EADS.

Michael Kuntz

Bodo Uebber, 49, ist seit Dezember 2003 Finanzvorstand beim Daimler-Konzern, der zur Zeit Verlust macht. Sparsamkeit herrscht deshalb nun selbst auf höchster Ebene. Einen Abriss des asbestverseuchten Hochhauses und einen Neubau in Untertürkheim spart man sich zur Zeit. Von Uebbers Büro im provisorischen Vorstandsbau nebenan fällt der Blick von oben auf ein schräges Welldach. Vor dem Fenster steht auf dem Boden eine kleine Triebwerksschaufel, eine Reminiszenz an Uebbers Zeit bei EADS. Im Wandregal verwahrt der Finanzchef einen verschweißten Satz gültiger Münzen - man weiß ja nie.

Bodo Uebber, dpa

Bodo Uebber: "Die Unsicherheiten sind noch zu groß, um sicher sagen zu können, wir kommen allein mit der Kurzarbeit durch die Krise."

(Foto: Foto: dpa; Montage: sueddeutsche.de)

SZ: Herr Uebber, gibt es Lichtblicke? Ist für Daimler ein Ende der Verlustphase in Sicht?

Bodo Uebber: Wir gehen von einer schrittweisen Verbesserung des operativen Ergebnisses des laufenden Geschäfts ohne Sondereffekte im Jahresverlauf aus. Im zweiten Quartal wird es aber nochmals deutlich negativ sein. Das Geschäftsfeld Mercedes-Benz Cars erwartet im zweiten Halbjahr insgesamt wieder einen Gewinn. Insgesamt streben wir für den Konzern im Jahr 2009 ein positives Ergebnis an, wozu nicht nur die neue E-Klasse beitragen soll, sondern auch das Sparpaket mit einem Umfang von vier Milliarden Euro. Aber eines muss klar sein: Angesichts der volatilen Märkte können wir auch einen Verlust nicht vollständig ausschließen.

SZ: Wie viel Verlust könnte Daimler denn verkraften?

Uebber: Wir haben eine gesunde Bilanz. Unsere Eigenkapitalquote lag Ende März im Gesamtkonzern bei 24 Prozent, im Industriegeschäft sogar bei 42 Prozent. Das ist ein guter Wert, zu dem auch das frische Geld aus der Kapitalerhöhung beigetragen hat. Die Liquidität von Aabar Investments aus Abu Dhabi hat uns in unsicheren Zeiten zusätzlich sicherer gemacht. Daimler hatte Ende März eine Bruttoliquidität von mehr als 16 Milliarden Euro. Das kann sich sehen lassen.

SZ: Angenommen, die Krise würde noch zwei Jahre dauern. Halten Sie das durch?

Uebber: Wir haben einen guten Zugang zum Kapitalmarkt, aber unser Ziel ist es ja nicht, von der Substanz zu leben. Unser Ziel ist es, wieder Geld zu verdienen. Daran arbeiten wir mit Hochdruck und sind aufgrund unserer neuen Produkte und Technologien auch sehr zuversichtlich.

SZ: Sprechen Sie mit weiteren Investoren?

Uebber: Wir stehen ständig im Kontakt mit Investoren und mit potentiellen Interessenten. In Frankfurt treffen wir alle großen deutschen Fonds. Und ich habe gerade eine Tour nach London und in die USA - nach New York und Boston - hinter mir. Im letzten Jahr waren wir aber auch in Singapur und Japan.

SZ: Halten Sie weiter Ausschau nach neuen Anlegern im Mittleren Osten?

Uebber: Wir sind generell offen für neue Investoren. Unser Investor aus Kuwait ist schon seit 1974 bei uns engagiert. Auch mit unserem neuen Aktionär Abu Dhabi arbeiten wir gut zusammen - auch bei weitergehenden Projekten.

SZ: Zum Beispiel?

Uebber: Es geht um Technologieprojekte, um Batterien, um weniger Kohlendioxid-Ausstoß und neue Werkstoffe. Durch die guten Kontakte ergeben sich auch Absatzchancen: Aus Aktionären können Kunden werden.

SZ: Frisches Kapital mit Folgegeschäften ist ein Ausweg aus der Krise, die Senkung der Kosten ein zweiter. Reicht die angekündigte Kurzarbeit aus?

Uebber: Mit Kurzarbeit kann man schnell reagieren, das ist positiv. Zur Zeit produzieren wir deutlich weniger, als wir verkaufen und haben unsere Fahrzeugbestände bei Pkw und Lkw im April deutlich reduziert. Bei Pkw haben wir im April-Vergleich zu den Vorjahren den niedrigsten Stand seit sieben Jahren erreicht. Wir sind im Bestandsabbau schneller vorangekommen als geplant. Im Pkw-Bereich haben wir Kurzarbeit bis Ende Juni vereinbart. Bei den Lastwagen laufen die Vereinbarungen seit Ostern und zum Teil ab Mai auf lokaler Basis für sechs Monate. Teilweise kommen aber Bereiche schon wieder aus der Kurzarbeit heraus, etwa 2300 Mitarbeiter bei der A-Klasse. Oder auch für 4000 Beschäftigte bei der neuen E-Klasse, für die wir bereits etwa 50.000 Bestellungen haben. Insgesamt arbeiten bei uns im zweiten Quartal ungefähr 60. 000 Menschen kurz. Es gibt aber definitiv keine generelle Entwarnung.

SZ: Es drohen weiter Entlassungen?

Uebber: Die Unsicherheiten bei der Nachfrage sind noch zu groß, um sicher sagen zu können, wir kommen allein mit der Kurzarbeit durch die Krise. Weitergehende Maßnahmen kann ich deshalb nicht ausschließen.

SZ: Könnten weitere Belastungen aus Leasinggeschäften mit zu niedrigen Restwerten auftauchen?

Uebber: Wir überprüfen Restwertrisiken regelmäßig. Im letzten Quartal kamen keine hinzu, sonst hätten wir darüber berichtet. In den USA sehen wir eine stabilere Entwicklung als früher, aber wir haben noch Märkte mit schwankenden Preisen für Gebrauchtwagen.

SZ: Haben Sie die Währungsrisiken im Griff?

Uebber: Mit Absicherungsgeschäften kann ein Finanzchef immer nur Spitzen aus der Kursentwicklung herausnehmen. Bei langfristigen Bewegungen etwa des Dollars helfen Absicherungen nichts. Zur Zeit erleichtert uns ja der schwächere Dollar den Export. Für 2009 sind wir zu hundert Prozent abgesichert, für das nächste Jahr ungefähr zu zwei Dritteln bei Yen und Dollar, beim britischen Pfund zu etwa fünfzig Prozent.

Über die Zusammenarbeit mit BMW

SZ: Kosten lassen sich auch durch Kooperationen senken. Steht die Zusammenarbeit mit BMW wirklich vor dem Aus?

Uebber: Wir arbeiten seit langem mit vielen zusammen - auf verschiedenen Feldern. Etwa mit RWE bei Elektromobilen, mit BMW und General Motors beim Hybrid, es gibt auch Projekte mit Volkswagen. In der Zusammenarbeit mit BMW liegen sicher die größten Möglichkeiten. Da könnte man gemeinsam Investitionen schultern.

SZ: Könnte die BMW-Aktionärsfamilie Quandt nicht auch bei Daimler einsteigen?

Uebber: Der Mehrwert von Kooperationen liegt in den Projekten und weniger in einer Kapitalverflechtung. Wie stark eine Zusammenarbeit ist, das zeigt sich auf der Projektebene. Im Einkauf zum Beispiel läuft so etwas oft über 15 Jahre, also durch zwei Lebenszyklen eines Automodells.

SZ: Rüdiger Grube war Ihr Kollege im Daimler-Vorstand und ist nun Bahnchef. Was werden Sie als neuer Chef des Verwaltungsrats von EADS tun?

Uebber: Seit 2007 bin ich im Verwaltungsrat der EADS dabei und kenne das Unternehmen gut. Ich werde weiter konstruktiv mit Louis Gallois zusammen arbeiten. Kontinuität ist das Wichtigste. EADS braucht für seine operative Entwicklung Ruhe.

SZ: EADS gehört nicht zum Kerngeschäft eines Autokonzerns. Braucht Daimler EADS?

Uebber: Wir haben unseren EADS-Anteil bereits von 22 auf 15 Prozent reduziert. Auf dieser Basis arbeiten wir jetzt erst einmal kontinuierlich weiter.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: