Daimler-Betriebsrat:Internationale Solidarität

Der Betriebsrat kippt Kündigungen in Daimler-Werk in Brasilien. Die Weltarbeitnehmervertretung zeigt erstmals ihre Macht.

Von Max Hägler, Stuttgart

Es waren deutliche Worte von der Gewerkschaft: Die Situation in Brasilien sei "eskaliert", erklärte die IG Metall vor einer Woche: 1500 von insgesamt 10 000 Beschäftigten des Lastwagenwerkes São Bernardo do Campo sei gekündigt worden, mit kurzem Vorlauf, zum 1. September. "Unseren Kolleginnen und Kollegen gehört unsere uneingeschränkte Solidarität", sagte Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht und forderte: die Kündigungen müssten umgehend zurückgenommen werden, die "angesichts der insgesamt hervorragenden Situation bei Daimler" nicht nachvollziehbar seien. Während von Baden-Württemberg aus die Arbeitnehmervertreter ihre mächtige Kommunikationsmaschine angeworfen hatten, traten die Kollegen in Brasilien in einen unbefristeten Streik. Und der weltumspannende Druck auf den global aufgestellten Konzern hat gewirkt.

Jetzt hat Daimler die Kündigungen zurückgenommen - und in eine Art Kurzarbeit umgewandelt. Die Arbeitszeit der Beschäftigten wird um ein Fünftel reduziert, es wird also in einer Vier-Tage-Woche gearbeitet. Die dadurch entstehenden Lohneinbußen gleicht der brasilianische Staat zur Hälfte aus, zugleich gilt dadurch ein Kündigungsschutz für zwölf Monate. Im Endeffekt müssen die Daimler-Arbeiter in Brasilien eine Lohnkürzung um zehn Prozent verkraften, das entspricht nach Gewerkschaftsangaben etwa der Größenordnung, welche die deutschen Beschäftigten während der Krise 2009 zu tragen hatten.

Bislang sind solche Lösungen abseits Deutschlands selten

Der Vergleich passt, denn mittlerweile befindet sich Brasilien in der Krise. Die Leistung der siebtgrößten Volkswirtschaft der Welt ist eingebrochen, im zweiten Quartal 2015 sank das Bruttoinlandsprodukt um 1,9 Prozent. Die Arbeitslosigkeit steigt - und die Inflation liegt bei fast zehn Prozent. Lastwagen verkaufen sich da nur noch schlecht, der Nutzfahrzeugmarkt wird in diesem Jahr gegenüber 2014 um etwa 40 Prozent schrumpfen.

Es sei gut, "dass wir in Brasilien mit den Arbeitnehmervertretern eine tragfähige Vereinbarung abschließen konnten", die den schwierigen Marktverhältnissen, aber auch den Interessen "unserer Belegschaft" Rechnung trage, sagt Wolfgang Bernhard, Lastwagen-Vorstand bei Daimler. Dies zeige, dass sich auch in schwierigen Situationen "faire Lösungen" finden ließen.

Bislang sind solche Lösungen abseits Deutschlands selten gewesen, bei Daimler wie bei anderen Konzernen. Deutsche Gewerkschaften und in Folge auch Betriebsräte interessieren sich erst einmal für ihre eigenen, zahlenden Mitglieder. Doch Brecht, der erst kürzlich gewählte Betriebsratschef bei Daimler, sieht sich nicht nur in der Verantwortung für die deutschen Mitarbeiter. "Der Daimler-Vorstand stellt den Konzern sehr konsequent global auf", sagt er. "Wir Arbeitnehmervertreter arbeiten mit der gleichen Konsequenz daran, die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen weltweit gut zu vernetzen." Als Konsequenz hat er im Mai im Einvernehmen mit dem Vorstand die Weltarbeitnehmervertretung World Employee Committee erweitert: 23 Mitglieder aus 15 Ländern sind nun in das Gremium entsandt, das erstmals seine Macht gezeigt hat.

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