Cum-Ex-Geschäfte:Staat verschenkte Geld an Millionäre

Skyline Frankfurt am Main

Bankenstadt Frankfurt: Hier sollen besonders viele Aktiendeals auf Kosten des Fiskus gelaufen sein.

(Foto: Boris Roessler/dpa)
  • Das Finanzamt hat an Banken, Fonds und Millionäre für sogenannte Cum-Ex-Aktiengeschäfte je Fall ohne weitere Prüfung bis zu 750 000 Euro Steuern ausbezahlt.
  • Erst 2012 wurde die Gesetzeslücke geschlossen, der Fiskus kann aber höchstens fünf Jahre Geld zurückfordern.
  • Personalmangel im Bundeszentralamt für Steuern soll für die hohe Bagatellgrenze verantwortlich sein.

Von Klaus Ott, Berlin

1000 Euro im Jahr können Arbeiter und Angestellte pauschal für Ausgaben, die mit dem Job zu tun haben, von der Steuer absetzen. Was darüber hinausgeht, das prüft das Finanzamt im Zweifelsfall bis auf den letzten Cent.

Weit besser dran waren jahrelang Banken und Fonds, die den Fiskus beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende kräftig ausgenommen haben, vermutlich um mehr als zehn Milliarden Euro. Das Bundeszentralamt in Bonn prüfte die Cum-Ex-Geschäfte und räumte nach Angaben aus Behördenkreisen eine Bagatellgrenze von 750 000 Euro ein. Bis zu diesem Betrag wurde offenbar nicht näher hingeschaut, sondern ausbezahlt.

Der Trick bei den Börsendeals war, dass die Cum-Ex-Akteure sich eine nur einmal an den Fiskus abgeführte Steuer auf die Dividenden-Erlöse mehrmals erstatten ließen. Oftmals vom Bundeszentralamt. Eine Gesetzeslücke, die erst 2012 geschlossen wurde war, hatte das möglich gemacht.

Der Fiskus kann nur bis zu fünf Jahre Geld zurückfordern

Warum bezahlte der Staat ausgerechnet Bank-Managern und Fonds-Betreibern und deren Kunden, meist Millionären, bis zu 750 000 Euro einfach aus? Das mag schwer zu verstehen sein, ist aber leicht zu erklären. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), das dem von Wolfgang Schäuble geleiteten Bundesfinanzministerium unterstellt ist, hat zu wenig Prüfer bei den Cum-Ex-Deals eingesetzt und stockt das Personal erst jetzt auf.

Das hat noch eine weitere schwere Folge. Der Fiskus kann nur bis zu fünf Jahre lang Geld zurückfordern. Da die Börsen-Geschäfte bereits von 2005 an im großen Stil begonnen hatten, könnten viele Fälle verjährt sei. Es sei denn, die Justiz erachtet die dubiosen Deals irgendwann als kriminell. Dann beträgt die Verjährung zehn Jahre. Aber nur dann.

Die schweren Versäumnisse beim BZSt beschäftigen nun den Bundestag. Grüne und Linke haben einen Untersuchungsausschuss durchgesetzt, der das Staatsversagen bei Cum-Ex aufklären will. Der Abgeordnete Gerhard Schick (Grüne) sagt, man wolle herausfinden, wer für die Bagatellgrenze von 750 000 Euro verantwortlich sei. Und warum das Bonner Amt erst jetzt deutlich mehr Personal einsetze, das diese Aktiendeals nachträglich prüfe und dem Staat entwendete Milliardenbeträge zurückfordern soll. Sofern das wegen der Verjährung überhaupt noch geht.

Das Bundeszentralamt ist womöglich "Teil des Problems"

Es sei für ihn unverständlich, sagt Schick, dass man im Finanzministerium in Berlin und im Bonner Amt so viel Zeit haben verstreichen lassen. Der Untersuchungsausschuss hat bereits beschlossen, alle einschlägigen Akten aus dem BZSt in Bonn und dem Finanzministerium in Berlin anzufordern. Das Bundeszentralamt sei offenbar ein "Teil des Problems", sagt Schick. Bis April beziehungsweise Mai müssen die einschlägigen Unterlagen dem Parlament vorgelegt werden. Einschließlich interner Dienstanweisung aus dem Finanzministerium in Berlin und aus dem Bonner Amt.

Der Untersuchungsausschuss wolle wissen, was zu dem nachlässigen Umgang im BZSt mit den Cum-Ex-Fällen geführt habe, so Schick. Das Bundesfinanzministerium schweigt derzeit dazu, es wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Dem Untersuchungsausschuss müssen Schäuble und seine Leute allerdings antworten. Zum Beispiel auf die Fragen, wann das BZSt erstmals Anzeichen für Aktiendeals zulasten des Fiskus gehabt habe und was danach geschehen sei. Das würde bestimmt auch mancher Bürger gerne wissen, an dessen Steuern sich Banken und Millionäre bereichert haben.

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