Cum-Ex-Geschäfte:Schwerer Verdacht gegen Anwaltskanzlei Freshfields

  • Es geht um dubiose Aktiendeals, die auch unter dem Stichwort "Cum-Ex-Geschäfte" bekanntgeworden sind.
  • Der zuständige Untersuchungsausschuss des Bundestages hat nun eine umfassende Durchsuchung der Anwaltskanzlei Freshfields beantragt - das ist ein Novum.
  • Abgeordnete aller Parteien wollen einem schwerwiegenden Verdacht nachgehen: Freshfields könnte "Cum-Ex-Gestaltungen" zu Lasten des Fiskus "mitentwickelt haben".

Von Lena Kampf, Klaus Ott und Katja Riedel

Wenn Firmen durchsucht werden, eilen Anwälte zu Hilfe. Es gilt, die Rechte des Unternehmens und seiner Manager zu wahren. Freshfields Bruckhaus Deringer, eine der weltweit führenden Anwaltskanzleien mit Schwerpunkt Wirtschaftsrecht, braucht bald wohl selbst juristischen Beistand wegen einer Razzia. Der sogenannte Cum-Ex-Untersuchungsausschuss im Bundestags, der mutmaßlichen Steuerdiebstahl in Milliardenhöhe bei dubiosen Aktiendeals aufklären will, möchte Freshfields durchsuchen lassen. Und das an gleich sechs Standorten der Kanzlei in Deutschland: Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln und München. Eine solche Razzia wäre höchst ungewöhnlich, und ein schwerer Schlag für Freshfields. Die Kanzlei wirbt mit der "fachlichen Spitzenstellung" ihrer Juristen weltweit um große Mandate, auch im Aktien- und Steuerrecht.

Der Schaden für den Staat: Wohl mehr als zehn Milliarden Euro

Der Cum-Ex-Ausschuss hat am Donnerstag beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs die Durchsuchung von Freshfields beantragt. Das ist ein Novum in der Geschichte der Untersuchungsausschüsse im Bundestag. Die Abgeordneten von Union und SPD, Grünen und Linken, die das einstimmig beschlossen, wollen einem schwerwiegenden Verdacht nachgehen. Freshfields könnte "Cum-Ex-Gestaltungen" zu Lasten des Fiskus "mitentwickelt haben", erklärte der Ausschussvorsitzende Hans-Ulrich Krüger (SPD). Und Freshfields könnte solche Modelle eventuell im Rahmen einer "planmäßigen, systematischen und strategischen Unternehmenspolitik" an Banken herangetragen haben. Eine renommierte, 1743 in Großbritannien gegründete und seit 1840 auch in Deutschland tätige Kanzlei als Wegbereiter von möglicherweise kriminellen Aktiendeals? Kaum vorstellbar.

Untersuchungsausschuss zu dubiosen Aktiendeals beginnt

Der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss bei seiner ersten Sitzung im Februar 2016.

(Foto: Rainer Jensen/dpa)

Nach Erkenntnissen von Staatsanwälten und Steuerfahndern in München, Frankfurt, Köln und anderswo haben Banken und Kapitalanlagefonds beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende über Jahre hinweg gezielt die Staatskasse geplündert. Millionäre, Milliardäre und Geldinstitute agierten so trickreich, dass der Fiskus getäuscht wurde und eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrmals erstattete. Steuerfahnder schätzen den Schaden auf mehr als zehn Milliarden Euro. Cum-Ex-Akteure behaupten, sie hätten eine bis 2012 bestehende Gesetzeslücke genutzt; ihre Geschäfte seien legal gewesen. Staatsanwälte und Richter, die mit den Ermittlungen befasst sind, widersprechen. Der Griff in die Staatskasse sei niemals legal. Ein Strafprozess, in dem das am Ende höchstrichterlich geklärt wird, steht aber noch aus.

Die Kanzlei sei "wenig" kooperativ gewesen, rügt der Untersuchungsausschuss

Banken und Fonds haben sich bei den Cum-Ex-Deals immer wieder auf Gutachten von Anwälten verlassen, wonach das alles rechtlich in Ordnung sei. Diese Rechtsberater hätten offenbar eine "Schlüsselrolle" gespielt, sagte Ausschuss-Chef Krüger. Kein Geldinstitut habe es gewagt, ohne solche Gutachten "derart aggressiv" zu agieren. Neben einer Kanzlei aus Frankfurt, die inzwischen nicht mehr existiert, sei Freshfields aufgefallen. Krüger bezeichnete es als bemerkenswert, dass gerade Freshfields für Banken tätig gewesen sei, die "besonders früh, besonders lange und in beträchtlichem Ausmaß" Cum-Ex-Geschäfte betrieben hätten.

Maschmeyer im Bundestag

Der Investor Carsten Maschmeyer tritt im Fernsehen auf, er hält Vorträge an Universitäten, aber im Bundestag hat er noch nie geredet. Bis zum Donnerstag. Da sagte der Multimillionär, der mit dem umstrittenen Finanzvertrieb AWD reich geworden ist, als Zeuge aus. Im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Parlaments erklärte Maschmeyer, er haben nie wissentlich in Aktiendeals zulasten der Staatskasse investiert. Der Hannoveraner Unternehmer stellte sich vielmehr als Opfer dar. Er habe im Herbst 2012 das erste Mal aus den Medien von "Cum-Ex" gehört. Maschmeyer sagte, eine Strafanzeige von ihm habe die Razzia bei der Schweizer Bank Safra Sarasin ausgelöst, mit der die Geschäfte aufgeflogen seien. Er habe vor seiner Anzeige Drohbriefe und Morddrohungen erhalten.

Die Anzeige gegen Sarasin-Verantwortliche hatte auf Betrug gelautet. Diesen Vorwurf wiederholte Maschmeyer im Untersuchungsausschuss. Der Investor berichtete, er habe zuletzt bei einer 40-Millionen-Euro-Tranche für einen von Sarasin vermittelten Fonds als Sammelstelle gedient. Von der Summe seien 20 Millionen Euro aus dem Vermögen seines ältesten Sohnes gekommen, zehn Millionen Euro von seinem jüngeren Sohn, zwei Millionen Euro von seiner Ex-Frau sowie jeweils 500 000 Euro von seiner Frau, der Schauspielerin Veronica Ferres, und von einem Freund, dem Fußballtrainer Mirko Slomka. Er selbst habe sieben Millionen Euro zu der Gesamtsumme von 40 Millionen Euro beigetragen, sagte Maschmeyer. Erst nach einem Rechtsstreit mit der Bank habe er das Geld weitgehend zurückbekommen. dpa/Reuters/SZ

Der Untersuchungsausschuss hatte bereits im Juli Freshfields gebeten, zahlreiche Unterlagen vorzulegen. Die Kanzlei schickte einiges; nach Ansicht des Bundestags war das aber nicht genug. Freshfields habe im Wesentlichen nur öffentlich bekannte Dokumente geliefert. Deshalb folgt jetzt der Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses. Angesichts der "wenig kooperativen Haltung" der Kanzlei sehe man sich dazu gezwungen, so AusschussChef Krüger. Man wolle Unterlagen haben, die sich nicht auf einzelne Mandate von Freshfields bezögen. Die Kanzlei ihrerseits legt Wert darauf, sich an die anwaltliche Schweigepflicht zu halten, was die eigenen Klienten anbelangt.

Zwei Freshfields-Juristen, die der Ausschuss am Donnerstag eigentlich als Zeugen hören wollte, wurden gleich wieder nach Hause geschickt. Derzeit, so Krüger, ergebe eine Vernehmung "wenig Sinn".

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