Cum-Ex-Geschäfte:Der Staat ist keine Kuh, die man melken darf

Cum-Ex-Geschäfte: Karl Bärs neuer Arbeitsplatz in Berlin: das Reichstagsgebäude.

Karl Bärs neuer Arbeitsplatz in Berlin: das Reichstagsgebäude.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Wenn die Vorwürfe gegen Banken und Börsenhändler zu dubiosen Aktiendeals zutreffen, müssen sie hart für ihre Verbrechen bestraft werden. Es geht um die Glaubwürdigkeit des gesamten Strafrechts.

Kommentar von Heribert Prantl

In der alten Welt der Märchen heißt das Zauberwort "Bricklebrit". In der neuen Welt der Banken und Kapital-Anlagefonds heißt es "Cum-Ex". Im Märchen ist es so, dass ein Esel auf das Zauberwort hin Dukaten scheißt; es ist der Goldesel im Märchen vom Tischlein-Deck-Dich. In der Finanzwelt macht das unfreiwillig der Staat. Cum-Ex ist der Name für ebenso komplizierte wie dubiose internationale Trickgeschäfte mit Aktien, die dazu geführt haben, dass der Fiskus den Trickgeschäftlern Steuern erstattet hat, die diese gar nicht bezahlt hatten - insgesamt 10 Milliarden Euro.

Das Hin und Her mit Aktien war so kunstvoll konstruiert, dass sich die beteiligten Banken und Aktienjongleure nicht als Kriminelle, sondern als Finanzkünstler betrachten. Neue Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft laufen nun darauf hinaus, dass die Künstler sich bandenmäßig verabredet haben um den Staat auszunehmen; Geschäfte wurden angeblich einzig und allein zu diesem Zweck geschlossen.

Das Gerechtigkeitsgefühl gerät ins Wanken

Wenn das so ist, dann ist das nicht Steuerhinterziehung, sondern Steuerbetrug im ganz großen Stil. Die angeblichen Geschäfte waren dann gar keine Geschäfte, sondern bloße Täuschungshandlungen. Der Geschäftszweck dieser Geschäfte bestand einzig und allein in der Konstruktion von Steuerrückerstattungs-Tatbeständen. Wenn dies nachweisbar ist, handelt es sich um den gewaltigsten Fall von Steuerkriminalität, den es in Deutschland je gegeben hat.

Man muss den Ermittlern bei den Ermittlungen und bei den Anklagen Fortune wünschen: Es geht ja hier nicht nur um das Strafen, es geht nicht einfach nur um den Knüppel aus dem Sack, der im Märchen vom Tischlein-Deck-Dich bekanntlich ein sehr wirksames Mittel ist; es geht um die Glaubwürdigkeit des Steuerstrafrechts, ja des Strafrechts insgesamt. Wenn der plumpe Steuerhinterzieher bestraft wird, der gerissene Fiskus-Abkassierer aber nicht, dann gerät das Gerechtigkeitsgefühl insgesamt ins Wanken. Man kann das nicht einfach mit dem Satz wegschieben, dass halt nicht jede Sauerei strafbar ist. Es gibt Sauereien, die so sehr stinken, dass sie das Strafsystem als solches diskreditieren, wenn sie nicht bestraft werden oder nicht bestraft werden können.

Die Beteiligten berufen sich auf Gesetzeslücken und darauf, dass der Staat selbst schuld sei, wenn er diese nicht schließt. Indes: Selbst wenn die Tür zum Stall offensteht, ist dies nicht die Erlaubnis für Jedermann, die Kuh zu melken.

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