Cum-Ex-Geschäfte:Ausgeknipst

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages wollte die Kanzlei Freshfields durchsuchen lassen. Sie habe die umstrittenen Steuertricks maßgeblich initiiert, so der Vorwurf. Doch der Bundesgerichtshof schob dem Plan nun einen Riegel vor.

Von Klaus Ott und Katja Riedel, Berlin

Es sollte ein großer Coup werden. Einer, mit dem der Untersuchungsausschuss des Bundestages volle Härte zeigen wollte. Denn der parlamentarische Ausschuss, der sich mit den fragwürdigen und milliardenschweren Cum-Ex-Geschäften um die mehrfache Erstattung nur einmal gezahlter Kapitalertragsteuer beschäftigt, wollte sich Unterstützung des Bundesgerichtshofs (BGH) holen, um die Geschäftsräume der Sozietät Freshfields an sechs Standorten in Deutschland durchsuchen zu lassen und so an Papiere zu kommen, die die Wirtschaftsprüfer freiwillig nicht hatten herausgeben wollen.

Es ging um Akten aus den Jahren 1999 bis 2011, in denen die Politiker nach Beweisen suchen wollten für eine These, die sich aus ihnen vorliegenden Schriftstücken ergeben hatte. Der Ausschuss hatte Freshfields nach deren Lektüre als vermeintliche Vermarkter und Initiator lukrativer Geschäftsmodelle ausgemacht. Sie sollen aus einer Gesetzeslücke in der Steuergesetzgebung eine Strategie gemacht haben.

Zum großen Schlag gegen die Kanzlei Freshfields kommt es nicht

Doch aus dem großen Schlag, aus der großen Aktenflut, die weiteres Licht in die Geschäfte hätte bringen sollen, wird nun nichts: Der Bundesgerichtshof hat es jetzt abgelehnt, in den Geschäftsräumen, wie von den Abgeordneten gewünscht, nach möglicherweise belastenden Unterlagen wie Gutachten, E-Mails oder internen Vermerken suchen und Unterlagen beschlagnahmen zu lassen. Die Parlamentarier hätten "nicht hinreichend dargetan", dass diese Unterlagen tatsächlich auch Beweise für den Untersuchungsauftrag hergeben könnten. Und dieser, so der BGH, erstrecke sich allein auf das Fehlverhalten der Finanzverwaltung - nicht aber "ein etwaiges Fehlverhalten von Privatpersonen". Der Ausschuss hatte inhaltlich argumentiert, dass Fehler der Finanzbehörden in ihrer Tragweite nur einzuschätzen seien, wenn man das Verschulden privater Finanzberater kenne. Dem BGH reichte dies nicht.

Dass die Kanzlei Freshfields sich mit ihrer Haltung durchsetzen würde, hatte sich schon in den vergangenen Wochen angedeutet. Mitte Januar hatte die zuständige Ermittlungsrichterin dem Anwalt des Ausschusses eine 70-seitige Stellungnahme der Kanzlei zugesandt - mit nur 14 Tagen Frist, um erneut zu kontern. Das wertete der Anwalt in dem Schreiben an die Politiker bereits als Zeichen dafür, dass sich Freshfields durchsetzen dürfte und Ermittler folglich nicht im Auftrag des Bundestages Aktenkisten aus den Geschäftsräumen von Freshfields tragen würden. Diese Skepsis zeigte sich auch in der Sitzung des Ausschusses Ende Januar. Ein ehemaliger und ein derzeitiger Partner der Sozietät sagten nur in geheimer Sitzung aus.

Die Kanzlei widerspricht in ihrer Stellungnahme für den BGH nicht nur den "Hypothesen" des Untersuchungsausschusses. Der Ausschuss wirft Freshfields vor, "ein elaboriertes Geschäftsmodell initiiert" zu haben, um den Mandanten - also Banken und Großanlegern - mittels Aktien- und Steuertricks um den Dividendenstichtag herum Einnahmen zu bescheren - auf Kosten des Fiskus. Dieser sei so um insgesamt mehr als zehn Milliarden Euro gebracht worden. "Berufsträger der Sozietät Freshfields haben zu keiner Zeit - wie der Untersuchungsausschuss behauptet - mandatsunabhängig Gestaltungen entwickelt oder an solchen Entwicklungen von Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt", heißt es in dem Schreiben von Freshfields an den BGH. Tatsächlich erschöpfe sich der Untersuchungsausschuss in "Spekulationen und Zirkelschlüssen".

Solche Schlüsse hatte der Ausschuss allerdings nicht aus der Luft gegriffen, sondern etwa aus einem Vermerk des Bundesfinanzministeriums, wonach es "Hinweise" gebe, "dass z. B. in der Kanzlei Freshfields derartige Produkte kreiert" worden seien. Zudem beriefen sich die Abgeordneten auf einen Whistleblower, der der Finanzverwaltung 2011 gegen Zahlung von 1,5 Millionen Euro Beweise zur Aufdeckung von Cum-Ex-Geschäften angeboten hatte und unter anderem auf Freshfields verwies.

Die Sozietät reklamiert ihrerseits einen besonderen "Schutz von Berufsgeheimnisträgern". Bereits im Sommer hatte Freshfields dem Ausschuss einige Akten geliefert, doch die befand der Ausschuss als ungenügend. Für den Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick ist die Entscheidung des BGH eine herbe Enttäuschung. Dennoch sei es richtig gewesen, diesen Weg zu beschreiten, sagt der Abgeordnete. Man setze nun auf staatsanwaltliche Ermittlungen, die auch die Rolle von Freshfields ausleuchten

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