Cum-Ex-Deals:Dubiose Geschäfte, teure Folgen

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Die HVB hat ihre Steuerschuld beglichen und das Schlimmste hinter sich. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Hypo-Vereinsbank zahlt 50 Millionen Euro für eine interne Untersuchung und hat nun ihre Ruhe.

Von Klaus Ott, München

Ganz schön teuer, so eine Untersuchung. Vor allem, wenn es um komplizierte Aktiendeals geht, bei denen kaum jemand durchblickt, und bei denen der Fiskus betrogen worden sein soll. Mal müssen Anwälte bezahlt werden, die Zeugen und Verdächtige befragen; mal Wirtschaftsprüfer, die sich durch schier endlose Dateien wühlen. Versierte Techniker sind nötig, und die brauchen auch noch eine spezielle Hard- und Software. Und so weiter. Da kommt schon einiges zusammen. Summa summarum fast 50 Millionen Euro.

So viel hat die in München ansässige Hypo-Vereinsbank (HVB) einer internen Auflistung zufolge seit 2011 ausgegeben, um dreierlei herauszufinden. Welche zweifelhaften Geschäfte Börsenhändler des Geldinstituts jahrelang betrieben haben. Wie der deutsche Staat beim Kauf und Verkauf von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende von der HVB und Geschäftspartnern der Bank um rund 200 Millionen Euro ausgenommen worden sei. Und welche früheren Vorstände der HVB damals offenbar nicht richtig hingeschaut haben. Mehrere Anwaltskanzleien, eine Wirtschaftsprüfgesellschaft und die hauseigene Technikfirma Unicredit Business Solutions waren oder sind noch mit dem Fall beschäftigt. Der Aufsichtsrat der HVB, die der italienischen Großbank Unicredit gehört, hatte wissen wollen: Was war da los gewesen im eigenen Hause?

Der Aufwand hat sich gelohnt. Die HVB hat ihre Steuerschuld beglichen und das Schlimmste hinter sich. Und die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat den ersten Strafprozess in Deutschland zu Cum-Ex-Geschäften, bei denen der Fiskus von Banken und Fonds offenbar um mehr als zehn Milliarden Euro erleichtert wurde, vor sich. Eine absehbare Anklage vor allem gegen frühere HVB-Händler aus London kann sich auf einen mehrere hundert Seiten langen Prüfbericht der Kanzlei Skaden für die HVB stützen. Darin werden im Detail dubiose Aktiendeals und Missstände in der Hypo-Vereinsbank in den Jahren von 2005 an beschrieben. Vor allem eine Gruppe von Händlern in der HVB-Filiale in London soll gezielt Geschäfte mit nur einem Ziel gemacht haben: Eine Gesetzeslücke auszunutzen und sich von den deutschen Finanzbehörden bei Cum-Ex-Deals mehr Kapitalertragsteuern erstatten zu lassen, als überhaupt gezahlt worden waren.

Hinweise darauf gab es in der HVB schon frühzeitig, sie wurden aber dem Skaden-Bericht zufolge in den Chefetagen nicht ernst genommen. Drei Ex-Vorstände müssen mit Schadenersatzklagen der Bank rechnen; der Aufsichtsrat will durchgreifen. Auch für die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft sind die Skaden-Resultate eine große Hilfe. Die HVB-eigenen Untersuchungsergebnisse erhärten den Verdacht, dass der Fiskus absichtlich ausgenommen worden sei.

Eine Anklage, sagen Insider, sei nur noch eine Frage der Zeit. Die Generalstaatsanwaltschaft müsse aber nicht nur den Skaden-Bericht, sondern auch noch andere Unterlagen auswerten. In diesem Jahr werde es mit der Anklage wohl nicht mehr klappen. Aber im kommenden Jahr. Ein Strafprozess gilt als sicher. Es wäre ein Musterverfahren bei den Cum-Ex-Aktiendeals, vor dem sich viele Banken und Fonds fürchten müssten, die bis 2012 solche Geschäfte gemacht haben. Bis die Bundesregierung eine Gesetzeslücke beim Cum-Ex-Handel schloss. Die Lücke, die solche Deals technisch möglich machte, hat aber nach Ansicht der Staatsanwälte juristisch nicht dazu berechtigt, das auch zu tun.

Für Unternehmen lohnt es sich, selbst mit aufzuklären. Das schützt vor spektakulären Razzien

Allein mit eigenen Mitteln hätten es die Frankfurter Ermittler kaum geschafft, so schnell so weit zu kommen. Fast 2,7 Millionen Transaktionen mit Aktien und anderen Wertpapieren mussten durchleuchtet und analysiert werden. Große Wirtschaftsverfahren wie im Korruptionsfall Siemens, wie bei den globalen Bankgeschäften, die zu Verlusten in Milliardenhöhe und staatlichen Rettungsaktionen führten, und wie jetzt bei Cum-Ex sind ohne Zuarbeit der betroffenen Unternehmen kaum noch zu bewältigen. Für die Konzerne lohnt es sich, selbst mit aufzuklären, statt zu mauern. Das kürzt die Verfahren ab, die Firmen können sich schneller wieder auf's Geschäft konzentrieren, statt sich jahrelang mit Staatsanwälten herumzuschlagen.

Das gilt auch für die HVB. Vorstand und Aufsichtsrat müssen nicht befürchten, selbst in die Kritik zu geraten, weil man Ermittlungen blockiere. So etwas kann böse enden, wie die Deutsche Bank bei kriminellen Handelsgeschäften mit Verschmutzungsrechten (CO₂-Zertifikaten) erfahren musste. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ließ die Zentrale der Bank von mehreren hundert Polizisten in Uniform durchsuchen, die teils mit Maschinenpistolen bewaffnet waren. Fotos und Fernsehbilder gingen um die ganze Welt, ein Image-Desaster ohnegleichen.

Bei der HVB ist Ruhe. Dort hat die Generalstaatsanwaltschaft keinen Grund, einzumarschieren. Im Gegenteil. Die Frankfurter Ermittler sind dankbar für die teure Amtshilfe aus München. Die HVB hat der Generalstaatsanwaltschaft nicht nur vorgerechnet, was die internen Untersuchungen genau gekostet haben. Sondern auch aufgelistet, wie viel von den fast 50 Millionen Euro man ausgegeben habe, um mit den Strafverfolgern umfassend zu kooperieren. Immerhin 4,6 Millionen Euro.

© SZ vom 08.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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