Création Gross:Strategie mit zwei Marken

Wenn die Herrenmodefirma Gross für die junge Linie ein Model aussucht, achtet sie darauf, wie viele Follower der Mann auf Instagram oder Facebook hat. Unternehmenschef Gross über richtiges Marketing.

Interview von Elisabeth Dostert

Den deutschen Modeherstellern geht es schlecht? Nicht allen! Es gibt auch Firmen, denen es gut geht wie dem Herrenmodehersteller Création Gross aus dem fränkischen Hersbruck. Im SZ-Interview erklären Peter Gross und Thomas Steinhart die Strategie des Familienunternehmens. Für ihn gehe Ertrag immer vor Umsatz, sagt Gross, geschäftsführender Gesellschafter. Das Unternehmen finanziert sich selbst. "Ich muss niemanden fragen, wenn ich investieren will", so Gross. Er will sich nach und nach aus dem operativen Geschäft zurückziehen und mehr und mehr Aufgaben Thomas Steinhart und Ralph Böhm, zwei familienfremden Geschäftsführern, überlassen.

SZ: Herr Gross, geht es Ihnen gut?

Peter Gross (lacht): Mir geht's gut und der Firma geht's auch gut.

Vielen Ihrer Konkurrenten ging oder geht es ziemlich schlecht. Einige wie Strenesse oder Réne Lezard mussten Insolvenz anmelden. Selbst große Konzerne wie Boss oder Gerry Weber schlingern. Geht es Ihnen wirklich gut?

Gross: Ich bin seit 1984 in der Firma und seit 1993 in der Geschäftsführung. In dieser Zeit haben wir nicht ein einziges Mal auch nur annähernd Verlust geschrieben. Wir sind gut profitabel. Wir arbeiten ohne Bank und finanzieren uns komplett selbst. Ich muss niemanden fragen, wenn ich investieren will. Wir machen, was wir für richtig halten.

Was machen denn die anderen Unternehmen falsch?

Gross: Ich will nicht über andere reden. Wir konzentrieren uns auf uns. Konstanz ist wichtig, glaube ich. Eine unserer Konstanten ist sicher die Familie. Création Gross gehört im Wesentlichen meinem Cousin Wolfgang und mir. Wir legen auch in der Belegschaft und im Management Wert auf Konstanz. Und für mich geht Ertrag immer vor Umsatz.

Thomas Steinhart: Wir denken langfristig statt in Quartalen. Das Produkt steht für uns im Vordergrund, denn nur damit lassen sich Erträge erwirtschaften.

Die Vielzahl der Insolvenzen erweckt den Eindruck, als seien weite Teile der deutschen Mode-Industrie völlig marode.

Steinhart: Der Eindruck täuscht, weil nur über die Sanierungsfälle berichtet wird. Das ist ein Problem in diesem Land. Wir jammern viel über das, was nicht funktioniert, und reden zu wenig über das, was gut läuft. Unternehmen, die ihr Geschäft ordentlich machen, gelten als langweilig.

Heißt: An den Krisen bei Boss oder Gerry Weber war nicht der Markt schuld, sondern die Firmen selbst?

Steinhart: Das stimmt so nicht. Der Wettbewerb ist schon extrem hart. Diejenigen, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, haben deutlich größere Probleme. Die Fehler werden meistens in den guten Zeiten gemacht. Die Spreu trennt sich gerade vom Weizen.

Gross: Wir verfolgen eine klare Strategie mit zwei Marken: Carl Gross und CG - Club of Gents mit jeweils eigenen Zielgruppen. Carl Gross steht für Business-Anzüge, CG - Club of Gents ist die jüngere, modische Linie. Die beiden Marken werden getrennt geführt mit eigenem Einkauf, eigenen Designern, eigenem Marketing und eigenem Vertrieb, zwei Showrooms, das sind zwei Welten. Die Kunden von CG - Club of Gents sprechen wir über ganz andere Kanäle an als die von Carl Gross.

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(Foto: PR)

Wie denn?

Gross: Wenn wir heute ein Model für CG - Club of Gents aussuchen, schauen wir uns auch an, wie viel Follower der Mann auf Instagram und Facebook hat. Wir erwarten auch, dass die Models Fotos mit unseren Produkten posten. Im September hatten wir gemeinsam mit unserem Handelspartner Breuninger in Nürnberg zu einer Tattoo-Aktion mit Bronko Steel eingeladen ...

Kenne ich nicht.

Gross: Kannte ich auch nicht. Aber da stürmten ein paar Hundert junge Frauen und Männer den Laden, und standen stundenlang an, nur um sich ein kleines Tattoo stechen zu lassen. Der Carl-Gross-Kunde trägt eher kein Tattoo.

Hat Breuninger deshalb einen einzigen Anzug von Ihnen mehr verkauft?

Gross: Wahrscheinlich nicht. Aber solche Aktionen steigern unsere Bekanntheit. Das ist wichtig. Der Bekanntheitsgrad bei der Marke ist in den vergangenen Jahren um sechs Punkte auf 20 gestiegen. Das ist eine ganze Menge.

Aber nichts im Vergleich mit dem von Boss.

Gross: Wie vergleichen uns nicht mit Boss. Boss spielt in einer anderen Liga. Wir vergleichen uns mit Herrenmodemarken wie Roy Robson, Digel oder Drykorn ...

... Familienunternehmen, so wie Ihres. Aber Sie konkurrieren doch alle um den Mann!

Gross: Stimmt. Deshalb ist die Markenbildung so wichtig. Wir müssen uns unterscheiden.

Gibt es eine kritische Größe? Wie viel Umsatz muss eine Firma machen, um überleben zu können?

Gross: Bei etwa 70 Millionen Euro Umsatz, in diese Größenordnung kommen wir gerade. Im vergangenen Jahr haben wir mit beiden Marken zusammen 68 Millionen Euro umgesetzt.

Steinhart: Die Größe braucht man, um Mengeneffekte im Marketing und in der Logistik heben und im Handel eine Rolle spielen zu können. Ich würde sagen, die kritische Größe für eine Marke liegt bei etwa 30 Millionen Euro.

CG - Club of Gents war Ihre Idee, Herr Gross. Gäbe es die Firma heute noch ohne die zweite Marke?

Gross: Mit Sicherheit, vielleicht nicht ganz so erfolgreich.

Wie stark wollen Sie wachsen?

Steinhart: 2020 wollen wir die Umsatzmarke von 100 Millionen Euro knacken.

Wenn Sie so profitabel sind, warum haben Sie nie einen der angeschlagenen Konkurrenten übernommen oder eigene Läden aufgemacht?

Gross: Natürlich kriegen wir Angebote, aber man weiß nie, welche Risiken man sich da ins Haus holen würde. Eine Übernahme bindet Management-Kapazitäten, die können wir besser einsetzen.

Was ist mit eigenen Läden?

Création Gross: Peter Gross (links) und sein Geschäftsführer Thomas Steinhart.

Peter Gross (links) und sein Geschäftsführer Thomas Steinhart.

(Foto: PR)

Gross: Wir kennen unsere Stärken. Wir machen gute Kollektionen, von denen wir und der Handel leben können. Wir sind Partner, wir wollen da nicht als Konkurrent auftreten. Da gibt es welche, die können das besser. Eigenen Einzelhandel können wir uns nur dort vorstellen, wo es für die Marke sinnvoll ist, zum Beispiel als Pop-up-Store für ein paar Wochen.

Das mag sehr honorig von Ihnen sein. Fakt ist aber, dass es auch einigen Händlern schlecht ging wie zum Beispiel Karstadt, und viele Einzelkämpfer ihre Läden schließen müssen, weil sie keinen Nachfolger haben. Was tun Sie dagegen?

Gross: Aber es gibt auch einige, denen es gut geht, und mit denen wollen wir wachsen.

Steinhart: Es geht in diesem Markt nicht ohne Verdrängung. Auf der Fläche gibt es keine Freunde. Wir wachsen mit den bestehenden Partnern und in neuen Strukturen.

Gross: Und im Export. Da liegt noch viel Wachstumspotenzial.

Zählen zu den neuen Strukturen auch Online-Händler? Welchen Anteil steuern Internet-Händler wie Amazon und Zalando zu Ihren Umsätzen bei?

Steinhart: Knapp zwei Prozent.

Eigentlich nichts.

Steinhart: Ja. Wir sind ein Partner des stationären Handels. Wir motivieren unsere Partner, selbst Online-Shops aufzumachen. Wir sind im Handel gut aufgehoben.

Gross: Die Händler werden künftig lieber mit weniger Lieferanten mehr umsetzen. Und die Wahl wird künftiger noch häufiger auf uns fallen, weil wir solide finanziert sind und die Nachfolge geregelt ist. Die vierte Generation steht schon in den Startlöchern.

Inwiefern?

Gross: Wie es aussieht, treten der Sohn meines Cousins Wolfgang und mein ältester Sohn die Nachfolge an, beide halten schon seit zwei Jahren Anteile. Beide studieren allerdings noch, und sie sollen Erfahrung in anderen Firmen sammeln. Es wird noch mindestens sieben, acht Jahre dauern, bis sie etwas hier in der Firma bewegen können. Deshalb habe ich vor zwei Jahren einen Teil der operativen Verantwortung an Thomas Steinhart und Ralph Böhm übergeben. Ich ziehe mich nach und nach zurück. Die Nachfolge aus der Familie ist kein Automatismus. Das Unternehmen hat einen Anspruch auf Leistung, das erwarte ich von jedem Mitarbeiter und auch von der Familie.

Gehen Sie noch jeden Tag in die Firma?

Gross: Zwei Tage bin ich in der Firma und zwei Tage draußen. Das persönliche Gespräch mit großen Kunden ist sehr wichtig.

Dann sind Sie so eine Art Botschafter oder Außenminister?

Steinhart: Eher Bundespräsident!

Gross: Es gibt keine Hierarchien, wir stimmen uns in der Geschäftsführung ab.

Was machen Sie am fünften Tag?

Gross: Ich treibe gern Sport und reise schon immer gern. Ich nehme mir Zeit zum Nachdenken. Ich habe noch genug zu tun.

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