Constantin Medien:Wie im Film

Die Firma produzierte Filme wie "Der Untergang". Nun ist um Constantin Medien ein beispielloser Kampf entbrannt: Es geht um Macht und vor allem um viel Geld, aber auch um das deutsche Kino. Kommende Woche droht ein Eklat.

Von Caspar Busse

Was hätte wohl Bernd Eichinger zu dieser Geschichte gesagt? Der Erfolgsproduzent ist bei einem Abendessen am 24. Januar 2011 in Los Angeles zusammengebrochen. Es war ein Tod wie im Film: Plötzlich sank sein Kopf im italienischen Restaurant Cecconi's auf den Tisch, ein Arzt eilte vom Nebentisch zu Hilfe, die Sanitäter waren in wenigen Minuten da. Aber es hat nichts geholfen. "Bernd hat alles in seinem Leben mit einem Ausrufezeichen gemacht. Und genau so ist er auch gestorben", sagte ein Freund.

Mit am Tisch an diesem verhängnisvollen Abend saßen Bernhard Burgener, 59, und Martin Moszkowicz, 58. Die beiden kämpfen heute um die Zukunft von Constantin Film, der Firma, bei der Eichinger 1979 eingestiegen ist und die er groß gemacht hat. Den Durchbruch schaffte er mit "Christiane F. - wir Kinder vom Bahnhof Zoo". Es kamen viele Erfolge: "Der Baader Meinhof Komplex", "Der Untergang", "Das Parfum", "Der Schuh des Manitu" oder "Der Name der Rose" sind nur einige, die ihm und der Firma weltweit Ruhm einbrachten, sogar in Hollywood.

Um dieses Erbe ist nun eine beispiellose Schlammschlacht entbrannt. Am Mittwoch kommender Woche soll es in München auf der Hauptversammlung der Constantin Medien AG, die aus dem abgestürzten Börsenstar EM. TV entstanden ist und die Dachfirma ist (Grafik), zum Showdown kommen. Es droht ein Eklat. Denn die Differenzen sind bislang unüberbrückbar. Auf der einen Seite steht Dieter Hahn, 55, lange Jahre die rechte Hand von Leo Kirch und Chef des Aufsichtsrats bei Constantin Medien. Zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden Fred Kogel, 55, ehemals ZDF- und Sat- 1-Manager, will er das Unternehmen auf Sport und Eventmarketing konzentrieren. Constantin Film soll verkauft werden, der Wert wird auf 200 Millionen Euro geschätzt. Mit dem Geld sollen unter anderem die hohen Schulden reduziert werden. Im April 2018 wird bei Constantin Medien eine Anleihe über 65 Millionen Euro fällig.

Der Schuh des Manitu

Ein Riesenerfolg von Constantin Film: Der Schuh des Manitu, eine 2001 entstandene Parodie der Karl-May-Verfilmungen der 1960er Jahre.

(Foto: Constantin Film)

Burgener, Vorgänger Kogels und Großaktionär, will das alles unbedingt verhindern. Er glaubt, dass mit einem Verkauf nur kurzfristige Finanzengpässe kaschiert werden, aber langfristig Probleme entstehen. "Ich werde meine Strategie nicht aufgeben, wir wollen beim digitalen Wandel dabei sein", sagt Burgener der Süddeutschen Zeitung. Und: "Es ist gut, auf mehreren Beinen zu stehen. Alles andere, vor allem die Fokussierung auf den Sportbereich, ist sehr riskant." Er fordert auch personelle Konsequenzen: "Wir haben für die anstehende Hauptversammlung einen Antrag auf Wahl neuer Aufsichtsräte gestellt. Und wir fordern das Auswechseln des Vorstandsvorsitzenden."

Angeblich gibt es Interesse aus China, aber auch von großen Firmen aus den USA

Das Verhältnis zu Vorstandschef Kogel ist belastet. Noch Ende Februar soll in einer internen E-Mail an Burgener gestanden haben, es gebe keine Beschlüsse über einen Verkauf, diese seien derzeit auch nicht absehbar. Im September dann hat der Vorstand "mit Zustimmung des Aufsichtsrats" beschlossen, Constantin Medien "neu auszurichten". "In diesem Zusammenhang kommt auch die Veräußerung des Segments Film in Betracht", teilte Kogel damals mit. Eine Investmentbank soll angeblich schon den Markt sondieren. Burgener fühlt sich hintergangen.

Die Kontrahenten stehen sich unversöhnlich gegenüber, ein Aktionärstreffen im Juli endete im Chaos und wurde vertagt. Seitdem überziehen sich beide Seiten mit Anschuldigungen und Klagen. Gestritten wird um die Macht und um sehr viel Geld. Der Medienkonzern mit einem Jahresumsatz von knapp einer halben Milliarde Euro ist verschachtelt und undurchsichtig (Grafik). Sowohl das Lager von Hahn als auch das von Burgener halten je knapp 30 Prozent an der Constantin Medien AG und blockieren sich. Es ist offen, wer sich am Ende durchsetzt. Am Ende könnte die Zerschlagung stehen.

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"Es geht hier auch um das deutsche Kino", sagt ein Beteiligter. Constantin Film produziert neben Kinostreifen auch Fernsehfilme, wie zuletzt das Gerichtsdrama "Terror", sowie Unterhaltungssendungen. Die Firma steht für mehr als die Hälfte des Umsatzes der Gruppe und hat seit 2011 knapp 55 Millionen Euro an Dividenden gezahlt. Der Streit lähmt die Firma, die Künstler sind bereits beunruhigt, die Unabhängigkeit ist in Gefahr. Angeblich gibt es Interesse aus China, aber auch von großen Filmfirmen aus den USA. Die bayerische Staatsregierung ist alarmiert, ist Constantin Film neben Arri und Bavaria doch die Vorzeigefirma der Filmstadt München.

Was die Sache nicht gerade leichter macht: Die Akteure stammen aus dem Kosmos von Leo Kirch (1926 - 2011), haben dort ihr Handwerk gelernt, arbeiten seit Jahrzehnten mit- und gegeneinander. Dieter Hahn, der 1992 über "Die feindliche Übernahme von Aktiengesellschaften" promoviert hat, heuerte 1993 bei Leo Kirch an. Er organisierte dessen riskanten und kompromisslosen Expansionskurs, gerade auch im Sportgeschäft, 2002 brach die Kirch-Gruppe auseinander. Hahn konzentrierte sich seitdem auf die juristischen Auseinandersetzungen mit der Deutschen Bank. Zusammen mit den Kirch-Erben und der Beteiligungsfirma KF 15 hält er knapp 30 Prozent an Constantin Medien. "Ihm geht es nur ums Geld", glaubt ein Beteiligter.

Der Ton zwischen den Kontrahenten ist rau

Auf Hahns Seite ist Fred Kogel. Er hat 1985 als Assistent von Eichinger angefangen, arbeitete lange für Kirch, war im Aufsichtsrat von Constantin Film und von 2003 bis 2008 sogar Vorstandsvorsitzender. Burgener wiederum, der lieber im Hintergrund die Fäden zieht und nicht in der Öffentlichkeit stehen will, hatte schon in den 1980er-Jahren in der Schweiz eine Videotheken-Kette aufgebaut, daraus entwickelte er die Medienfirma Highlight Communications. Der Schweizer hat eine Sammlung von 6800 DVDs und ist seit 2002 bei Constantin Film dabei. Bis Ende 2015 war er selbst Vorstandschef von Constantin Medien, schied dann auf Druck von Hahn nach sieben Jahren aus und machte für Kogel Platz. Ihn unterstützt Moszkowicz, der mit der Regisseurin Doris Dörrie liiert und seit 1991 bei Constantin Film ist. Unter der Regie des Vorstandsvorsitzenden hat Constantin Film 39 der hundert erfolgreichsten deutschen Filme der vergangenen 15 Jahre in die Kinos gebracht.

Der Ton ist rau. Auf der Hauptversammlung im Sommer hatte Hahn, der auf Synergien und Abbau von Doppelstrukturen in der verzweigten Gruppe drängt, gesagt: "Im Kern geht es heute hier darum, dass einige Frösche versuchen, die Trockenlegung ihres Teichs zu verhindern, in dem sie es sich auf Kosten unseres Unternehmens über Jahre gemütlich gemacht haben."

Der Teich, vom dem hier die Rede ist, befindet sich in einem tristen Industriegebiet in Pratteln, einem Vorort von Basel. Hier im zweiten Stock eines schlichten Bürogebäudes mit Laminatböden ist die Zentrale von Highlight, im Flur hängt ein großes Porträt von Bernd Eichinger. "Die Holding-Kosten in München sind viel zu hoch. Die wirtschaftlichen Erfolge kommen ohnehin seit Jahren aus der Schweiz", sagt Burgener zu den Vorwürfen. Vor dem Aktionärstreffen fordert er außerdem: "Alle Anteilseigner müssen zur Abstimmung zugelassen werden. Ich fordere einen neutralen Versammlungsleiter." Das letzte Treffen hatte in Vertretung von Chef-Aufseher Hahn Franz Enderle geleitet, Anwalt bei Bub, Gauweiler & Partner, der Hauskanzlei von Hahn. Zudem wurden damals Aktionäre von der Abstimmung ausgeschlossen.

Burgener kämpft - mit allen Mitteln. So hat Constantin Medien vor Jahren einen Kredit bei Martin Hellstern, einem Freund Burgeners, aufgenommen und dafür fast alle Highlight-Aktien verpfändet. Nun wird die Rückgabe der Sicherheiten verweigert. Misslich für Hahn, denn so kann er möglicherweise die Stimmrechte bei Highlight nicht ausüben. Dort hängt aber die Firma Constantin Film, die verkauft werden soll. "Das ist eine Räuberpistole", schimpft ein Beteiligter, im Darlehensvertrag sei von einer Blockierung der Stimmrechte nicht die Rede. Außerdem wurde Hahn vergangene Woche aus dem Aufsichtsrat von Constantin Film abgewählt.

Einigkeit ist also nicht in Sicht.

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