Commerzbank:Martin Blessings kesse Lippe

Noch einmal Staatshilfen? Nie im Leben! Noch bis vor kurzem wurde Commerzbank-Chef Martin Blessing nicht müde zu betonen, dass sein Institut es ohne staatliche Kapitalspritze schaffen werde - und nahm den Mund zuweilen ganz schön voll. Jetzt soll seine Bank erneut mit der Regierung verhandeln.

Hannah Beitzer

Sturheit hilft dem Menschen nur selten weiter. Das weiß wohl keiner besser als Commerzbank-Chef Martin Blessing. "Ich geh da nicht noch mal hin", wurde er bis vor kurzem nicht müde zu betonen. Mit "da hin", meinte er den Staat, der der Commerzbank in der Finanzkrise 2008 mit 18 Milliarden Euro aushelfen musste. Sie hatte kurz vor der Lehman-Pleite die Dresdner Bank übernommen und sich damit ordentlich überhoben.

Bilanzpressekonferenz der Commerzbank

Commerzbank-Chef Martin Blessing spuckt gerne große Töne. Doch sein Institut ist am Ende.

(Foto: ddp)

Jetzt sieht es ganz danach aus, als wäre das noch lange nicht genug. Die EU-Bankenaufsicht Eba attestiert Blessings Bank eine Kapitallücke von mehr als fünf Milliarden Euro.

Noch Anfang des Jahres malte Martin Blessing die Zukunft seines Instituts in bunten Farben: "Heute werde ich Sie an jeder einzelnen Blume des Maßnahmen-Bouquets schnuppern lassen", versprach er - und stellte in Aussicht, dass die Bank einen großen Teil der Staatshilfen früher als gedacht zurückzahlen werde. Seine Erleichterung darüber war ihm deutlich anzumerken. "Ich finde es schöner, aus der Staatshilfe auszusteigen als einzusteigen, deshalb bin ich heute entspannter als vor zwei Jahren", sagte er - um gleich noch ein bisschen Bescheidenheit hinterherzufeuern. "Aber gefeiert wird erst, wenn's fertig ist, nicht wenn es zu 99,9 Prozent fertig ist." Man feiere ja seinen Geburtstag auch nicht im Voraus.

An Selbstbewusstsein mangelte es ihm aber selbst in den schlechtesten Zeiten nie: "Unser Unternehmen ist 141 Jahre alt. Die Commerzbank hat zwei Weltkriege und Währungsreformen überstanden. Wir werden auch das schaffen."

Das war vielleicht ein bisschen zu optimistisch, schließlich gibt es einige riesige Baustellen in seinem Haus. Die Immobilientochter Eurohypo zum Beispiel, auf der ein großer Teil der Verluste von 1,6 Milliarden Euro in der Sparte Beteiligungen entfiel. Sie muss laut EU-Auflagen bis 2014 verkauft werden. Blessing wollte sich davon bis vor kurzem nicht stressen lassen: "Du lieber Gott, wenn ich mir alles immer drei Jahre vorher überlegen müsste, würde ich wahnsinnig werden."

Dabei hätte etwas mehr Vorausplanung sicher nicht geschadet. Schon im Herbst wurde der Ton wieder rauer - dann wurde klar, dass absolut niemand Interesse an der Eurohypo hatte. Und auch ansonsten lief es nicht rund. Im November musste Blessing, nun schon ein wenig kleinlaut, einräumen: "Wir fühlen uns unserem ursprünglichen Ergebnisziel verpflichtet, werden es jedoch aufgrund der Marktgegebenheiten noch nicht im nächsten Jahr erreichen können."

Kurz darauf wurde bereits über ein erneutes Eingreifen des Staats spekuliert. "Wir haben gesagt, das werden wir aus eigener Kraft machen. Die Bank wird ganz sicher nicht umkippen", versicherte Blessing weiterhin trotzig. Gerne zitierte er in diesen Wochen auch einen Ausspruch seines Vorgängers Klaus-Peter Müller: "Ich bin nicht bereit, mich auf Vorrat zu rasieren."

Denn die Staatshilfen sind für Martin Blessing mehr als nur lästig - sie sind sein persönliches Trauma. Nicht nur, dass sein Jahresgehalt wie das des gesamten Vorstands auf die für Banker-Verhältnisse bescheidene Summe von 500.000 Euro beschränkt ist. Er, der von Kollegen spöttisch als "Merkels Pudel" betitelt wurde, habe die "öffentliche Begleitung" als "wenig motivierend" empfunden, sagte er auch. Im Gespräch mit dem Spiegel beklagte er sich außerdem, wie verletzend das unter anderem auf seine Bank angewendete Adjektiv "teilverstaatlicht" sei. "Das klingt nicht so, als sei es wirklich wertschätzend gemeint."

Gerade vor diesem Hintergrund wunderte es manchen, dass ausgerechnet Blessing es nicht lassen konnte, in der Schuldenkrise seinen Senf dazuzugeben. "Griechenland braucht einen Schuldenschnitt", konstatierte er im Herbst als erster deutscher Groß-Banker im Interview mit der Bild, "es reicht nicht, nur Abschreibungen in den Bankbilanzen vorzunehmen." Das gehe nicht freiwillig, sondern nur, indem Griechenland selbst seine Zahlungsunfähigkeit erkläre.

Ob er in eigener Sache ähnlich forsch vorgehen wird? Die Anleger jedenfalls haben ihre Zweifel an Blessings "Ich geh da nicht noch mal hin". Nachdem am gestrigen Montag Gerüchte laut geworden waren, die Commerzbank verhandle abermals mit der Regierung über Staatshilfen, gab die Aktie des Instituts kräftig nach. Sollten sich die Vermutungen bestätigen, sähe es nicht gut aus für Martin Blessing.

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