Commerzbank:Der Umbau beginnt

Sturmtauben

Commerzbank-Zentrale in Frankfurt: Der Konzern will weltweit Stellen streichen.

(Foto: Frank Rumpenh/ dpa)

Der neue Vorstandschef Martin Zielke macht ernst mit dem angekündigten Radikalumbau des zweitgrößten deutschen Geldinstituts und will die Wertpapierabwicklung auslagern, in der mehrere Hundert Mitarbeiter beschäftigt sind.

Von Heinz-Roger Dohms, Meike Schreiber, Frankfurt

Vermutlich wird es die Betroffenen gar nicht überraschen, denn die Einschläge kommen seit Monaten näher. Im September 2016 hatte der neue Commerzbank-Chef Martin Zielke bereits angekündigt, fast 10 000 der weltweit rund 45 000 Stellen streichen zu wollen. Einige Wochen später sickerte durch, dass es bei den Kürzungen in erster Linie um den Heimatmarkt gehen werde. Nun wird der radikale Umbau des zweitgrößten deutschen Geldinstituts konkreter, mehrere Hundert Mitarbeiter sind davon betroffen.

So steht nach SZ-Informationen eine der größten Back-Office-Einheiten der Bank, nämlich die Wertpapierabwicklung, vor der Auslagerung. Besiegelt ist zwar noch nichts. Insider berichten allerdings unisono, dass der potenzielle Abnehmer bereits gefunden ist, nämlich das britische Großbank HSBC - oder genauer: deren deutsche Servicetochter HSBC Transaction Services GmbH, die genau auf diese Dienstleistungen spezialisiert ist. Die Gespräche zwischen den beiden Unternehmen laufen offenbar seit Wochen. Weder die Commerzbank noch HSBC wollten sich am Montag zu den Informationen äußern.

Die Wertpapierabwicklung gehört zu jenen Tätigkeiten einer Bank, die der Kunde zwar nicht sieht, die aber trotzdem von enormer Bedeutung sind. Schließlich ist es im Aktien- oder Anleihegeschäft mit dem bloßen Handel nicht getan: Die Wertpapiere müssen im Nachgang vom Alt- an den Neubesitzer überführt werden. Allein bei der Commerzbank geht es um mehrere Millionen Transaktionen jährlich. Dadurch entsteht ein enormer Aufwand, der sich nur dann lohnt, wenn es gelingt, die Stückkosten durch hohe Volumina niedrig zu halten. Folglich gibt es in Deutschland nur noch wenige Player in diesem Bereich.

Der größte ist die DWP Bank - ein Gemeinschaftsunternehmen, hinter dem Sparkassen, Volksbanken und einige Privatbanken stehen. Neben der Commerzbank betreibt auch die Deutsche Bank ihre Wertpapierabwicklung noch selbst. Allerdings hatte auch sie den Bereich zwischenzeitlich schon einmal ausgelagert.

Tatsächlich ist das Abwicklungsgeschäfts ein schönes Beispiel für das strategische Hin und Her im deutschen Bankenmarkt. So hatte die Dresdner Bank den Bereich einst an besagte DWP Bank ausgelagert. Dann wurde die Dresdner jedoch 2008 von der Commerzbank übernommen - was zur Folge hatte, dass die Commerzbank bei der DWP anfragte, ob man nicht die Wertpapierabwicklung der Dresdner gewissermaßen zurückhaben könne. So geschah es dann auch. Wie stolz die Commerzbank darauf war, erkannte man daran, dass die zuständigen Manager dem Integrationsprojekt allen Ernstes ein "historisches Ausmaß" andichteten.

Das Geldhaus hatte die Abteilung schon einmal abgegeben

Diese Überhöhung änderte allerdings nichts daran, dass das Projekt kurz darauf schon wieder infrage gestellt wurde. So brachte die Commerzbank 2014 plötzlich die Idee ins Spiel, die eigene, eben erst um die Dresdner-Einheit erweitere Wertpapierwicklung, nun als Ganzes wieder in die DWP Bank zu überführen. Der Plan wurde zwar zunächst verworfen, kam nach SZ-Informationen aber in den vergangenen Monaten wieder aufs Tapet. Ja, es habe zuletzt auch Gespräche zwischen der Commerzbank und der DWP gegeben, ist zu hören. Allerdings seien diese wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen zumindest einstweilen abgebrochen worden. "Darum ist nun HSBC der aussichtsreichste Kandidat", sagt einer, der nah dran ist.

Wer auch immer den Zuschlag letztlich erhalten wird - die geplante Auslagerung zeigt, dass Zielke den Umbau der Commerzbank mit Hochdruck vorantreibt. Der 54-Jährige war erst im vorigen Mai als Nachfolger Martin Blessings an die Spitze der Frankfurter Großbank gerückt. Blessing, der inzwischen für die Schweizer UBS arbeitet, hatte die Commerzbank nach deren Kollaps 2008 zwar erfolgreich reanimiert, die Dinge allerdings nach Ansicht von Kritikern zuletzt eher treiben lassen. Wie schwierig Zielkes Erbe dadurch wurde, zeigte sich wieder Ende voriger Woche: Da kündigte die Commerzbank an, dass sich das schwache Vorjahresergebnis in diesem Jahr kaum werde steigern lassen. 2016 verdiente das Institut nur 279 Millionen Euro. Das entsprach einer Eigenkapitalverzinsung von gerade mal 1,2 Prozent.

Im Zentrum von Zielkes Generalumbau steht die Konzernstruktur: Anstatt aus drei soll die Commerzbank nur noch aus zwei Sparten bestehen. Dazu werden das Investmentbanking und das Geschäft mit größeren Unternehmenskunden de facto verschmolzen. Noch stärker will Zielke unterdessen auf die Privatkundensparte setzen, die er von 2010 bis 2016 selbst geführt hatte. In den vergangenen vier Jahren gewann die Commerzbank eine Million Kunden hinzu. Bis 2020 sollen es noch mal zwei Millionen mehr werden. Einen weiteren Fokus legt Zielke aufs Digitalgeschäft, in dem sogar 2300 zusätzliche Stellen entstehen sollen. Für die Bereiche, die dem neuen Vorstandschef wichtig sind, ist trotz aller Sparmaßnahmen auch Geld da. So übernahm die Commerzbank kürzlich den Onlinebroker Onvista. Der ebenfalls angedachte Kauf der Oldenburger Landesbank ist wohl kein Thema mehr: Zu teuer.

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