Comic in Zeiten der Pleite:Der Lurch kommt durch

Der Zeichner, der die Schuh-Werbefigur modernisiert hat, kann aufatmen — Lurchi wird die Insolvenz von Salamander wohl überleben.

Von Martin Zips

Dietwald Doblies ist guter Laune. Nicht nur, weil in Hamburg endlich mal wieder die Sonne scheint. Wochen währendes Grau kann selbst Comiczeichnern schwer zu schaffen machen. Doblies hat wieder Hoffnung, dass es weitergeht.

Comic in Zeiten der Pleite: Mit T-Shirt und Hose ist Lurchi im aktuellem Heft "Das Phantom von Burg Rabenstein" unterwegs.

Mit T-Shirt und Hose ist Lurchi im aktuellem Heft "Das Phantom von Burg Rabenstein" unterwegs.

(Foto: Foto: Salamander)

Irgendwie.

Dietwald Doblies ist 42 Jahre alt, trägt eine runde Brille und einen lustigen Schnauzbart. Er sei mit Asterix und den Disney-Figuren aufgewachsen, sagt er. "Von den klassischen Künstlern ist es vor allem Dürer, der mich inspiriert." Seit 20 Jahren arbeitet Doblies als Graphiker.

Mal entwirft er in seiner kleinen Hamburger Wohnung für eine Zahnpastafirma einen breit lächelnden Biber. Dann zeichnet er Bilderheftchen mit einem Kaugummi, der Zähne schützt. Derlei bekommen Kinder gerne vom Dentisten geschenkt.

Viel wichtiger jedoch ist: Seit fast zehn Jahren ist Dietwald Doblies der alleinige Zeichner des Feuersalamanders Lurchi, dem spaßig-spießigen Werbeträger der 100 Jahre alten, mittlerweile insolventen Firma Salamander aus Kornwestheim. "Das Phantom von Burg Rabenstein" heißt Doblies aktuelles Heft, welches in den Salamander-Filialen gratis ausliegt.

Und so viel darf man verraten: Es gibt ein Happyend. Eines, wie es sich auch Hunderte Salamander-Angestellte wünschen. Um zu retten, was zu retten ist, könnte bekanntlich bald jede zweite Stelle abgebaut, jeder zweite Laden geschlossen werden.

Sütterlin und Schuhwichse

"Lurchis Abenteuer, das lustige Salamanderbuch" lautete der Titel des ersten Heftchens, das ab etwa 1937 neben Schnürsenkeln und Schuhwichse lag. Außen Sütterlin, innen Verse in lateinischer Schreibschrift, sollte es Kinder davon abhalten, die Eltern bei der Anprobe zu stören.

Kinderschuhe hatte Salamander damals noch nicht im Programm. Allein "Jünglings- und Backfischschuhe ab Größe 34". Verbarg sich hinter den Buchstaben "Pi" auf einer der ersten Zeichnungen vielleicht Lurchis Schöpfer? Teile der großen Fan-Gemeinde vermuten das. Vielleicht war es ja der österreichisch-ungarische Maler Laszlo Pinter, dem das Kürzel gehörte.

Er könnte in ersten bieder-braven Bildergeschichten der bereits 1909 durch Zeitungsannoncen bekannten Figur ("Man ist, dacht sie, sogleich wie ein Magnet / wenn man in Salamanderstiefeln geht") Leben eingehaucht haben. Nach einer kriegsbedingten Pause von 1939 an kehrte der Feuersalamander 1951 ins Fußbekleidungsgeschäft zurück. Ab sofort verfassten Zeichner Heinz Schubel - seine wertvollen Lurchi-Originale gelten heute als verschollen - und Texter Erwin Kühlewein, ein Prokurist, die Geschichten.

Die Erfüllung eines Traums

Mal musste sich Lurchi auf dem Campingplatz behaupten, dann kämpfte er gegen Roboter oder afrikanische Kannibalen an. Wie das Leben halt so spielt. Bis zu drei Millionen Mal wurde jedes Abenteuer des musterdeutschen Lurchs gedruckt. In den Siebzigern und Achtzigern wechselten die Autoren oft.

Dann kam Dietwald Doblies an die Reihe. "Ich habe mich einfach beworben. Da hat sich ein Traum erfüllt. Lurchi kannte ich ja schon seit meiner Kindheit."

Vor vier Jahren wurde Doblies mit einem - ziemlich umstrittenen - Relaunch beauftragt. Aus dem Gartenzwerg Piping wurde plötzlich ein Gnom, aus dem Büttel Unkerich ein Kapitän in Öljacke, aus Frosch Hopps ein sportlich-dynamischer Turnschuhträger.

Überhaupt mussten alle Tiere ab sofort Kleider tragen, die Marketingexperten rieten von nackten Protagonisten ab. Mäusepiep bekam ein Katzen-T-Shirt verpasst, der Igel Sonnenbrille und Skater-Höschen. Nur Lurchi, der fortan noch braver agieren sollte, zog sich was aus. Seinen Tirolerhut. Heute geht er nicht mehr ganz so häufig auf Reisen und sammelt Ökomüll ein.

Auch gereimt wird nur noch selten. Allein auf den altbewährten Schluss greift man im aktuellen Heft wieder zurück: "Lang schallt's auf dem Festplatz noch / Salamander lebe hoch!" Wie vertraut.

Von den wirtschaftlichen Turbulenzen bei Salamander erfuhr Dietwald Doblies aus der Zeitung. Seitdem wartete er auf einen Anruf aus Kornwestheim. Eigentlich hätte er doch in diesen Tagen mit den Zeichnungen für das nächste Lurchi-Heft beginnen müssen. Eigentlich sollen doch immer drei Hefte pro Jahr erscheinen. Jetzt kam die Mitteilung.

Geschäftsführer Norbert Breuer gab bekannt, dass Doblies weiter zeichnen soll: "Im Frühjahr wird ein neues Lurchi-Abenteuer erscheinen." Das, zumindest, ist mal eine ganz schöne Nachricht.

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