Comac:Später Start

Chinas Flugzeugbauer will Airbus und Boeing angreifen. Doch die Offensive geht ins Leere, denn Comac hält den Zeitplan nicht ein.

Von Marcel Grzanna, Shanghai

2015 ist ein großes Jahr für die Commercial Aircraft Corporation of China (Comac). In Kürze soll ihre erste eigene Passagiermaschine an eine lokale Fluglinie ausgeliefert werden, die ARJ21. Entwickelt und gebaut in der Volksrepublik, soll das Modell nach Vorstellungen des Staatsunternehmens den Beginn einer neuen Ära in der Geschichte des Flugzeugbaus einläuten. Eine Ära mit chinesischer Prägung. Doch eine Reihe von Verzögerungen sorgen für erhebliche Zweifel, ob das Ziel in absehbarer Zeit erreicht werden kann.

Der Plan sieht vor, dass Comac das Monopol des Westens im Flugzeugbau aufbricht. Erst in China, dann weltweit. In den kommenden zwei Jahrzehnten, so schätzt der europäische Hersteller Airbus, werden allein in China mehr als 5000 neue Passagiermaschinen benötigt, ein Fünftel des weltweiten Bedarfs. Den Herstellern winken Milliardengewinne, und Comac will sich ein großes Stück vom Kuchen abschneiden. Nur mit der ARJ21, die maximal 90 Passagiere befördern kann, wird das aber nicht gelingen.

Das Modell bildet lediglich die Speerspitze einer Flotte, die angeführt wird von der C919. Die Maschine gilt als Chinas Antwort auf den Airbus 320 und die Boeing 737, zwei Klassiker der Industrie und die meist verkauften Flugzeugtypen der Welt. Schon jetzt liegen Comac Zusagen von chinesischen Fluglinien für die Bestellung von 450 Modellen vor. Der Auslieferungsstart war für Mai 2016 vorgesehen, wird sich aber sehr verzögern. Bisher hat die C919 nicht einmal einen Testflug durchgeführt.

Frühestens Mitte 2016 soll sie erstmals in die Luft, heißt es jetzt. Und auch der neu angesetzte Termin zur Erstauslieferung zwei Jahre später wackelt bedenklich. Stattdessen ist inzwischen von 2020 als Premierenjahr die Rede, wie chinesische Medien berichteten. Damit würde der Hersteller dem Zeitplan vier Jahre hinterherhinken. Eine Ewigkeit, wenn man zur Weltspitze einer Industrie aufschließen will.

Die Nachricht ist ein herber Rückschlag, zumal Boeing und Airbus binnen der nächsten 24 Monate technisch verbesserte Versionen ihrer Bestseller auf den Markt bringen wollen. Anfänglich hieß es, die C919 könne mit ihrem geringeren Spritverbrauch die Konkurrenten ausstechen. Doch der Vorteil ist mit der Verzögerung längst dahingeschmolzen. Um Boeing und Airbus den einen oder anderen Auftrag abzunehmen, müssten die Lieferpreise schon verlockend niedrig sein.

Die drastischen zeitlichen Fehleinschätzungen bei Planung und Entwicklung hätten nach den Erfahrungen beim Bau der ARJ21 eigentlich verhindert werden sollen. Denn auch dort kam es immer wieder zu Verspätungen. Wenn die erste ARJ21 in diesem Jahr endlich erstmals kommerziell genutzt werden kann, sind bereits zwölf Jahre vergangen seit dem Entschluss, das Flugzeug zu bauen. Schon Ende 2008 hatte das Modell seinen Jungfernflug, doch es dauerte gut sechs Jahre bis zur Zertifizierung durch die Flugbehörde. Man wollte überzeugt davon sein, ein wirklich sicheres Flugzeug auszuliefern, hieß es vonseiten des Herstellers.

Intensive Sicherheitsuntersuchungen sollen auch bei der C919 eine Rolle für die Verzögerungen spielen. Die englischsprachige Tageszeitung China Daily etwa zitiert einen unbekannten Hinweisgeber mit folgendem Satz: "Comac geht extrem vorsichtig vor bei der ersten Maschine und prüft ganz bewusst alles, um sicherzustellen, dass es keine Probleme mit der Sicherheit gibt."

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