CO2-Zertifikate:Von Glamour keine Spur

Die Angeklagten der Deutschen Bank wirken am ersten Tag des CO₂-Prozesses nicht, als hätten sie Steuern hinterzogen. Doch ihnen droht jahrelange Haft.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

In sich gekehrt sitzt Helmut H., 54, auf der Anklagebank, erste Reihe. Randlose Brille, gestutzter Oberlippenbart, schütteres Haar. Typ Sparkassendirektor, Finanzbeamter, so etwas in der Art. Windiger Zocker? Nicht wirklich.

Im Sitzungssaal 1 des Landgerichts Frankfurt beginnt an diesem Montagmorgen einer der wichtigsten Wirtschaftsstrafprozesse des Jahres. Angeklagt sind sieben Mitarbeiter der Bank. Eine weitere Angeklagte ist wegen Krankheit vorerst außen vor. Es geht um bandenmäßigen Steuerbetrug beim Handel mit CO₂-Rechten. Sie sollen betrügerischen Händlern geholfen haben, ein Umsatzsteuerkarussell aufzubauen. Im schlimmsten Fall droht den Angeklagten Gefängnis. Zwischen 34 und 65 Jahren sind sie alt; der Angeklagte H. in der ersten Reihe wirkt gefasst, fast unbeteiligt.

Es könnten peinliche Details an die Öffentlichkeit kommen, fürchtet man im Konzern

Auch die anderen Angeklagten machen nicht gerade den Eindruck, als hätten sie am ganz großen Rad der Finanzmärkte gedreht. Unauffällig, geradezu durchschnittlich wirken sie neben ihren Anwälten. Inzwischen sind sie alle suspendiert; einer ist bereits in Rente. Mit ihren randlosen Brillen, mal ohne, mal mit Krawatte, kommen sie eher brav und unscheinbar daher. Einer trägt die Haare nach hinten gekämmt wie Banker, bei einem anderen blitzen goldene Manschettenknöpfe am Ärmel. Das ist auch schon das Maximum an Glamour; von Wolf of Wall Street keine Spur.

Prozess gegen Deutsche-Bank-Mitarbeiter in Frankfurt

In Frankfurt hat der CO₂-Prozess gegen Deutsche-Bank-Mitarbeiter unter dem Richter Marin Bach (Mitte) begonnen.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Schon unter normalen Umständen würde der Prozess enormes Aufsehen erregenden, immerhin geht es um Steuerhinterziehung von 220 Millionen Euro. Jetzt aber kommt der CO₂-Prozess noch zu den vielen Problemen der Deutschen Bank hinzu, die es einfach nicht schafft, zur Ruhe zu kommen. Gerade erst hat die Bank die Untersuchung der Libor-Zinsmanipulationen weitgehend hinter sich gebracht, milliardenhohe Strafen gezahlt. Dann kamen weitere Fälle hinzu, zum Beispiel ein Verdacht von Geldwäsche in Russland. Seit Wochen erlebt der Konzern nun auch noch einen beispiellosen Verfall des eigenen Aktienkurses. Alles in allem ist das mehr als die Reputation eines Unternehmens verträgt. Auch im CO₂-Prozess drohen wieder peinliche Details an die Öffentlichkeit zu gelangen. Die Angeklagten nämlich dürften versuchen, die Schuld auf ihren Arbeitgeber zu schieben, der von den Managern blindlings hohe Profite erwartet habe.

Die Staatsanwälte werfen den Mitarbeitern vor, CO₂-Händler angeworben und Verdachtsmomente nur bruchstückhaft an Kontrollgremien weitergegeben zu haben. Die Bank selbst hat inzwischen Missstände zugegeben. Sie hat den Handel mit CO₂-Zertifikaten 2010 eingestellt und die Steuern zurückerstattet. Laut eines von der Bank in Auftrag gegebenen Prüfreports sei bei den Geschäften aber früh klar gewesen, dass alle als Kunden akzeptierte Firmen Merkmale für Umsatzsteuerbetrügereien aufgewiesen hätten. Bei Umsatzsteuerkarussellen wird die Ware über Grenzen hinweg im Kreis gehandelt. Am Ende lässt sich eine Firma vom Finanzamt Abgaben erstatten, die andere Unternehmen der Behörde zuvor schuldig geblieben sind. Ehe die Finanzbeamten merken, was gespielt wird, haben sich die illegal agierenden Firmen in der Regel aufgelöst.

Am ersten Prozesstag jedoch gibt es dazu noch kaum neue Erkenntnisse, stattdessen erste Scharmützel zwischen Verteidigung und Gericht. In Serie beantragen die Verteidiger den Vormittag über die Absetzung des Vorsitzenden Richters Martin Bach wegen Befangenheit - ein in Strafprozessen normaler Vorgang, der aber früh darauf hindeutet, dass es keine schnelle Kompromiss-Entscheidung geben wird. Unter anderem werfen die Verteidiger Bach vor, er habe die Angeklagten in einer ZDF-Sendung über die Skandale bei der Deutschen Bank vorverurteilt.

Außerdem verlesen die Verteidiger die Inhalte einer Vorbesprechung, in der vier der ursprünglich acht Angeklagten gegen ein vollständiges Geständnis Bewährungsstrafen in Aussicht gestellt worden seien. Die vier höherrangigen Mitarbeiter der Deutschen Bank sollen dagegen auch dann für bis zu knapp vier Jahre ins Gefängnis gehen, wenn sie die Vorwürfe einräumten. "Die Schuld stand für Sie doch schon fest", wirft einer der Verteidiger dem Richter vor. Dieser nimmt die Anträge stoisch zur Kenntnis. Bereits 2011 hat seine Kammer sechs Geschäftsleute aus dem In- und Ausland, deren Firmen beim Handel mit CO₂-Zertifikaten die Behörden betrogen hatten, zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte seit 2010 in der Sache.

Bach dringt dann auch auf eine schleunige Fortsetzung; nach einer Pause verliest die Staatsanwaltschaft später noch die wesentlichen Teile der 856-Seiten dicken Anklageschrift. Aus Profitgier hätten die Manager alle Warnsignale bewusst ignoriert, sagen sie. "Wir machen das doch alle nur, weil wir schweinisch viel Geld damit verdienen", zitiert die Anklage aus einem aufgezeichneten Gespräch der Kollegen. Klar wird: An einer einvernehmlichen Einigung gegen Geständnis hat die Staatsanwaltschaft kein Interesse mehr, jetzt wird verhandelt. Bis Ende Mai sind 26 Verhandlungstage angesetzt; die ersten Zeugen werden Mitte März gehört. Am Donnerstag wird das Verfahren fortgesetzt.

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