Chinesischer Staatsfonds CIC:Investment streng nach Einkaufszettel

VOLKSKONGRESS MERCEDES-STERN

Eine teure Mercedes-Limousine vor der Großen Halle des Volkes in Peking: Interesse besteht nun auch an Daimler-Aktien.

(Foto: dpa)

Wohin mit den Devisen? Die Regierung in Peking veröffentlicht alle zwei Jahre Übernahmeempfehlungen - und die chinesischen Anleger halten sich eisern an diesen Einkaufszettel. Deutschland steht oben auf der Liste. Der Einstieg des chinesischen Staatsfonds CIC beim Autobauer Daimler könnte nur der Anfang sein.

Von Christoph Giesen

Mehr als zehn Jahre ist es nun her, dass Chinas damaliger Parteichef Jiang Zemin seinen Genossen kämpferisch "Zou Chuqu!" (Schwärmt aus) zurief. Chinas Firmen, so stellte es sich der alte Jiang vor, sollten schon bald zu internationalen Schwergewichten aufsteigen. Sie sollten westliche Firmen übernehmen und sich am Weltmarkt bewähren.

Um ihren Unternehmen zu helfen, veröffentlicht die Regierung in Peking seitdem alle zwei Jahre eine nach Ländern aufgeschlüsselte Liste mit Übernahmeempfehlungen. Deutschland steht mit dem Maschinenbau, der Umwelttechnik und dem Automobilbau auf der Liste. In den vergangenen Jahren hielten sich Chinas Firmenchefs eisern an die Vorgaben aus der Hauptstadt. Zuletzt kauften sie die Betonpumpenhersteller Schwing und Putzmeister und den Autozulieferer Kiekert.

Nun bahnt sich hierzulande eine weitere Beteiligung an, auch diesmal erfolgt das Investment streng nach Einkaufszettel. Es ist diesmal jedoch kein chinesisches Unternehmen, das sich in Deutschland einkauft. Es ist der chinesische Staat selbst, der künftig in der deutschen Wirtschaft mitmischen will. Die Volkszeitung, Pekings offizielles Sprachrohr, berichtete am Wochenende, dass der chinesische Staatsfonds, die China Investment Corporation (CIC) bis zu zehn Prozent der Daimler-Aktien kaufen möchte. Die CIC ist das Investitionsvehikel des chinesischen Staates.

Risiko streuen, Rendite erhöhen

Gegründet wurde der Staatsfonds Ende September 2007, das chinesische Finanzministerium stattete die CIC damals mit 200 Milliarden Dollar aus. In den Jahren zuvor hatte die Volksrepublik einen stattlichen Devisenschatz von 1,8 Billionen Dollar angehäuft. Der Großteil des Geldes ruhte damals in niedrig verzinsten US-Staatsanleihen. Die Führung in Peking war sich einig: Das Risiko sollte gestreut und vor allem die Rendite erhöht werden.

Kaum war der Fonds 2007 aufgelegt, da war das Misstrauen auch schon groß. Hierzulande machte man sich ebenfalls Sorgen. Die Bild-Zeitung schrieb 2008 apologetisch: "Allein der vor einem Jahr gegründete chinesische Staatsfonds China Investment Corporation verwaltet umgerechnet 1,5 Billionen Euro, könnte also locker alle deutschen Großkonzerne auf einen Schlag schlucken!" Das ist natürlich Humbug, der Staatsfonds hat keineswegs Zugriff auf die gesamten Devisenreserven Chinas. Außerdem ist die CIC bislang nur Minderheitsbeteiligungen eingegangen. In den meisten Fällen kauften die CIC-Strategen allenfalls zehn Prozent eines Unternehmens.

Namhafte Fachleute gegen negatives Image

Um das negative Image abzuschütteln, berief die CIC einen internationalen Beirat. Namhafte Finanzfachleute sollen der CIC Sachverstand und Reputation bringen. Knut Kjaer, den ehemaligen Chef des norwegischen Staatsfonds konnten die Chinesen gewinnen, ebenso den Ex-Weltbank-Chef James D. Wolfensohn oder den Londoner Ökonomen Lord Nicholas H. Stern.

Doch auch die Experten konnten nicht vermeiden, dass die CIC in den ersten Jahren viel Geld vernichtete. Als der Fonds im September 2007, also kurz nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise, an den Start ging, leisteten sich Chinas Fondsmanager eine kapitale Fehleinschätzung, sie investierten fast ausschließlich in die Finanzbranche. Noch kurz bevor die Kurse in den Keller rauschten, beteiligte sich der Fonds jeweils zu knapp zehn Prozent an der Investmentbank Morgan Stanley und an der Beteiligungsgesellschaft Blackstone. Für drei Milliarden Dollar stieg CIC bei Blackstone ein, sogar fünf Milliarden Dollar kostete die CIC das Engagement bei Morgan Stanley. Auch ein Aktienpaket der Kreditkartenfirma Visa für 100 Millionen Dollar und eine Kooperation mit der US-Beteiligungsgesellschaft J. C. Flowers für vier Milliarden Dollar stellten sich bald als Flops heraus. CIC-Chef Lou Jiwei, 62, musste sich in China scharfe Kritik gefallen lassen. Inzwischen hat sich die CIC gefangen.

Fünfeinhalb Jahre nach der Gründung des Fonds sind die desaströsen Verluste der ersten Jahre fast wettgemacht. In der aktuellen Bilanz von 2011 weist die CIC nur noch einen Verlust von 4,3 Prozent aus. Neue Zahlen veröffentlicht der Fonds im Sommer. Der Erfolg kam mit Investitionen in der Rohstoffbranche. Anstatt im Finanzsektor zu wildern, kaufte sich die CIC bei Energieunternehmen, wie dem kanadischen Ölkonzern Penn West Energy Trust oder dem französischen Energieversorger GDF Suez ein. In Großbritannien beteiligte sich Chinas Staatsfonds am Versorger Thames Water und erwarb Anteile am Londoner Flughafen Heathrow.

Sehnsucht nach einem langfristigen Anteilseigner

Da Chinas Währungsreserven in den vergangenen Jahren noch einmal kräftig gestiegen sind und der Staat nunmehr Devisen in Höhe von etwa 3,3 Billionen Dollar hortet, hat die chinesische Regierung die finanzielle Schlagkraft des Fonds ordentlich aufgestockt. Im Frühjahr 2012 überwies die staatliche Devisenbehörde SAFE 30 Milliarden Dollar an den Staatsfonds, Chinas Zentralbank steuerte sogar 50 Milliarden Dollar bei. Derzeit ist die CIC mit 482 Milliarden Dollar ausgestattet. Und das weckt Begehrlichkeiten nicht nur bei Unternehmen wie Daimler, die sich nach einem langfristigen Anteilseigner sehnen, sondern auch in der Politik.

Vor einem Jahr flog eine Delegation um EU-Ratspräsident Hermann von Rompuy und Kommissionschef José Manuel Barroso zu einem EU-China-Gipfel nach Peking. Dort versuchte das Duo, auch CIC-Chef Lou Jiwei Staatsanleihen europäischer Staaten schmackhaft zu machen. Der winkte damals entschieden ab. Die CIC sei lediglich an langfristigen Investitionen in Infrastrukturprojekte oder an Beteiligungen an industriellen Schwergewichten interessiert. Der Fall Daimler ist das beste Beispiel.

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