Chinesische Solarfirma Chaori:Super-Sonne erlischt

-

Solarfeld in Xinjiang im Westen Chinas (Symbolbild).

(Foto: AFP)

Chinesen legen viel Geld in Unternehmensanleihen an - ohne Ahnung von den Risiken. Dass nun ein Solar-Unternehmen erstmals seine Zinsen nicht mehr zahlen kann, könnte in einer Katastrophe enden. Die Regierung fürchtet Panik.

Von Marcel Grzanna, Shanghai, und Christoph Giesen

Auf dem Papier geht es um 89 Millionen Yuan - etwa elf Millionen Euro - keine allzu große Summe. Und doch ist es eine Probe aufs Exempel, die den chinesischen Anleihenmarkt verändern könnte. Denn es geht um viel mehr - nämlich um mehrere Hundert Milliarden.

Die Verlautbarung war kurz, aber deutlich, die der Shanghaier Solarproduzent Chaori am Dienstagabend verschickt hatte. Chaori, was übersetzt etwa "Super-Sonne" heißt, warnte seine Anleger, dass es die versprochenen Zinsen für eine Unternehmensanleihe nicht zahlen könne. Chaori hatte den Ausfall mit "verschiedenen unkontrollierbaren Faktoren" erklärt, die nicht näher ausgeführt wurden. An diesem Freitag ist die Anleihe nun tatsächlich ausgefallen. Chaori konnte die Zinsen nicht zurückzahlen. Es ist der erste Ausfall einer chinesischen Unternehmensanleihe in Yuan.

Das Unternehmen hatte vor zwei Jahren eine Milliarde Yuan eingesammelt - umgerechnet knapp 120 Millionen Euro. Damals ging es der chinesischen Solarindustrie noch ordentlich, doch seit dem ruinösen Preiskampf der vergangenen Monate, den Handelsgefechten mit der Europäischen Union, haben Chinas Fotovoltaik-Unternehmen genauso zu kämpfen, wie die Firmen hierzulande. Statt den benötigten 89 Millionen Yuan stehen nun nach Angaben des Unternehmens nur vier Millionen Yuan bereit.

Was wird nun passieren? Greift der Staat ein oder wird Chaori zum Präzedenzfall? Im vergangenen Jahr war es bei zwei weiteren Firmen aus der Solarbranche zu Zahlungsausfällen gekommen. Allerdings handelte es sich dabei um Dollar-Anleihen, die nicht in der Volksrepublik gehandelt wurden. Es verloren also keine chinesischen Anleger im großen Stil Geld.

Seit einigen Jahren investieren viele Chinesen verstärkt in kurzlaufende Anleihen - allesamt Graumarktprodukte, die mit hohen Risiken behaftet sind. Die staatlichen Banken bieten die Anleihen feil.

Wer in China Geld anlegen möchte, steckt in einem ähnlichen Dilemma wie die Sparer in Deutschland: Das Konto wirft kaum etwas ab. Alle Banken in China bieten nahezu identisch niedrige Zinsen an, der Staat hat den Höchstsatz gedeckelt. Banken dürfen den Referenzzins, der derzeit bei drei Prozent liegt, allenfalls um zehn Prozent überschreiten, macht also 3,3 Prozent. Das von der Regierung angepeilte Inflationsziel liegt bei 3,5 Prozent. Geld ins Ausland zu transferieren ist streng reguliert. Bleiben als Alternative für Privatanleger nur noch der überhitzte Immobilienmarkt, die volatile Börse oder eben der Graumarkt.

Markt im Schatten

Dass ab und an eine Anleihe ausfallen kann, und die versprochen Zinsen nicht fließen, das mag in Europa oder den Vereinigten Staaten den meisten Anlegern klar sein, in China wissen das die wenigsten. Wie auch: Niemand erklärt ihnen, dass die schlicht als "Vermögensverwaltungsprodukte" angebotenen Anleihen hochspekulativ sein können und der Markt im Schatten der großen Banken völlig unreguliert ist. Zudem werden die Anleihen oft dem Argument vertrieben, dass noch nie etwas schief gegangen sei.

Drohte eine Anlage auszufallen, fand sich in der Vergangenheit immer ein Investor, der aushalf. Mal sprangen die staatlichen Banken ein, mal übernahm direkt die nächste Lokalregierung. Die Angst der Führung in Peking vor einer Panik der Anleger, sie ist greifbar, also wurde bislang gerettet. Als kürzlich in Shanghai ein Bonds zu platzen drohte, kam es zu Demonstrationen vor der Bank, die den Deal vermittelt hatte, wenig später kam Hilfe.

Ewig wird das nicht funktionieren, das weiß auch die Führung in Peking. Sollte sich die Regierung nun tatsächlich entscheiden, die "Super-Sonne" aus Shanghai kontrolliert erlöschen zu lassen, es wäre wohl ein dringend notwendiges Warnsignal an die Investoren, schließlich müssen Firmen allein in diesem Jahr ausstehenden Kredite in Höhe von 4,6 Billionen Yuan zurückzahlen. Es kann aber auch schiefgehen, im ungünstigsten Fall ist Chaori der eine Funke, der zur Panik führt. Das ist Pekings politisches Risiko im Spiel mit dem Zinsrisiko.

Aber auch in den eigenen Büchern könnten sich bald Probleme auftun: Chinas lokale Regierungen haben nach der Finanzkrise 2007 selbst Anleihen ausgegeben, um Hochhäuser, Bahnstrecken und Flughäfen zu bauen - immerhin 17,9 Billionen Yuan. Chinas Wachstum blieb damals stabil, trotz massiver Einbrüche im Exportgeschäft. Nun müssen viele der Anleihen jedoch bedient werden, fast die Hälfte sind 2014 fällig. Ökonomen wie der Chefvolkswirt von Standard Chartered, sehen bereits eine 50-prozentige Chance, dass noch in diesem Jahr eine Anleihe einer lokalen Regierung ausfallen könnte. Dagegen ist der Fall Chaori eine Lappalie.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: