Chinesische Aktien:Her mit dem Geld

Investors Watch Stock Boards At A Security Firm

Bislang sind die Aktienmärkte auf dem chinesischen Festland intransparent und schlecht zugänglich. Das soll sich allmählich ändern.

(Foto: Qilai Shen/Bloomberg)

Nach mehreren erfolglosen Bewerbungen nimmt der Anbieter MSCI chinesische Aktien in seine Indizes auf. Das beschränkt sich noch auf wenige Titel großer Konzerne.

Von C. Giesen und J. Willmroth, Frankfurt/Peking

Sie hatten sich lange gegen diesen Schritt gesperrt beim New Yorker Indexanbieter MSCI. Zu undurchsichtig und unzugänglich ist der chinesische Aktienmarkt, die Konzerne veröffentlichen zu wenige Daten, die Kurse schwanken zu stark. Auf dem chinesischen Festland gehandelte Aktien, entschied man noch 2014, kamen nicht infrage für die MSCI-Indizes, die zu den bekanntesten und wichtigsten der Welt gehören und an denen sich Fondsmanager rund um den Globus orientieren. Drei Jahre lang waren die Versuche der chinesischen Führung erfolglos geblieben. Zwei Jahre hatte die Börsenaufsicht immer wieder direkt mit MSCI verhandelt, um einen Weg zu finden.

Bis in der Nacht zum Mittwoch die Erlösung kam: Erstmals werden chinesische Aktien Teil des MSCI-Schwellenländer-Index, der bislang 830 Aktien aus 23 aufstrebenden Volkswirtschaften enthält.

Es ist zunächst eine Entscheidung mit Symbolkraft und ein wichtiger Prestigeerfolg für die chinesische Führung. Mittelfristig aber dürften auch zusätzliche Milliarden an ausländischem Kapital ins Land fließen, denn erstens orientieren sich Fondsmanager weltweit an den Indizes von MSCI, und zweitens fließt immer mehr Geld in börsengehandelte Indexfonds, die automatisch Indizes nachbilden. "Mit der jetzigen Aufstockung werden chinesische Aktien eine erhöhte Nachfrage durch internationale Investoren erfahren, die der Größe der chinesischen Wirtschaft und des chinesischen Aktienmarktes entsprechen", sagte Helen Wong, China-Chefin der britischen Bank HSBC.

Der chinesische Aktienmarkt ist der zweitgrößte der Welt und die Nummer drei bei Unternehmensanleihen. Bislang waren die chinesischen Börsen vom weltweiten Handel fast völlig abgeschnitten. Die Handelsplätze in Shenzhen und Shanghai führten ein Eigenleben: Ende 2014, Anfang 2015 kam es zu einer beispiellosen Hatz. Die Kurse stiegen - angefeuert von politischer Propaganda - in einem halben Jahr um mehr als 150 Prozent. Im Sommer 2015 folgte ein jäher Einbruch. Es kam zu Kursstürzen, die Regierung griff mit panischen Stützkäufen ein, die Kurse stürzten wieder ab. Schließlich musste die Führung in Peking eingestehen, die Märkte nicht im Griff zu haben.

Denn mit Fundamentaldaten, politischen Ereignissen, Gewinnen oder Verlusten ließ sich das alles nicht erklären. Es war eine große Zockerei, die von außen kaum zu durchschauen war. Das soll sich nun ändern: Chinas Aktienmarkt, das ist das Signal, soll endlich auf internationalem Niveau ankommen. Endlich offener werden. Zumindest ein wenig.

Bereits drei Mal hatte sich Chinas Regierung vergeblich bemüht, in die Indizes von MSCI aufgenommen zu werden. Wer etwa aus Europa chinesische Aktien kaufen möchte, hat bislang kaum eine Chance, die sogenannten A-Aktien, die in chinesischer Währung gehandelt werden, zu erwerben. Wegen der strengen Kapitalausfuhrkontrollen ist es im Fall eines Verkaufs überdies schwierig, das Geld außer Landes zu bekommen. Nicht einmal zwei Prozent der Anteilsscheine und Anleihen werden deshalb von ausländischen Investoren gehalten. Mit der Aufnahme in den Index wird sich das schrittweise ändern: Diese ebne den Weg für internationale Kapitalströme in chinesische A-Aktien, kommentierte die Ratingagentur Moody's am Mittwoch.

Damit chinesische Aktien künftig international gehandelt werden können, hat man nun eine Lösung für ausländische Käufer gefunden. Statt direkt in Shenzhen oder Shanghai zu investieren, können diese über die ehemalige Kronkolonie Hongkong handeln. Zunächst gilt das für 222 A-Aktien großer Unternehmen, die etwa fünf Prozent Anteil am chinesischen Markt haben. Sie sollen von August 2018 an 0,73 Prozent des MSCI-Schwellenländer-Index ausmachen. Der Dienstleister bezieht in seine Berechnungen bereits länger chinesische Aktien ein, die in anderen Währungen an den Börsen in Hongkong und den USA gehandelt werden, darunter etwa die beiden Online-Konglomerate Tencent und Alibaba.

Durch die Entscheidung von Mittwoch dürften nach MSCI-Prognosen zunächst zusätzlich etwa 17 bis 18 Milliarden Dollar in chinesische Aktien fließen. Langfristig, wenn der Markt vollständig aufgenommen ist, könnten es mehr als 340 Milliarden Dollar werden. Das will man schrittweise erreichen: Sofern sich China weiter an internationale Standards des Marktzugangs anpasse und institutionelle Investoren erfahrener seien im Umgang mit A-Aktien, werde deren Anteil Index auch wachsen, schreibt der Anbieter. Das aber wird wahrscheinlich noch etliche Jahre dauern.

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