Chinesen:Lernen von Airbus und Boeing

Noch kauft Peking Flugzeuge von den Europäern und Amerikanern, bald will es diese selber bauen.

Von Jens Flottau und Cerstin Gammelin, Peking/Frankfurt

Alles lief zunächst so wie vorgesehen, streng nach Protokoll. Pünktlich um 9.30 Uhr fuhren die schwarzen Staatskarossen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Premierminister Li Keqiang an der Großen Halle des Volkes in Peking vor. Exakt wie vorgesehen schritten beide Regierungschefs die Truppen ab, spielte das Militärorchester die Nationalhymnen, flatterten die roten Fahnen der Volksrepublik vor dem klaren, blauen Himmel. Erst gegen elf Uhr kam das offizielle Protokoll aus dem Takt. Da stand in der Großen Halle des Volkes der Programmpunkt "Unterzeichnungszeremonie" zur Ausführung an. Und dann hieß es plötzlich: Großauftrag. China kauft 130 Flugzeuge vom deutsch-französischen Airbus-Konzern. Eine Nachricht, die viele überraschte. Denn selbst für den erfolgsverwöhnten Airbus-Konzern ist das ein großer Auftrag und einer der größten aus China. Nach Listenpreis sind die Flugzeuge rund 15,6 Milliarden Euro wert.

Airbus wird zwischen 2016 und 2018 dreißig Langstreckenjets des Typs A330 und 100 Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge des Typs A320 an chinesische Airlines ausliefern. China hatte bereits im Frühjahr 45 A330 bestellt und dabei eine Absichtserklärung über weitere 30 Flugzeuge unterzeichnet, die jetzt in einen festen Auftrag umgewandelt worden sind. Die 100 A320 kommen neu hinzu, sind aber formal noch nicht fest bestellt.

Für Airbus ist vor allem der zusätzliche A330-Auftrag wichtig. Denn das Programm befindet sich im Übergang vom aktuellen Modell zur A330neo mit neuen Triebwerken, die ab Ende 2017 ausgeliefert werden soll. Die Bestellung hilft Airbus, die Produktion während des Wechsels nicht weiter reduzieren zu müssen.

Doch jenseits eher kurzfristiger Überlegungen versprechen sich die Flugzeughersteller wahre Wunder vom chinesischen Markt und legen deswegen so viel Wert darauf, dort möglichst stark präsent zu sein. So verkauft auch Boeing äußerst erfolgreich auf dem chinesischen Markt. Zuletzt wurden 300 Boeing-Flugzeuge von Fluggesellschaften und Leasinggebern aus China bestellt. Der US- Konkurrent von Airbus will in Kürze eine Fertigung für den Mittelstreckenjet Boeing 737 in China eröffnen. Boeing erwartet im Land einer eigenen Prognose zufolge in den nächsten 20 Jahren einen Bedarf von 6330 neuen Flugzeugen im Wert von etwa 950 Milliarden Dollar. Nach der jüngsten Airbus-Marktstudie ist der chinesische Inlandsluftverkehr derzeit noch etwas kleiner als das innereuropäische Aufkommen. Doch in den nächsten 20 Jahren wird sich innerhalb Chinas das Aufkommen um den Faktor 3,8 erhöhen - das Land wird dann der mit Abstand größte Einzelmarkt der Welt sein, doppelt so groß wie Europa und mehr als ein Drittel größer als die USA. Airbus setzt deswegen schon länger alles daran, die Chinesen wohlgesonnen zu stimmen: In Tianjin werden A320-Jets montiert, bald werden dort die A330 mit Kabinen ausgestattet. Auch Boeing will künftig die 737-Reihe in China ausstatten lassen.

Doch China will sich schon längst nicht mehr mit der Rolle des Zulieferers begnügen. Vermutlich noch vor Ende des Jahres will der staatliche Flugzeugbauer Comac den ersten Prototypen der C919-Reihe vorstellen, mit dem er Airbus und Boeing direkte Konkurrenz machen will. Gemeinsam mit Russland plant China auch einen neuen Langstreckenjet, der in acht bis zehn Jahren fliegen dürfte. Zwar gelten die chinesischen Flugzeuge noch als technisch unterlegen. Ihr Bau wird Airbus und Boeing aber trotzdem wehtun: Der Staat wird dafür sorgen, dass chinesische Airlines künftig zumindest teilweise auf heimische Produkte setzen.

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