China:Schwächelnder Phönix

Lesezeit: 2 min

Die Volksrepublik will mit eigenen Maschinen punkten. Aber beim Flugzeugbau kann der Staat international noch nicht mithalten.

Von Christoph Giesen, München

Spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges ist der Weltmarkt für Verkehrsflugzeuge recht übersichtlich. Da ist das amerikanische Unternehmen Boeing, und seit 1970 die Konkurrenz aus Europa: Airbus. Die sowjetischen Maschinen, die in den Staaten des Ostblocks zum Einsatz kamen, wurden in den Neunzigerjahren in den meisten Ländern durch Modelle von Airbus oder eben Boeing ersetzt. Nur noch hier und da, zum Beispiel bei Nordkoreas staatlicher Fluggesellschaft Air Koryo, sieht man wirklich noch eine Iljuschin aus russischer Produktion starten.

Wird es aber auch in den kommenden Jahren bei diesem Duopol aus Europa und Amerika bleiben, oder besteht die Möglichkeit, dass ein dritter Hersteller in den Markt vordringt? Wenn es einer Nation gelingen kann, die Phalanx aufzubrechen, sind sich Fachleute einig, dürfte das am wahrscheinlichsten einem chinesischen Hersteller gelingen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Die Volksrepublik ist mit Abstand der größte Flugzeugmarkt der Welt. Kein Land der Welt kauft Jahr für Jahr mehr Maschinen als die Airlines aus China. Kein Wunder also, dass bereits vor mehr als 15 Jahren in Peking der Plan reifte, ein eigenes chinesisches Verkehrsflugzeug zu bauen. Nicht unbedingt als Angriff auf Boeing und Airbus, sondern zunächst einmal als Konkurrenz zum kanadischen Bombardier-Konzern und dem brasilianischen Hersteller Embraer.

Ein poetischer Name war rasch gefunden: Aufsteigender Phönix, so sollte die erste chinesische Linienmaschine heißen. Die Typenbezeichnung fiel dann deutlich langweiliger aus: ARJ21. Das steht für Advanced Regional Jet. Die Kapazität dieses Flugzeugs liegt bei 70 bis 100 Passagieren. Gedacht ist die Maschine vor allem für Inlandsflüge in China.

Eigentlich sollten ab 2007 die ersten Phönixe ausgeliefert werden. Doch dann passierte etwas, was in einem Land, in dem Horden von Wanderarbeitern ganze Flughäfen in wenigen Monaten hochziehen und notfalls rund um die Uhr geschuftet wird, nur höchst selten vorkommt: Der selbstgesteckte Zeitplan konnte nicht eingehalten werden.

Die erste Testmaschine startete erst im November des Jahres 2008. Da lag die Verspätung schon bei deutlich über einem Jahr. Doch es kamen weitere Probleme hinzu: Die Festigkeit der Flügel stimmte nicht. Die Zulassung verzögerte sich deshalb Jahr um Jahr.

Im November 2015 wurde die erste Serienmaschine übergeben, acht Jahre später als geplant

Erst Ende 2014 erteilte die chinesische Luftfahrtsbehörde ihre Zustimmung. Im November 2015 konnte dann die erste Serienmaschine an die chinesische Regionallinie Chengdu Airlines übergeben werden - acht Jahre später als von Pekings Wirtschaftsplanern eigentlich vorgesehen. In den kommenden Jahren sollen 340 Maschinen gefertigt werden.

Das Projekt Aufsteigender Ph önix hat vielen Kadern in Peking bewusst gemacht, dass der Flugzeugbau viel Erfahrung und enormen technischen Sachverstand erfordert. Selbst dann, wenn man einzelne Komponenten für die Flugzeuge bei europäischen und amerikanischen Zulieferern einkauft. Bis ein chinesisches Langstreckenflugzeug auf den Markt kommt, das den gängigen Modellen von Airbus und Boeing wirklich Konkurrenz machen kann, werden wohl noch ein paar Jahre vergehen. Das Duopol bleibt also vorerst unter sich.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: