China:Marketing-Panne: Panzer auf Pekings Straßen

Bluegogo

Die chinesische App zeigt statt Fahrräder Panzer.

(Foto: Screenshot/Bluegogo)
  • In China boomt der Markt für Leihfahrräder.
  • Jetzt ist der Anbieter von Leihfahrrädern Bluegogo pleite.
  • Im Juni hatte das Unternehmen das Symbol in der Buchungsapp geändert: Aus Rädern wurden Panzer.
  • Zeitgleich zur Umstellung jährte sich das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens.

Von Christoph Giesen, Peking

Wer die Idee mit den Panzern hatte, ist nicht verbürgt. Das Resultat aber steht fest: Der Konkurrenzkampf auf Chinas Leihfahrrad-Markt hat sein erstes Opfer gefordert. Das Start-up Bluegogo ist pleite, umgerechnet 80 Millionen Euro sind verbrannt.

Kaum eine Straßenecke in Chinas Metropolen, an der keine Leihfahrräder stehen. An belebten Kreuzungen sind es oft ganze Fuhrparks, 100 Stück und mehr. Mit dem Smartphone scannt man einen Code am Schutzblech ein und bekommt die Nummer für das Zahlenschloss übermittelt. Einen Yuan (0,13 Euro) kostet die Stunde. Doch das zahlt niemand. Ständig gibt es Rabatte. Begonnen hat alles vor gut einem Jahr. Erst waren da die gelben Räder, dann die silbernen, auf einmal blaue, allmählich verliert man den Überblick.

Sie heißen Ofo, Mobike oder eben Bluegogo. Alleine in Peking sollen es 2,35 Millionen Räder sein, vermeldete kürzlich die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Bluegogos Flotte in China war zuletzt fast 700 000 Fahrräder stark. Auch in San Francisco und Sydney wollte sich das Unternehmen beweisen. Dazu kommt es nicht mehr. Die Zentrale in Peking ist verlassen, aufgebrachte Investoren fordern ihr Geld zurück, und Millionen Chinesen fragen sich, was mit ihrer Kaution von immerhin 100 Yuan passiert. Wahrscheinlich ist alles futsch.

Zuvor war erst ein Start-up Pleite gegangen. Im Juni musste Wukong Bikes in Chongqing in Westchina aufgeben. Die Firma hatte 1200 Räder in der Stadt aufgestellt. Allerdings hatten die Gründer vergessen, sie mit GPS-Empfängern auszurüsten. Die Räder sind nun verschollen.

Es geht um die Daten der Kunden

Alle anderen Unternehmen wissen sehr genau, wo sich ihre Fahrräder befinden. Es ist schließlich Teil des Geschäftsmodells und wohl auch der Grund, warum sich finanzkräftige Investoren eingekauft haben.

Es geht um die Daten der Kunden. Wer fährt von wo bis wo? Und wie oft? Welche Routen werden benutzt? Zu den Geldgebern gehören der iPhone-Hersteller Foxconn genauso wie der Internetkonzern Tencent. Letzterer war auch an der großen Start-up-Schlacht vor einem Jahr beteiligt. Damals duellierten sich die beiden Fahrdienstvermittler Didi und Uber. Die Preise waren wie jetzt bei den Fahrrädern lächerlich gering, bis Uber sich geschlagen gab. Eine Milliarde Dollar kostete das Abenteuer.

Der Anfang vom Ende von Bluegogo war eine Marketing-Panne. Im Juni änderte das Unternehmen das Symbol in der Buchungsapp. Ein Miniatur-Panzer zeigte an, wo das nächste freie Fahrrad steht. Klar, der Start-up-Krieg!

Die Aktion hatte allerdings einen Schönheitsfehler: Zeitgleich zur Umstellung jährte sich das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Im Netz machte rasch ein Screenshot von der Chang'an Avenue die Runde, jener zehnspurigen Magistrale, auf der sich am 4. Juni 1989 die echten Panzer reihten und den Protest Tausender Studenten niederwalzten. Und jetzt jedes Fahrrad ein Panzer.

Was in Europa oder den USA vielleicht als geniale Guerilla-Aktion durchginge, war der kommerzielle Suizid für Bluegogo. Das Blutbad im Herzen Pekings wird in China totgeschwiegen. In den Schulen, in den Zeitungen, selbst in den Familien. Niemand traute sich noch bei Bluegogo zu investieren. Der Gründer schreibt, dass sein Unternehmen "im Juni verflucht" worden sei - das Massaker erwähnt er natürlich nicht.

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