China:Deutsche Autohersteller hoffen auf laschere Elektro-Quote aus China

FILE PHOTO:A visitor gets out of a new BMW i8 plug-in hybrid sports car during the Auto China 2016 in Beijing

Offensichtlich zufrieden steigt ein Messebesucher in Peking aus einem BMW i8.

(Foto: REUTERS)
  • China will offenbar ein Gesetz entschärfen, das Autoherstellern ab 2018 den Verkauf von deutlich mehr Elektrofahrzeugen vorgeschrieben hätte.
  • Die geplante Quote hatte die Industrie extrem nervös gemacht. Kaum ein Hersteller hätte die geforderten Stückzahlen erfüllen können.
  • Die mögliche Entschärfung ist jedoch noch nicht schriftlich fixiert - und in zehn Monaten soll die Quote in Kraft treten.

Von Michael Bauchmüller, Berlin, Christoph Giesen, Peking, und Max Hägler

Es war Ende September, als auf der Webseite des chinesischen Industrie- und Informationstechnologie-Ministeriums plötzlich ein Gesetzentwurf auftauchte, der die Autoindustrie bis heute in helle Aufregung versetzt. Denn die geplante Regelung sieht eine verbindliche Quote für Elektroautos in China vor, und das bereits ab Anfang 2018. Einspruchsfrist damals: ein Monat. Am besten per E-Mail an qiche@miit.gov.cn. "Qiche", das heißt Auto auf Chinesisch.

Die deutsche Autoindustrie war von diesem Vorstoß mehr als überrumpelt, die Politik in Berlin schaltete sich ein, Sigmar Gabriel, damals noch Wirtschaftsminister, forderte Ende Oktober bei seinem Besuch in China mehr Zeit für die Hersteller - vergeblich. Lange sah es so aus, als bleibe Peking hart. Nun aber titelt das Handelsblatt: "China lenkt bei E-Autos ein". Die Vorschrift werde entschärft dank der Intervention Angela Merkels, des Schutzengels der Autoindustrie.

Ist es also der Bundeskanzlerin tatsächlich gelungen, eine Einigung zu erzielen? Für die Regierung in Berlin ist die Angelegenheit heikel. Einerseits will sie die Interessen deutscher Autohersteller vertreten, andererseits ist China nicht irgendein Handelspartner. Da braucht es schon ein bisschen Sensibilität. Das spiegelt sich auch in den Reaktionen aus Berlin wider. "Ganz zentral" sei die Elektromobilität aus Sicht der Bundesregierung, erklärt Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag, schon für bessere Luft und Klimaschutz. "Deshalb begrüßen wir auch, dass die chinesische Seite da ehrgeizige Ziele verfolgt." Nur müssten neue Regeln dazu "diskriminierungsfrei" sein. Und ja, Kanzlerin Angela Merkel habe mit Chinas Ministerpräsident Li Keqiang telefoniert. Der Inhalt des Gesprächs sei aber vertraulich. Die Gespräche zum Thema, so Seibert, führe man "mit Zuversicht". Mehr will auch das Bundeswirtschaftsministerium in der Causa nicht sagen. Nach wie vor setze man sich für eine faire Lösung ein. Nach dem endgültigen Durchbruch klingt das noch nicht.

Nach bisherigem Entwurf müsste VW 2018 schon 60 000 reine E-Autos absetzen

Mit wem man am Montag auch spricht, unisono ist zu hören: Die Verhandlungen laufen noch und zwar hochrangig. Positiv sei, dass man inzwischen in dieser Angelegenheit "sachlich" mit chinesischen Regierungsvertretern diskutieren könne, auch werde man zu Konsultationen geladen: "Wir haben die Chance uns einzubringen, aber noch ist die Angelegenheit nicht geklärt", warnt ein Hersteller. "Wir müssen vorsichtig sein, dass wir nicht zu früh feiern." Denn bisher sei noch nichts erreicht worden, es gebe kein Papier, keine Vorlage, nur einige mündliche Zusagen. Von "einer Lösung" zu sprechen, sei gewagt, beschwert sich deshalb ein Hersteller: "Triumphgeheul zur völlig falschen Zeit", das sich rächen könne.

Im Detail sieht der bislang noch einzig vorliegende Entwurf vor, dass die Autobauer in zehn Monaten für acht Prozent aller in China verkauften Fahrzeuge sogenannte Kreditpunkte sammeln müssen, 2019 dann für zehn Prozent und 2020 für zwölf Prozent. Die Faustformel zur Berechnung lautet: Vier Punkte gibt es für ein Elektrofahrzeug, zwei Punkte für einen Plug-in-Hybriden.

Im Fall von Volkswagen, dem größten Hersteller in der Volksrepublik, hieße dies, dass der Konzern bei derzeit etwa drei Millionen verkauften Autos seiner Kernmarke VW bereits im kommenden Jahr rund 60 000 reine Elektrofahrzeuge absetzen müsste. Bei Plug-in-Hybriden mit einer elektrischen Reichweite von mindestens 50 Kilometern wären sogar 120 000 Exemplare notwendig. Derzeit verkauft VW ein paar Hundert Elektroautos pro Jahr. Gelingt es nicht, die Quote zu erfüllen, müsste VW entweder die Produktion drosseln oder aber anderen Herstellern Kreditpunkte abkaufen. Doch wie viel so ein Punkt kosten würde, weiß niemand.

Alle Hoffnungen ruhen nun auf einem mündlichen Vorschlag

Wie eine Lösung aussehen könnte, präsentierte vor knapp drei Wochen ausgerechnet der chinesische Autoverband CAAM. Weil die Vorgaben der Regierung in Peking auch für etliche heimische Produzenten nicht innerhalb der vorgegebenen Fristen zu erreichen seien, schlägt CAAM vor, dass 2018 statt für acht Prozent lediglich für fünf Prozent aller Fahrzeuge Kreditpunkte benötigt werden, 2019 sollen es dann acht statt zehn Prozent sein. Und 2020 wie bisher zwölf Prozent. Für VW hieße das im kommenden Jahr: 30 000 bis 40 000 reine Elektrofahrzeuge. Noch immer viel zu viel.

Der chinesische Autoverband setzt sich jedoch auch für eine zweite Ausnahme ein, die ebenfalls von den deutschen Herstellern gefordert wird: Schafft es ein Unternehmen 2018 noch nicht, die Quote zu erfüllen, soll es die Möglichkeit erhalten, die Vorgaben durch Mehrproduktion im Jahr darauf auszugleichen. Das wäre ein Kompromiss, mit dem die deutsche Autoindustrie recht gut leben könnte. Schließlich haben die Konzerne schon damit begonnen, eigene Elektro-Strategien für den chinesischen Markt zu entwickeln.

Volkswagens Pläne sehen zum Beispiel für 2020 den Absatz von 400 000 Elektroautos vor. 2025 sollen es dann sogar 1,5 Millionen Fahrzeuge sein. Ein wichtiger Bestandteil dieser neuen Strategie ist die geplante Kooperation mit dem chinesischen Autobauer Anhui Jianghuai Automobile. Mit der gemeinsamen Produktion von Elektroautos solle bis 2018 gestartet werden, verkündete VW-China-Vorstand Jochem Heizmann vor ein paar Wochen. Noch in diesem Jahr werde zudem mit dem Bau einer Plugin-Hybrid-Version des VW Phideon begonnen. Diese Limousine hatte VW erst im Oktober auf den Markt gebracht, sie basiert auf der Langversion des Audi A6 und wird ausschließlich in China vertrieben. In den kommenden Jahren sollen dann weitere Fahrzeuge folgen, insgesamt plant der Konzern, in der Volksrepublik 15 lokal produzierte Modelle mit alternativen Antrieben anzubieten.

Die Mehrzahl der neuen Elektroautos wird VW wohl aber erst von 2019 an im Angebot haben. Dann kommt eine neue Batteriegeneration zum Einsatz, die größere Reichweiten erlaubt. Und je größer die Reichweite, desto mehr Kreditpunkte sieht das geplante Gesetz vor. Sollte also der CAAM-Vorschlag tatsächlich von der chinesischen Regierung berücksichtigt werden und sich Kreditpunkte übertragen lassen, müssten die deutschen Hersteller die Quote 2018 noch nicht erfüllen. Das ist die Hoffnung. Schriftlich fixiert oder gar öffentlich verkündet ist aber noch nichts - und das gerade mal zehn Monate, bevor die neue Regelung in Kraft treten soll.

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