China:Der Berg bröckelt

Chinas Devisenreserven sind auf dem niedrigsten Stand seit Jahren. Das zeigt die Schwierigkeiten des Landes.

Von Christoph Giesen und Markus Zydra, München/Frankfurt

Zugegeben, die Summe an sich ist noch immer gewaltig: 3,2 Billionen Dollar beträgt die Währungsreserve der chinesischen Zentralbank. Kein Land der Welt sitzt auf einem größeren Fremdwährungsschatz.

Dennoch sind eben jene 3,2 Billionen Dollar das jüngste Zeichen für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt derzeit durchmacht. So groß der chinesische Devisenberg auch ist, fast genauso schnell schmilzt er ab. Seit Mitte 2014 sind die Bestände um 800 Milliarden Dollar zurückgegangen. Alleine im Dezember 2015 betrug das Minus 108 Milliarden Dollar. Am Wochenende gab nun die chinesische Zentralbank einen weiteren Rückgang um 99 Milliarden Dollar bekannt. Mit 3,2 Billionen Dollar ist das der niedrigste Stand seit drei Jahren.

Mehr als 20 Jahre ging es eigentlich nur nach oben, Devisenreserven von knapp vier Billionen Dollar konnte die Volksrepublik anhäufen. Chinas Währungsschatz war Spiegelbild der starken Exportkraft des Landes. Devisenüberschüsse entstehen, wenn eine Volkswirtschaft mehr im Ausland verkauft als es importiert und dadurch ausländische Währungen aufhäuft. Doch seit einiger Zeit stagniert der Export, das chinesische Wachstumsmodell steht vor einer Zäsur.

Chinas Regierungschef Li Keqiang spricht von "neuer Normalität", doch die Nerven liegen blank

Die chinesische Notenbank setzt die Devisen ein, um den Yuan zu stützen. Dollar werden verkauft, die eigene Währung gekauft. Auch für Stützkäufe am turbulenten chinesischen Aktienmarkt und etliche Staatsaufträge, werden die Reserven derzeit ausgegeben - nur durch den Export und den Binnenkonsum lassen sich die ehrgeizigen Wachstumsvorgaben von sechs bis sieben Prozent pro Jahr nicht mehr erreichen. Chinas Regierungschef Li Keqiang nennt das beschwichtigend die "neue Normalität". Wie angespannt die Lage ist, zeigt aber ein Wortduell, das sich Chinas Propaganda jüngst mit George Soros lieferte.

Der 85-jährige Hedgefondsmanager hatte 1992 gegen das britische Pfund gewettet und dabei eine Milliarde Dollar verdient. Dieser Coup machte ihn zu einem der bekanntesten Spekulanten. In China sind sie nicht gut zu sprechen auf Soros. Er erklärte nun, "eine harte Landung für China" sei unvermeidbar. Sofort reagierte die Volkszeitung, das wichtigste Parteiorgan in China, und warf dem Milliardär vor, der Volksrepublik den Krieg erklärt zu haben. Dazu noch die Drohung: Jede Wette von Soros gegen den Yuan werde scheitern. Dabei hatte Soros noch nicht einmal ausdrücklich gesagt, er werde gegen Chinas Währung spekulieren.

Doch weil Chinas Wirtschaft schwächelt, kommt die Währung unter Druck. Es droht eine Negativspirale. China stützt durch Notverkäufe der Devisen zwar die eigene Währung, doch gleichzeitig wächst bei einem schrumpfenden Devisenberg der Zweifel, wie lange China das noch durchhält. Auch dadurch erhöht sich der Abwertungsdruck stetig, schließlich kann das Land nicht alle Reserven verbrauchen. Ein guter Teil davon ist zum Beispiel in festverzinslichen amerikanischen Staatsanleihen angelegt.

Finanzmarktprofis machen sich bereits Gedanken, wann die ersten Angriffe erfolgen könnten. Albert Edwards von der Bank Société Générale etwa erwartet eine Spekulantenattacke auf den Yuan sobald Chinas Devisenreserven bis auf 2,8 Billionen Dollar abgeschmolzen sind, was beim derzeitigen Schwund noch in diesem Jahr zu erwarten sei. Edwards, der sich einen Ruf als notorischer Schwarzseher erarbeitet hat, hält es dann für unausweichlich, dass die chinesische Notenbank das Handtuch werfen und der Wert des Yuan stark fallen würde.

Genauso kam es übrigens auch 1992, als Soros gegen das Pfund spekulierte.

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