Chemie:Vereint und getrennt

Dow Chemicals Deutschland

Gemeinsam besser? Forschung in einem Chemielabor.

(Foto: Hauke Dressler)

Es wäre die größte Chemiefusion aller Zeiten: Dow Chemical und DuPont wollen BASF entthronen. Doch der neue Superkonzern will sich wieder aufspalten.

Von Helga Einecke, Frankfurt

Die beiden großen amerikanischen Chemiekonzerne Dow Chemical und DuPont reden über einen Zusammenschluss, offenbar ist eine sogenannte "Fusion unter Gleichen" im Gespräch. Klappt der Deal, würde ein neuer Champion mit einem Börsenwert von mehr als 120 Milliarden Dollar entstehen. BASF wäre seine Position als weltgrößter Chemiekonzern los.

Es wäre nicht nur der bislang größte Zusammenschluss in der Chemiebranche, es wäre auch im internationalen Vergleich eine der größten Transaktionen. Erst vor einigen Wochen hatte der amerikanische Brauereikonzern Anheuser-Busch Inbev den Kauf des Konkurrenten SAB Miller für rund 100 Milliarden Dollar angekündigt. Es entsteht ein Unternehmen, das die internationale Bierbranche mit Abstand beherrscht. Auch die Pharmakonzerne Pfizer und Allergan wollen zusammengehen, der Wert des Geschäfts liegt bei 190 Milliarden Dollar. Die Liste ist lang: Shell kauft den Gasproduzenten BG Group, General Electric Alstom, die Telekomfirma Charter Communication den Kabelanbieter Time Warner Cable.

Mehr als vier Billionen Dollar: Das Übernahmejahr 2015 könnte einen Rekord bringen

Auch deutsche Unternehmen sind aktiv: Siemens übernahm den US-Energiespezialisten Dresser Rand, die drei Autohersteller Audi, BMW und Daimler schnappten sich den Nokia-Kartendienst Here, das Immobilienunternehmen Vonovia will den Rivalen Deutsche Wohnen gegen dessen Willen kaufen. Ohnehin ist die internationale Fusionswelle 2015 so groß wie lange nicht mehr. Nach Schätzungen könnte das Gesamtvolumen bei mehr als vier Billionen Dollar liegen und damit über dem Wert des Rekordjahrs 2007. Der Grund: Die Zinsen sind niedrig wie nie, Liquidität im Überfluss vorhanden.

Doch die geplante Fusion von Dow Chemical und DuPont wäre anders, denn die Beiden wollen sich anschließend wieder aufspalten. Der Präsident des deutschen Chemieverbands, Bayer-Chef Marijn Dekkers, kommentierte, es gehe DuPont und Dow Chemical bestimmt nicht darum, größer zu werden, sondern sich zu fokussieren. Tatsächlich ist davon die Rede, das gemeinsame Unternehmen anschließend in drei Teile aufzuspalten. Dazu zählen die Sparten Kunststoffe, Spezialprodukte und Agrarchemie. Dekkers bezeichnete es als schwierig, in der Chemie zu breit aufgestellt zu sein. Als Spezialist könne man viel gezielter investieren. In Deutschland sei die Chemie proaktiver mit der Spezialisierung. So habe Bayer bereits zweimal Unternehmensteile abgespalten, die sich unter den Namen Lanxess und Covestro verselbständigten. Beide sind Chemiespezialisten. Nicht zuletzt wies Dekkers darauf hin, dass es bei Dow Chemical und DuPont aktivistische Aktionäre gibt, die den Umbau vorantreiben.

The Dow Chemical Company, kurz Dow Chemical, rangiert derzeit als Nummer 2 weltweit hinter der BASF. Sehr stark sind die Amerikaner in Kunststoffen und synthetischem Kautschuk sowie Grundchemikalien. Dow-Chemical-Chef Andrew Liveris räumt gegenwärtig kräftig auf. Nach einem schwachen Agrarchemiegeschäft im dritten Quartal stellte Liveris die Sparte auf den Prüfstand. In Deutschland baute Dow Produktionsstandorte in Stade und bei Rheinmünster. Nach dem Fall der Mauer übernahm man Teile der Buna-Werke. Der Zukauf von Union Carbide in 2001 bedeutete den nächsten Schub. Union Carbide ist für das Bhopalunglück 1984 und damit für den folgenreichsten Industrieunfall der Geschichte verantwortlich.

Der Name DuPont ist bei den Konsumenten bekannter. Er steht für eine Reihe von Kunststoffen wie Elastan, Lycra, Neopren, Nylon, Teflon. DuPont stellt aber auch Produkte für die Landwirtschaft, Ernährung, Gesundheit, Elektronik, Kommunikation, Sicherheit, Haushalt, Bau, Verkehr und Bekleidung her. Das Unternehmen leidet wie Dow auch unter der Dollar-Stärke sowie unter einem schwächelnden Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln und Saatgut. Im dritten Quartal brach der Gewinn um fast die Hälfte ein. Die langjährige Vorstandschefin Ellen Kullman stand lange unter der Kritik von aggressiven Aktionären und verkündete im Oktober überraschend ihren Abschied. Das Ruder übernahm Edward Breen, der sich bereits mit der Aufspaltung des US-Mischkonzerns Tyco einen Namen gemacht hatte.

Überlegungen zu Fusionen in der Chemie gibt es schon länger. Im Zentrum der Diskussionen stand dabei die Agrarchemie. Die gilt als ein Geschäft mit großer Zukunft, weil die Ernährung angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung mit steigenden Erträgen einher gehen muss. Denn der Umfang der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche lässt sich nicht beliebig erweitern. Deshalb kommen größeren Ernteerträgen eine hohe Bedeutung zu.

Das amerikanische Unternehmen Monsanto wollte den Schweizer Wettbewerber Syngenta zum Preis von 47 Milliarden Dollar übernehmen, was Syngenta ablehnte. Inzwischen bezeichneten Syngenta-Manager eine Partnerschaft mit DuPont als sinnvoll. Ungeachtet der großen Zukunftschancen steht die Agrarchemiebranche derzeit wegen fallender Getreidepreise und sinkenden Absätzen in Lateinamerika unter Druck . Syngenta hat sich auf große Veränderungen eingestellt: "Wir sind alle überzeugt, dass das in sechs Monaten ziemlich anders aussehen wird", hatte Verwaltungsratschef Michel Demare kürzlich gesagt.

Der Zwang zu größerer Spezialisierung in der Chemie hat auch einen globalen Hintergrund. Bislang zählt die chemische Industrie zu den Branchen, mit denen Deutschland noch weltweit punkten kann. Allerdings investieren deutsche Unternehmen zunehmend im Ausland. Ohnehin machen China und der Nahe Osten mit großen Anlagen für Basischemikalien den Fabriken in Europa Konkurrenz. Selbst die USA erleben im Zuge der Förderung von Schiefergas eine Reindustrialisierung. "Die Unternehmen befürchten, dass es zu Überkapazitäten im Weltmarkt kommt", sagt Dekkers. Die deutschen Unternehmen müssten sich anstrengen, um mitzuhalten.

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