CDU/CSU zu Target 2:Ein Risiko von 730 Milliarden Euro

In der Unionsfraktion wächst der Unmut gegen das enorme Ungleichgewicht in der Bilanz der Europäischen Zentralbank. Demnach hat die Bundesbank bereits 730 Milliarden Euro Forderungen - Geld, das wahrscheinlich verloren wäre, wenn die Währungsunion zerbricht. Für diese Summe hat es nie eine Zustimmung des Parlaments gegeben.

Claus Hulverscheidt und Robert Roßmann, Berlin

In der Unionsfraktion des Bundestags wächst der Unmut über die gewaltigen Ungleichgewichte in der Bilanz der Europäischen Zentralbank (EZB). Allein die Bundesbank hat über das EZB-interne Verrechnungssystem Target 2 mittlerweile Forderungen von fast 730 Milliarden Euro gegenüber den übrigen Notenbanken der Euro-Zone aufgehäuft. Bei einem Zerbrechen der Währungsunion wäre wohl der größte Teil davon verloren.

"Die Target-2-Entwicklung bietet Anlass zu großer Sorge, weil damit eine wachsende Haftung für Deutschland außerhalb jeglicher parlamentarischer Zustimmung entsteht", sagte der stellvertretende Unionsfraktionschef Johannes Singhammer (CSU) der Süddeutschen Zeitung. Er verwies zudem darauf, dass von den großen Euro-Ländern inzwischen nur noch Deutschland auf der Seite der Target-Gläubiger stehe, während Staaten wie Frankreich, Italien und Spanien zu den Schuldnern zählten. Damit sei die Bundesrepublik "in eine gefährliche singuläre Position" geraten.

Die Target-Salden der Notenbanken haben sich seit Ausbruch der Weltfinanzkrise im Jahr 2007 stark auseinanderentwickelt. Grund ist, dass ein Land wie Deutschland in großem Stil Waren in die Euro-Zone exportiert, Bürger aus den Krisenländern zugleich ihr Geld in der Bundesrepublik anlegen und sich zudem die Geschäftsbanken untereinander kaum noch Geld leihen.

Zuletzt wiesen neben Deutschland nur noch die Niederlande (155 Milliarden Euro), Luxemburg (115 Milliarden), Finnland (73 Milliarden) und Estland (0,7 Milliarden) positive Target-Salden auf. Die übrigen zwölf Euro-Mitgliedsländer haben Verbindlichkeiten, allen voran Spanien (408 Milliarden) und Italien (274 Milliarden). Die Zahlen zeigen, dass Deutschland keineswegs der Hauptleidtragende der Krise ist: Gemessen an der jeweiligen Wirtschaftskraft ist das Risiko, das etwa Luxemburg eingeht, fast zehnmal so hoch.

Wie groß ist das Risiko?

Wie groß die Gefahren für Deutschland sind, darüber wird seit vielen Monaten gestritten. Für sich genommen stellen die Salden kein Risiko dar, da es sich nicht um Kredite handelt. Vielmehr dient das Target-System dazu, bereits zur Verfügung stehende Liquidität innerhalb der Währungsunion zu verteilen. Darauf weist auch der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), in einem Schreiben an den CSU-Abgeordneten Paul Lehrieder hin, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Was aber nicht in der Antwort steht: Sollte die Euro-Zone auseinanderbrechen, wäre es tatsächlich mehr als fraglich, ob die nationalen Notenbanken willens und in der Lage wären, ihre Defizite zu begleichen. Auch beim Austritt eines einzelnen Landes könnte viel Geld verlorengehen, im Falle Griechenlands etwa wären es bis zu 100 Milliarden Euro. Allein die Bundesbank-Bilanz würde dadurch im schlechtesten Fall mit 27 Milliarden Euro belastet.

Ein Limit für die Target-Salden der beteiligten Notenbanken gibt es nicht. "Im bestehenden Rechtsrahmen würden Obergrenzen zu einer Beschränkung des Zahlungsverkehrs führen", heißt es in einem Brief des Finanz-Staatssekretärs Hartmut Koschyk an Unionsfraktionsvize Singhammer.

Und weiter: "Im Euro-System lassen sich Risiken sinnvoller dadurch verringern, dass die übermäßige Inanspruchnahme der Notenbankrefinanzierung durch einzelne Kreditinstitute zurückgeführt wird." Damit sich die Banken ihr Geld wieder untereinander borgten, statt es sich bei der nationalen Notenbank zu leihen, müsse es gelingen, das Vertrauen der Finanzmärkte zurückzugewinnen.

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