CDU und Atom:Kein Kehraus mit Koch

Mit dem Atomausstieg ist es wie mit dem Warten auf Godot: Er will einfach nicht kommen. Und das ist in der CDU von Strategen wie Roland Koch gewollt.

M. Bauchmüller

Die Länder haben längst die Abkehr vom Atomausstieg vorbereitet. Da wäre zum Beispiel Paragraph eins des Atomgesetzes, die "Zweckbestimmung". Sie gefällt den Ländern Hessen und Baden-Württemberg gar nicht. Als Zweck des Gesetzes gilt nämlich in der geltenden Fassung, "die Nutzung der Kernenergie (...) geordnet zu beenden". Viel besser, so finden beide Länder, wäre deshalb ein anderer Zweck: Nämlich "die geordnete Nutzung der Kernenergie (...) sicherzustellen".

Atomkraftwerk, Foto: ddp

Bund und Länder haben alles getan, um die Abkehr vom Atomaustieg vorzubereiten.

(Foto: Foto: ddp)

Es ist nur einer von dutzenden Formulierungsvorschlägen der beiden Länder, fein säuberlich aufgelistet und ins Juristendeutsch übertragen in einer Gegenüberstellung des bisherigen Atomgesetzes und einer "Fassung nach 2009".

Wer noch nicht weiß, wie sich die Laufzeiten der 17 deutschen Reaktoren verlängern lassen, findet den Metaplan in Wiesbaden und Stuttgart. Längst sind beide Länder vorbereitet. Die Absicht ist überdeutlich: Die Kernkraftwerke sollen länger laufen, insbesondere auch Hessens Meiler Biblis A und Neckarwestheim 1 in Baden-Württemberg. Denn deren Laufzeit neigt sich bedrohlich dem Ende zu.

Unmittelbar nach der Bundestagswahl wandten sich Hessens Ministerpräsident Roland Koch und sein damaliger baden-württembergischer Amtskollege Günther Oettinger (beide CDU) deshalb an Bundeskanzlerin Angela Merkel - mit einem ganzen Stapel von Unterlagen.

Die Umweltministerien beider Länder hätten "gemeinsam die entsprechenden Fragestellungen aufgearbeitet und Textentwürfe und dazu notwendige Vereinbarungen und Gesetzesänderungen gefertigt", schrieben Koch und Oettinger, der inzwischen EU-Energiekommissar ist. "Wir erlauben uns, dieses gesamte Paket Ihnen zu übersenden."

Keine konkreter Ausstiegstermin

Das Paket hat es in sich. Denn haarklein stellen die Ministerpräsidenten in ihrem "Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie" nicht nur dar, was sie unter einer Laufzeitverlängerung verstehen. Sie legen auch unverblümt die Probleme offen, die sie in der einen und anderen Variante sehen. So empfehlen beide Länder, die Laufzeiten nicht einfach nur um ein paar Jahre zu verlängern.

"Von einer konkreten zeitlichen Festlegung sollte Abstand genommen werden", heißt es in dem Papier. Besser sei es, die Laufzeiten "von der Einhaltung bestimmter Sicherheitsanforderungen (...) abhängig zu machen" - und nur davon. Schließlich hätten auch "ältere Anlagen ein Sicherheitsniveau, das an neuere Anlagen heranreicht".

Ein mögliches Problem liefern die Länder gleich mit: Denn das Vorhaben brauche womöglich die - keineswegs sichere - Zustimmung des Bundesrates. Und zwar dann, "wenn das Gesetz durch die Änderung eine neue Tragweite und Bedeutung für den Vollzug durch die Länder erfahre".

Die Länder führen die Atomaufsicht im Auftrag des Bundes. Müssen sie dies länger und intensiver tun als bisher, bedeutet das mehr Personalaufwand. Abschließend klären lasse sich dies noch nicht. "Es wird aber angeregt, zu dieser Frage frühzeitig ein Rechtsgutachten einzuholen", empfehlen die Autoren.

Sinkende Stromkosten unwahrscheinlich

Sinkende Stromkosten unwahrscheinlich

Auch die mögliche Verwendung zusätzlicher Gewinne - nach Auffassung der beiden Länder 400 bis 800 Millionen Euro je Reaktor und Extrajahr Laufzeit - erscheint alles andere als einfach. So lasse sich der Zusatzgewinn einerseits schwer kalkulieren, andererseits schwer eintreiben. Eine gesetzliche Regelung etwa sei "rechtlich sehr risikoreich" und könne am Verfassungsgericht scheitern.

Ähnliche Bedenken hatte kürzlich Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) geäußert. Am besten, so raten die Länder, eigne sich eine Art "Deutsche Stiftung Energieforschung", gespeist aus den Zusatzgewinnen. Vorbild könne die Landesstiftung Baden-Württemberg sein, mit 2,4 Milliarden Euro Vermögen eine der größten privaten Stiftungen Deutschlands. Das Geld könne dann in die Erforschung und Förderung erneuerbarer Energien fließen. Nicht jedoch, wie eigentlich erwogen, an Stromkunden.

Hatten Union und FDP noch im Wahlkampf damit geworben, längere Laufzeiten würden auch die Stromkosten der Haushalte dämpfen, wird dies in dem Papier nun weitaus nüchterner diskutiert. Schließlich sei die Laufzeitverlängerung nur einer von mehreren Faktoren, der den Strompreis bestimme. "Insgesamt ist eine verbindliche Verpflichtung zur Senkung der Strompreise sowohl unter rechtlichen als auch marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten nur schwer vorstellbar", schließen die Autoren.

Greenpeace spricht vom "Wählerbetrug"

Umweltschützer sind empört. "Dieses Papier deckt einen Wählerbetrug auf", sagt Tobias Münchmeyer von Greenpeace. Die CDU habe im Wahlkampf eine verbindliche Vereinbarung zur Strompreissenkung durch Laufzeitverlängerung versprochen, "obwohl sie nachweislich wusste, dass das gar nicht geht". Und auch Hessen und Baden-Württemberg hatten sich mehr davon versprochen.

"Der Bund ist am Zug", heißt es etwa in Stuttgart. "Nur bewegt er sich nicht zwingend in unsere Richtung." Ungeklärt ist auch immer noch, welche Rolle der Bundesrat spielen könnte, ob er zustimmen muss oder nicht. Dabei könnte dies der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ganz anderes Gewicht geben, denn dort steht auch die schwarz-gelbe Mehrheit in der Länderkammer auf dem Spiel. Die NRW-Wahl würde zum Votum über den Atomausstieg.

Ein entsprechendes Rechtsgutachten holen nun andere ein: die Grünen.

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