Camerons Wirtschaftsbilanz:Cameron hinterlässt eine Wirtschaft in Schockstarre

Camerons Wirtschaftsbilanz: Eigentlich war er wegen seiner Wirtschaftskompetenz gewählt worden. Doch was er hinterlässt, ist enttäuschend: David Cameron.

Eigentlich war er wegen seiner Wirtschaftskompetenz gewählt worden. Doch was er hinterlässt, ist enttäuschend: David Cameron.

(Foto: AFP)

Ursprünglich war der Premierminister wegen seiner Wirtschaftskompetenz gewählt worden. Seine Bilanz ist allerdings verheerend.

Kommentar von Björn Finke

Es ist eine düstere Drohung. Wenn dieser Mann britischer Premierminister wird, würden mehr Firmen pleitegehen, mehr Menschen wären arbeitslos, die Steuern würden steigen. Der Mahner schließt seine Ausführungen mit einem Appell an die Wähler: "Lasst sie nicht alles kaputt machen, was wir geschaffen haben."

Der Mahner ist der konservative Premierminister David Cameron. Mit diesen Worten warnte er im April 2015 die Bürger davor, den Oppositionsführer Ed Miliband von Labour zum neuen Premier zu machen. Mit Erfolg: Bei den Parlamentswahlen im Monat darauf errangen Camerons Tories überraschend die absolute Mehrheit der Mandate. In Umfragen sprachen die Bürger den Konservativen deutlich mehr Wirtschaftskompetenz als Labour zu. Das war ein wichtiger Faktor für Camerons Triumph. Doch jetzt, ein gutes Jahr später, ist es Cameron selbst, der die Zahl der Firmenpleiten und der Arbeitslosen hochtreibt. Höhere Steuern hat sein treuer Gefährte George Osborne, der Schatzkanzler, schon angekündigt.

Schuld an der Misere ist die Idee des Premierministers, ein Referendum über den EU-Austritt anzusetzen. Dabei ist er kein Gegner der Union; er wollte mit der Abstimmung nur die Europa-Feinde in seiner Partei ruhigstellen. Dieser Plan ging gründlich schief. Nun stehen Europa und Großbritannien vor einer Zerreißprobe. Der Wirtschaft des Königreichs droht ein herber Abschwung.

Schwer vorstellbar, dass jemand der Wirtschaft noch mehr schaden könnte als der Premier

Wer den Konservativen wegen ihrer vermeintlichen ökonomischen Kompetenz die Stimme gegeben hat, wird das inzwischen bereuen. Denn es ist schwer vorstellbar, dass irgendjemand anderes der Wirtschaft mehr Schaden zufügen könnte, als es Cameron mit seiner verlorenen Referendums-Wette getan hat. Als die Tories 2010 an die Macht kamen, setzten sich Cameron und Schatzkanzler Osborne hehre Ziele für die Wirtschaftspolitik. Doch die Bilanz der zwei Vandalen von Westminster fällt verheerend aus.

Cameron tritt ab, auch Osborne wird vermutlich nicht Schatzkanzler bleiben. Ihre Nachfolger erben eine Wirtschaft in Schockstarre. Bis die Verhandlungen zwischen London und Brüssel über die zukünftigen Beziehungen abgeschlossen sind, herrscht lähmende Unsicherheit. Die Gespräche können Jahre dauern. Britische Manager wissen nicht, ob sie in Zukunft weiter Waren ohne Zölle und bürokratische Hürden in die EU verkaufen können, den größten Exportmarkt. Banken, Fondshäuser und Versicherer in London, Europas wichtigstem Finanzplatz, wissen nicht, ob sie Abteilungen in Euro-Staaten verlagern müssen. Darum werden sich Unternehmen mit Investitionen und Neueinstellungen zurückhalten.

Es ist eine Wirtschaft im Wartestand.

Schatzkanzler Osborne erbte 2010 von seinem Labour-Vorgänger ein hohes Defizit im Haushalt - elf Prozent, fast griechische Verhältnisse. Der Konservative verringerte den Fehlbetrag, wenn auch langsamer als geplant. Für 2019 peilte er einen Überschuss an. Doch der Abschwung, den Volkswirte nun erwarten, wird das unmöglich machen. Osborne hält sogar Steuererhöhungen für nötig, damit der Haushalt nicht völlig aus dem Lot gerät.

Cameron und Osborne haben mehr geschadet als genutzt

Eines der wichtigsten Vorhaben von Cameron und Osborne war es, der Wirtschaft eine bessere Balance zu verpassen. Die Finanzkrise hatte gezeigt, dass Großbritannien gefährlich abhängig vom Wohl und Wehe der Londoner Banken ist. Darum versprach das Duo, die Industrie nach ihrem jahrzehntelangen Niedergang zu stärken. Das sollte auch mehr gut bezahlte Jobs außerhalb Londons schaffen, in den darbenden Industriestädten Nordenglands, und so das Ungleichgewicht zwischen der Metropole und dem Rest des Landes verringern. Die Exporte sollten ebenfalls zulegen. Bislang führt das Königreich viel mehr ein als aus.

Um der Industrie zu helfen, reformierte die Regierung etwa das Ausbildungssystem. Als Vorbild diente hier Deutschland. Das soll den Mangel an Fachkräften mildern. Osborne senkte zudem die Steuern auf Unternehmensgewinne und versprach mehr Geld für die Infrastruktur in Nordengland, zum Beispiel für Bahnverbindungen. Und tatsächlich gibt es inzwischen Erfolgsmeldungen aus der Industrie. So setzen die Autohersteller auf der Insel so viel um wie nie zuvor.

Doch die lange Ungewissheit nach dem Referendum wird Investoren abschrecken. Wollen internationale Konzerne Fabriken ausbauen, werden sie das sicher nicht bei ihren britischen Standorten machen. Osborne und Cameron haben der Industrie - und der gesamten Wirtschaft - mit ihren Entscheidungen in Summe viel mehr geschadet als genutzt. Eine traurige Bilanz nach sechs Jahren.

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