Call-Center der Telekom:Es kommt nicht auf die Größe an

Die Deutsche Telekom will Call-Center zusammenlegen, um Kosten zu sparen - Experten bezweifeln, dass die Rechnung aufgeht.

Caspar Dohmen

Der Versandhändler Quelle machte es vor, er schloss sechs von neun Call-Center-Standorten, den letzten Ende vergangenen Monats in Essen. 3000 von einst 7500 Mitarbeitern der Service-Sparte müssen gehen. So will das Tochterunternehmen des Essener Warenhaus- und Touristikkonzerns Arcandor etwa 100 Millionen Euro einsparen.

Call-Center der Telekom: Die Telefondienstleister beschäftigen in Deutschland 450.000 Menschen. Viele Call Center haben sich in strukturschwachen Regionen angesiedelt.

Die Telefondienstleister beschäftigen in Deutschland 450.000 Menschen. Viele Call Center haben sich in strukturschwachen Regionen angesiedelt.

(Foto: Foto: dpa)

Nun folgt die Deutsche Telekom. Der Bonner Konzern verfügt über 60 Call-Center-Standorte in Deutschland; hier werden beispielsweise Kundenfragen zu Festnetz- oder DSL-Anschlüssen beantwortet. Von den Call-Centern sei jedes Zweite von der Schließung bedroht, bestätigten Telekomkreise am Montag Medienberichte. Die Firma selbst wollte sich zu ihren Planungen nicht äußern - ein Sprecher verwies lediglich auf eine Pressekonferenz am Donnerstag in Bonn.

Allerdings geht es hier angeblich nicht um den Abbau von Stellen, sondern bloß um die Zusammenlegung von Standorten. Das Unternehmen hat bereits wiederholt eine Zusammenlegung angekündigt. Heute haben die Call-Center zwischen 40 und 700 Mitarbeitern - insgesamt sind es 18.000. Damit gehört der Konzern zu den größten Arbeitgebern im Call-Center-Bereich in Deutschland.

Kein Trend zur Konzentration

Doch sind größere Call-Center-Einheiten tatsächlich wirtschaftlicher? "Dies ist abhängig vom Geschäftsmodell", sagt der Sprecher des Call-Center Forums Deutschland (CCF). Es gebe kleine, mittlere und große profitable Call-Center. Es existiere kein direkter Zusammenhang zwischen Wirtschaftlichkeit und Anzahl der Mitarbeiter, sagt auch Patrick Tapp, Vizepräsident Verbraucherdialog beim Deutschen Dialog Marketing Verband.

"Jeder Mitarbeiter bringt die gleiche Leistung, egal, ob in seinem Umfeld hundert oder 2000 Kollegen sitzen", erklärt er. Allerdings könne Größe die Verwaltungskosten pro Kopf beispielsweise für die EDV oder die Mieten senken.

Glaubt man den beiden Branchenverbänden, dann gibt es keinen Trend zur Konzentration in der Branche. Es gebe auch Unternehmen, die ihre Standorte in der Fläche zur Zeit personell aufstockten, beispielsweise ADM, heißt es.

Im Schnitt bietet ein Call-Center in Deutschland 228 Arbeitsplätze. Diese Zahl hat der Softwarehersteller Aspecta bei einer Befragung von 149 Unternehmen ermittelt. Call-Center galten lange als die große Hoffnung für strukturschwache Gegenden.

Angelockt von Subventionen ließen sich nach der Wiedervereinigung viele Anbieter vor allem in den Neuen Bundesländern auf der grünen Wiese nieder; auch in anderen wirtschaftlich gebeutelten Regionen wie dem Ruhrgebiet blühte die Branche auf.

In den Osten gelockt

Dagegen gibt es in wirtschaftlichen Boomregionen wie Baden-Württemberg wenige Call-Center; hier sind den Branchenverbänden zufolge die Löhne zu hoch. Insgesamt stieg die Anzahl der Call-Center hierzulande binnen acht Jahren von 1600 auf jetzt 5700; sie beschäftigen 450.000 Menschen. Dies sind 1,2 Prozent aller Beschäftigten. Spitzenreiter bei diesem Wert sind mit zehn Prozent die USA.

Einige Unternehmen haben Call-Center-Dienstleistungen aus Qualitätsgründen sogar wieder von Indien zurück nach Europa geholt; bevorzugt werden dann allerdings Standorte in Osteuropa.

Schon länger hat die Deutsche Telekom Call-Center zusammengelegt oder verkauft, um die Kosten zu senken; vor fünf Jahren gab es noch 120 Call-Center. So gingen Call Center in Magdeburg, Halle, Dresden, Suhl, Cottbus, Aachen und Lübeck an die Firma Walter Service, der Konkurrent Arvato übernahm Rostock, Neubrandenburg, Erfurt, Potsdam und Stuttgart.

Betroffen waren also vor allem Beschäftigte in den Neuen Bundesländer. Das liegt nach Meinung der Gewerkschaft Verdi daran, dass es in den Oststandorten weniger Beamte gab.

Diesmal will die Telekom angeblich keine Beschäftigten loswerden. "Wir werden allen Beschäftigten einen Arbeitsplatz bieten", sagte ein Telekom-Sprecher. Allerdings machte er keine Angaben darüber, wie weit entfernt der neue Job sein werde.

Die Gewerkschaften befürchten, dass die Telekom in Wirklichkeit Tausende Mitarbeiter herausdrängen will. "Das Programm zielt darauf, Mitarbeiter um ihre Stelle zu bringen", sagt Verdi-Vorstand Lothar Schröder. Von einem "Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter" spricht Volker Geyer, der Vorsitzende der Kommunikationsgewerkschaft DPV. Er befürchtet, dass 7000 Mitarbeiter betroffen seien. Beide Gewerkschafter glauben nicht daran, dass alle Beschäftigten umziehen oder längere Arbeitszeiten in Kauf nehmen können.

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