Erneuerbare Energien:"Die staatliche Förderung für Solarwärme war noch nie so gut"

Pusteblume im Gegenlicht

Sonne zählt zu den nur wenig genutzten Wärmequellen. Derzeit werden für die Wärmeerzeugung überwiegend fossile Energieträger eingesetzt.

(Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Viele Bauherren lassen sich Geld entgehen, weil sie nur auf fossile Brennstoffe setzen, sagt Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft.

Interview von Johanna Pfund

Zwei Millionen Anlagen für Solarwärme gibt es mittlerweile in Deutschland. Doch die stattliche Zahl täuscht: Nur ein Prozent der benötigten Wärme wird mithilfe der Sonne gewonnen. Viel Potenzial liege noch brach, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, im Interview.

SZ: Wie zufrieden sind Sie wirklich mit der Entwicklung der Solarthermie?

Carsten Körnig: Nun, immerhin entschieden sich vergangenes Jahr weitere 100 000 Verbraucher für eine Solarwärmeanlage, und Solarenergie ist Deutschlands beliebteste Energieform. Gemessen an den Erfordernissen des Klimaschutzes und den Zielen der Bundesregierung ist das allerdings noch zu wenig. Vor allem die Quote beim Austausch von Heizungsanlagen bietet noch viel Luft nach oben. Zu viele setzen noch immer ausschließlich auf fossile Energieträger, obwohl ihre Heizung eine Investition in die Zukunft darstellen sollte. Nahezu unerschlossen sind gewaltige Solarwärme-Potenziale im Bereich der Wohnungswirtschaft und der Industrie.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Solarthermieanlagen, die neu installiert wurden, sogar kontinuierlich gesunken. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach?

Die staatliche Förderung für Solarwärme war noch nie so gut wie heute. Das Problem ist, dass viele Hausmodernisierer davon keine Kenntnis haben. Sie wissen nicht, dass einige Tausend Euro Zuschuss winken, Solaranlagen inzwischen sehr preiswert und in wenigen Stunden installiert sind. Andere lassen sich von niedrigen Ölpreisen einlullen. Die Bundesregierung sollte davor warnen, sich auf diesem vorübergehenden Zwischentief auszuruhen und die Förderangebote des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle noch intensiver bewerben. Was viele auch nicht wissen: Beim Neubau ist der Einsatz erneuerbarer Energien inzwischen Pflicht und im Gebäudebestand die Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie überfällig.

Erfüllen denn andere EU-Länder diese Vorgaben?

Unsere Nachbarländer Österreich und Dänemark sind deutlich weiter. So speist unser nördlicher Nachbar zum Beispiel bereits im großtechnischen Maßstab Solarwärme in die Fernwärmenetze. Trotz ähnlicher Sonneneinstrahlung spricht sich unter deutschen Energieversorgern erst langsam rum, dass dies bereits für drei bis fünf Cent je Kilowattstunde möglich ist.

Hat man das in Deutschland mit dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz verpasst?

Viele Gesetzesnovellen tragen noch immer zu stark die Handschrift fossiler Energie-Interessen. Eine tatsächliche Wärmewende lässt weiter auf sich warten. Lediglich 13,2 Prozent der benötigten Wärme wurden 2015 mit erneuerbaren Energien erzeugt, das ist wesentlich weniger als auf dem Stromsektor, wo der Anteil bei einem Drittel liegt.

Offiziell will die Bundesregierung bis 2020 exakt 14 Prozent des Wärmebedarfs mit Erneuerbaren decken. Da sind die 13,2 Prozent doch nahe dran.

Spätestens seit den Klimaschutzbeschlüssen von Paris ist das Ziel überholt. In ihrer eigenen Energieeffizienzstrategie Gebäude hat die Bundesregierung vergangenes Jahr anerkannt, dass sie den jährlichen Solarwärme-Ausbau mindestens verdreifachen, eher verfünffachen müsste. Es ist also höchste Zeit, den schlafenden Riesen Solarwärme zu wecken. Verbraucher und Unternehmer müssen dazu gebracht werden, nicht länger in veraltete fossile Heiztechnik zu investieren, nicht nur durch Infokampagnen, notfalls auch per Gesetz.

Erneuerbare Energien: Carsten Körnig ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft. Dieser bündelt die Interessen von etwa 1000 Unternehmen der Solarbranche.

Carsten Körnig ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft. Dieser bündelt die Interessen von etwa 1000 Unternehmen der Solarbranche.

(Foto: privat)

"Schlafender Riese"

Ist es nicht Aufgabe des Fachhandwerks, richtig zu informieren?

Ja, das Handwerk spielt eine wichtige Rolle. Verantwortungsbewusste Installateure haben Solarenergie im Programm und informieren gewissenhaft beim Kauf einer Heizung. Gerne vermitteln wir diese.

Erdgas wird ja oft als gute Lösung gepriesen.

In Kombination mit Solartechnik sind Gas-Brennwertheizungen deutlich emissionsärmer als ein herkömmlicher Ölkessel. Ökologisch besser, aber auch ein wenig teurer ist die Kombination von Solarkollektoren mit einer Pelletheizung.

Wo sehen Sie derzeit in Deutschland das größte Potenzial?

Im Gebäudebereich sollte Solarthermie zum Standard werden. Wichtig wäre es auch, die Technik in Fernwärmenetzen zu nutzen, so wie das in Dänemark teils gemacht wird. Auch kann die Solarthermie Prozesswärme liefern, beispielsweise für die Ernährungsindustrie.

Solarthermie liefert aber im Sommer den größten Teil der Wärme, nicht im Winter, wenn das Heizen ansteht.

Durch den intelligenten Einsatz von Speichern ist es inzwischen möglich, auch in den Übergangsjahreszeiten und sogar im Winter relevante Teile der Heizenergie aus der Kraft der Sonne zu decken und damit den Verbrauch von Öl und Gas spürbar zu drosseln.

Die Grünen sind ja kürzlich im Bundestag gescheitert mit ihren Vorschlägen für ein Erneuerbare-Energien-Wärme-gesetz.

Der Vorschlag zielte in die richtige Richtung. Immer mehr Experten gelangen zu der Überzeugung, dass an einer Nutzungspflicht kein Weg vorbeiführen wird. Es wäre also eine gute Zeit, jetzt in moderne Heizungssysteme zu investieren, solange die Förderung noch so gut ist, und die Zinsen niedrig sind. Ein weiteres Warten wird sich weder für Verbraucher noch für unsere Volkswirtschaft auszahlen.

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