Bundestagswahl 2009:Was geschehen ist

Unterm Strich steht für die Wirtschaftspolitik der großen Koalition als Note ein "voll befriedigend". Die Regierung Merkel hat das Land genauso vorangebracht wie die Regierung Schröder.

Ulrich Schäfer

Natürlich fallen jetzt alle über die große Koalition her. Zerreißen sich den Mund darüber, dass die Regierung Merkel in vier Jahren eigentlich nichts bewegt hat. Die Rente mit 67, na gut. Und die Rettungspakete, auch ganz gut. Aber sonst? Die Mehrheit der Meinungsmacher in Deutschland denkt: Die haben ihre Zeit nicht genutzt.

Steinmeier, Merkel, ddp

Merkel und Steinmeier - sie haben sich besser verstanden als anfangs angenommen.

(Foto: Foto: ddp)

Tatsächlich jedoch hat die große Koalition manches bewirkt. Nicht alles war so, wie es sich Ökonomen in der reinen Lehre vorstellen. Doch es gilt, zu unterscheiden zwischen dem, was manche vom Katheder herab fordern - und dem, was Politik wirklich leisten kann. Und diese Koalition hat in einer Phase, in der oft nur Stunden blieben, um über Hunderte Milliarden Euro zu entscheiden, Großes geleistet: Sie hat das Land vor Schlimmerem bewahrt.

Gewiss, Merkel und Steinbrück haben manchmal gezögert. Aber damit waren sie nicht allein. Gerade jene Wirtschaftsmenschen, die mit besonderer Wucht die große Koalition kritisieren, haben nicht vorhergesehen, was da heraufzog. Und ganz ehrlich: Stünde Deutschland heute besser da, wenn jemand wie Nicolas Sarkozy das Land geführt hätte, der mit seinen Vorschlägen zum Krisenmanagement immer schneller war, aber oft falsch lag?

Natürlich haben die Rettungspakete ihre Mängel, natürlich wäre es besser gewesen, allen großen Banken staatliches Kapital aufzuzwingen wie in den USA und Großbritannien. Doch unterm Strich war es richtig, die HRE zu retten, einen Banken-Schirm aufzuspannen und die Konjunktur massiv zu stützen. Zwei Entscheidungen waren dabei, wenn man so will, meisterhaft: Durch ein loses Versprechen im Fernsehen, abgesegnet durch kein Parlament, haben Merkel und Steinbrück die Gefahr abgewendet, dass die Deutschen die Banken stürmen. Und mit Hilfe des Kurzarbeitergelds haben sie verhindert, dass die Zahl der Arbeitslosen im ersten Krisenwinter auf fünf Millionen steigt.

Und sonst? Was ist mit den großen Reformen? Die hat es gegeben. Eine Großreform allerdings war Murks: Union und SPD wollten mehr Wettbewerb ins Gesundheitssystem bringen, doch jeder auf andere Weise. Heraus kam ein halbgarer Kompromiss namens Gesundheitsfonds. Viele Krankenkassen erhöhten daraufhin ihre Beiträge. Doch zugleich sind die Sozialbeiträge an anderer Stelle gesunken, in der Arbeitslosenversicherung etwa nicht bloß, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, von 6,5 auf 4,5 Prozent, sondern auf 2,8 Prozent.

Der höchste Steuersprung der Geschichte

Auch die Steuern wurden mehrmals gesenkt: die Erbschaftsteuer ebenso wie die Unternehmensteuern und die Einkommensteuer. Mit der Abgeltungsteuer hat Schwarz-Rot zudem eine einheitliche Steuer auf alle Kapitalerträge geschaffen. Auch diese Reformen haben Mängel. Die Unternehmerlobbyisten etwa meckern über vieles; aber sie werden erst Ruhe geben, wenn Unternehmen gar keine Steuern mehr zahlen müssen.

Dem gegenüber steht der höchste Steuersprung, den Deutschland je erlebt hat: Die große Koalition erhöhte die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte. Der Konjunktur hat das, entgegen allen Prognosen, nicht geschadet. Hier allerdings liegt auch ein Element des Versagens: Als die Konjunktur wieder brummte, hätte die große Koalition den Etat ausgleichen und für schlechtere Zeiten vorbauen müssen. Stattdessen haben Merkel und Steinbrück fast alle Ausgabenwünsche genehmigt.

Auf der Habenseite darf die große Koalition verbuchen, dass sie die Manager gezwungen hat, ihre Gehälter offenzulegen, und dass die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut werden. Auf der Negativseite zu vermerken ist das Theater um den Bahn-Börsengang sowie der Eingriff in die Rentenformel.

Insofern steht unterm Strich für die Wirtschaftspolitik der großen Koalition als Note ein "voll befriedigend". Die Regierung Merkel hat das Land genauso vorangebracht wie die Regierung Schröder. Und wie bei der rot-grünen Koalition werden die Kritiker von Schwarz-Rot erst im Nachhinein erkennen, dass die große Koalition in der Wirtschaftspolitik gar nicht so schlecht war.

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