Bundestag und ESM-Gesetz:Ärger mit dem Lückentext

Verfassungsrechtler monieren eine unvollständige Vorlage beim Gesetz für den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM. Der Punkt, der die Rechte des Parlaments regeln soll, lautet bisher schlicht: (...). Juristen erwägen deshalb eine Verfassungsbeschwerde.

Simone Boehringer

Wenn an diesem Donnerstag die ESM-Gesetzesvorlagen in den Bundestag eingebracht werden, gibt es eine große Lücke. An der Stelle, an der die Beteiligungsrechte des Parlaments geregelt werden sollen, steht bislang nur (...).

"Der Entwurf zum ESM-Finanzierungsgesetz ist unvollständig. Er dürfte folglich gar nicht gelesen werden", urteilt Christoph Degenhart, Staatsrechtsprofessor an der Universität Leipzig. Er steht mit seiner Einschätzung nicht allein. "Ich halte dieses Gesetz nicht für verfassungskonform eingebracht. Der Entwurf lässt bewusst Lücken in wesentlichen Punkten und das verletzt Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren im Grundgesetz", meint Hanno Kube, Professor für Öffentliches Recht an der Universität in Mainz.

Tatsächlich sollen die Details über die Parlamentsbeteiligung im Laufe des Beratungsprozesses vom Bundestag "selbst formuliert" und hineingeschrieben werden, wie eine Sprecherin des Bundestages bestätigt. Es handelt sich dabei um genau jene Bestimmungen, die gewährleisten sollen, dass der Bundestag nicht sein Haushaltsrecht ohne verbindliche Rückkopplungen an den ESM abgibt.

Juristen erwägen Verfassungsbeschwerden

"Die Parlamentsbeteiligung ist nicht eine nebensächliche Regelung, die man später noch im Wege eines Änderungsantrags nachschieben kann, sondern eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass das Gesetz verfassungsmäßig ist. Dies erfordert eine vollständige Beratung in allen Lesungen", erklärt Dietrich Murswiek, Staatsrechtler der Universität Freiburg.

Murswiek ist schon mehrfach vors Verfassungsgericht gezogen, zuletzt mit einer Klage gegen den Rettungsschirm EFSF. Auch gegen den ESM sind schon Beschwerden einiger Juristen in Vorbereitung. Eine weitere wegen Formfehlern zu riskieren, scheint in der ohnehin sehr emotional geführten Debatte unverständlich. "Vermutlich will die Regierung damit einer künftigen Kritik wegen unzureichender Beteiligung des Deutschen Bundestages bei der ESM-Gesetzgebung den Wind aus den Segeln nehmen", mutmaßt Staatsrechtler Degenhart. Sollte es zu einer gerichtlichen Überprüfung kommen, könne sie argumentieren, der Bundestag selbst habe die entsprechende Passage ja im Beratungsprozess formuliert.

Und was meint Bundestagspräsident Norbert Lammert, zu dessen Pflicht es gehört, die Rechte des Parlaments zu schützen? Die Inhalte "werden im Ausschussverfahren zusammengeführt", sagt eine Sprecherin der SZ. Die ausformulierte Vorlage gebe es nicht für alle, sondern nur für Mitglieder des Haushaltsausschusses. Andere Abgeordnete müssen am Donnerstag die (...)-Lücke beraten.

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